Was denkt man sich nur dabei, mitten in der Coronakrise, in der kein Mensch irgendwohin reisen konnte und es auch immer noch nicht besonders leicht kann, ein Buch mit Reisegeschichten zu machen? Das ist eine Frage, die ich gleich zu Anfang von „Glück ist kein Ort“ hatte, dem Buch von Juan Moreno. Ich habe mir vorgenommen, sie dem Autor zu stellen – beim Liveabend, den wir in diesem Monat wieder im Buchclub veranstalten. Bis es am 25. November so weit ist, kann ich nur spekulieren.
Meine Vermutung: Man denkt sich, eine Zeit, in der die Welt gleichzeitig geschrumpft ist und einem dabei immer unerklärlicher vorkommt, ist der ideale Moment für ein Buch, in dem einer in die Welt rausgeht.
Das ist nicht nur, kurz gesagt, der Inhalt von „Glück ist kein Ort“. Es ist Juan Morenos Beruf. Der Reporter hat lange für die Süddeutsche Zeitung geschrieben, wechselte dann zum Spiegel, für den er vor allem aus dem Ausland berichtet und wo er einen der größten Medienskandale hierzulande aufdeckte: den Fall Claas Relotius. Darüber schrieb Moreno den Bestseller „Tausend Zeilen Lüge“, der 2019 erschien. Im selben Jahr wurde er als Journalist des Jahres ausgezeichnet. Zuletzt hat er den Spiegel Daily Podcast mit Co-Moderatorin Yasemin Yüksel geleitet.
In „Glück ist kein Ort“ versammelt er nun Reportagen und Geschichten aus den letzten zwei Jahrzehnten, darunter auch zwei bislang unveröffentlichte. Obwohl einige dieser Texte durch zurückliegende Ereignisse zeitlich verortet sind, liest sich das Buch aktuell. Denn der Autor interessiert sich für die Menschen hinter den Nachrichten.

Und er schaut sich dort um, wo er sich nicht auskennt. Beispielsweise im sibirischen Oimjakon, einem der kältesten Orte auf dem Planeten. Oder bei den Seenomaden vor der Küste Sulawesis im Pazifischen Ozean. Oder am Darién Gap zwischen Panama und Kolumbien, der weltweit gefährlichsten Flüchtlingsroute, über die es auf Wikipedia recht nüchtern heißt: „Die Durchkreuzung des Gebiets ist nicht zu empfehlen“. Dafür ist eine gewisse Abenteuerlust nötig, aber hier geht es nicht um Mutproben, sondern darum, neue und andere Perspektiven zu finden. Die sucht Moreno auch auf dem Jakobsweg, am Kottbusser Tor in seiner Wahlheimat Berlin und in Südspanien, wo er zur Welt kam.
„Beim Lesen habe ich oft gedacht: Interessant, wusste ich nicht, kann man also auch so sehen.“ -
In einer Zeit, in der man von lauter Erklärer*innen umgeben ist, die drauflostwittern, instagrammen und facebooken, bevor sie etwas kapiert haben, ist es extrem angenehm, jemanden dabei zu begleiten, der sich Zeit nimmt, unsere komplizierte Welt zu verstehen.
Lustig ist es auch. Ich habe „Glück ist kein Ort“ vor allem in der Straßenbahn gelesen, genauer: auf acht Stationen zwischen Friedrichshain und Prenzlauer Berg, meiner alltäglichen Fahrt zur Schule meines Sohnes. Manchmal habe ich überlegt, statt direkt zurück ins Homeoffice zu fahren, einfach noch eine Weile in der Tram sitzen zu bleiben, um weiterzulesen. Aber dann hätten sich vielleicht noch mehr Mitfahrer*innen über die Frau gewundert, die im öffentlichen Nahverkehr Tränen lacht, weil Moreno gerade beschreibt, wie er in Nepal einmal ein „Surprise Menu“ bestellt oder wie er anhand russischer YouTube-Videos versucht, sein Haus am See in Brandenburg zu renovieren. Auch etwas, das ich dank dieses Buches lernen durfte: Es ist so gut wie unmöglich, sich zwischen Maske und Brille elegant die Tränen aus den Augen zu wischen.

Ich freue mich wirklich besonders, dass wir Juan Moreno am 25. November 2021 um 20 Uhr live treffen – ohne Maske und auf Zoom.
Seid ihr dabei? Juan Moreno wird erst etwas aus dem Buch vorlesen, dann interviewe ich ihn und anschließend gebe ich die Bühne frei für eure Fragen.
Und so könnt ihr vorab eins der 100 Freiexemplare gewinnen: Trage bis zum 7. November 2021
hier deine Kontaktdaten ein. Der Verlag lost dann die Gewinner*innen aus und lässt ihnen per Post ein Exemplar zukommen. Viel Glück!
Porträt von Juan Moreno: Mirco Taliercio