„Eine Frage der Chemie“ von Bonnie Garmus
Dieses Buch ist kein Geheimtipp. Es ist sogar längst ein SPIEGEL-Bestseller. Ich empfehle euch eines der meistverkauften Bücher des letzten Jahres trotzdem noch mal, denn kaum eine Geschichte habe ich lieber oder mit mehr Leichtigkeit gelesen. Ich hatte
„Eine Frage der Chemie“ (Piper, Hardcover, 22 Euro) während des Sommerurlaubs im Vorbeigehen im englischen Supermarkt mitgenommen – und dann kaum mehr aus der Hand gelegt, bis ich es beendet hatte. Was als ungewöhnliche Romanze zwischen dem Nobelpreisträger Calvin Evans und der Chemikerin Elizabeth Zott beginnt, entwickelt sich zu einem Ein-Frau-Stück: Zott, überraschend verwitwet und alleinerziehend, findet im Amerika der Sechzigerjahre keinen Job als Wissenschaftlerin und heuert stattdessen bei einer Kochshow an. Mit dem Resultat, dass sie, gewieft und unbeirrbar, die Hausfrauen der Nation am Bräter emanzipiert. Originell, komisch und schlicht wundervoll. Der einzige Nachteil an diesem Buch ist, dass es noch keine Fortsetzung davon gibt.


„Die Dinge“ , von Annabelle Hirsch
Annabelle Hirsch erzählt die Geschichte der Frauen in 100 Objekten. „Selbst heute, wo inspirierende Frauenfiguren und Frauengeschichten aus dem Sumpf des Vergessenen gezogen werden, klingt es manchmal so, als seien handelnde, denkende, kämpfende, erzählende, sich und ihren Platz in der Welt austarierende Frauen irgendwie neu“, schreibt Hirsch in
„Die Dinge“ (Kein & Aber, Hardcover, 32 Euro). „Nichts davon stimmt. Nichts davon hat je gestimmt. Frauen waren immer da und haben immer etwas beigetragen. […] Diese Gegenstände verweisen nicht auf die trommelnde große Geschichte, zumindest nicht immer, sondern mehr auf Details, Anekdoten, Dinge, die erst in der Dauer, durch Beharrlichkeit an Bedeutung gewannen.“ Die Autorin wirft den Blick weit zurück, bis zu einem verheilten Oberschenkelknochen von circa 30.000 vor Christus, und erzählt, Objekt für Objekt, in kurzen, aber dichten Kapiteln von Nonnenkronen und gläsernen Dildos, den Tiny Books der Brontë-Schwestern und einer Postkarte aus dem Ersten Weltkrieg, Greta Garbos Kugelschreiber und Kim Kardashians Diamantring, der Antibabypille und der Menstruationstasse. Ein überraschendes und lehrreiches Buch zum Immer-wieder-darin-Blättern und -Nachschlagen.


„Kreiseziehen“ , von Maggie Shipstead
Falls das Drehbuch nicht längst in Arbeit ist, würde mich das sehr wundern.
„Kreiseziehen“ (dtv, Hardcover, 28 Euro) ist so episch, dass es unbedingt verfilmt werden sollte. Die Geschichte beginnt in den Fünfzigerjahren mit der Pilotin Marian Graves, die bei ihrem Flug um die Welt aus der Antarktis die waghalsige letzte Etappe ihrer Reise antritt – und schwenkt um aufs Heute, wo sich Hollywood-Starlet Hadley Baxter darauf vorbereitet, Graves zu spielen, um damit hoffentlich ihre Karriere zu retten. Shipstead hat damit gleich zwei weibliche Figuren erschaffen, die einmalig sind, und sie erzählt, in cleveren Zeitsprüngen und mit brillanter Beobachtungsgabe, was es zu jeder Zeit bedeutet, sich als Frau zu behaupten. Bleibt nur die Frage, welche Schauspielerinnen die Heldinnen spielen sollten …
„Slouching towards Bethlehem“ , von Joan Didion
Als vor kurzem der Nachlass von Joan Didion versteigert wurde, erzielten die meisten der Stück das Vielfache des Schätzwerts. Eine Sonnenbrille von Céline ging für 27.000 US-Dollar weg, ihr Schreibtisch für 60.000 Dollar, sechs silberne Kerzenständer für 8.000 Dollar. Der gesamte Erlös wurde u.a. der Erforschung von Parkinson gespendet – Didion war im Dezember 2021 an den Komplikationen der Krankheit im Alter von 87 Jahren gestorben –, doch es wird wohl nicht rein an der Wohltätigkeit der Käufer*innen gelegen haben, dass selbst leere (!) Notizbücher für 11.000 Dollar verkauft wurden, sondern an Didions singulärem Status in der Literatur. Sie wurde als Schriftstellerin verehrt wie ein Popstar. Ihren Idol-Status erschrieb sich Didion, die für „Das Jahr magischen Denkens“ wahrscheinlich am bekanntesten ist, in den Sechzigerjahren mit ihren Reportagen und Essays über die amerikanische Gesellschaft. Die sind in ihren Thematiken zwar spezifisch für eine andere Ära, in ihrer spartanischen Eleganz aber unvergänglich. Ullstein hat neben
„Slouching towards Bethlehem“ (Ullstein, Hardcover, 22,99 Euro) auch „Das weiße Album“ mit den Originalcovern neu aufgelegt.


„Nordstadt“ , von Annika Büsing
Im Sommer wurde mir dieses Buch in derselben Woche gleich dreimal empfohlen. Im Buchladen war es dann allerdings erst mal vergriffen, was mich noch mal gespannter auf
„Nordstadt“ (Steidl, Hardcover, 22 Euro) machte. Ich ahnte aus den Erzählungen meiner Bekannten, dass es keine „leichte“ Sommerlektüre werden würde, auch wenn das Cover danach aussieht. „Nordstadt“ handelt von Menschen, die scheinbar vom Glück verlassen wurden: Bademeisterin Nene, die in ihrer Kindheit und als junge Frau misshandelt wurde, und Boris, ein von Kinderlähmung Betroffener, der systematisch benachteiligt wird und der in Nenes Schwimmbad kommt. Können die beiden sich gegenseitig aus dem Strudel ihrer Leben ziehen? Knapp 120 Seiten lang ist der Debütroman von Annika Büsing und ich bin ab der ersten Seite in der Erzählung abgetaucht, die mich mitgerissen und lange nicht losgelassen hat.
Und hier noch drei Shortcuts:
„Wie kommt’s Dass du die schönen Seiten an dir übersiehst Schau dich Doch mal selbst so an Wie jemand der dich liebt“ ist eines der Gedichte, die Max Richard Leßmann auf Instagram teilt. Seine poetischen Zeilen gibt es nun auch gesammelt als Buch:
„Liebe in Zeiten der Follower“ (Kiwi, Hardcover, 14 Euro) // Um mehr über die Lage im Iran zu verstehen, ist
„Zwischen den Welten – Von Macht und Ohnmacht im Iran“ (Aufbau, Hardcover, 22 Euro) von Natalie Amiri, ARD-Korrespondentin und Weltspiegel-Moderatorin, ein sehr guter Anfang // Drinsteckt, was draufsteht:
„Chillig mit Baby“ (Kiwi, Taschenbuch, 12 Euro) sind Julia Knörnschilds entspannte und ehrliche Betrachtungen von Schwanger- und Mutterschaft.
Und von welchen Autor*innen und Protagonist*innen lasst ihr euch für das neue Jahr inspirieren?
Eure