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Vor nicht allzu langer Zeit habe ich, wie viele andere auch, meine Altersvorsorge optimiert und einen monatlichen Sparplan begonnen. Ich war vollkommen euphorisch, dass ich so ein schlauer Fuchs bin und ab jetzt mein Geld für mich an der Börse arbeiten lasse. Anfangs checkte ich täglich meine Depots und analysierte per App meine monatlichen Ausgaben. Irgendwann ließ ich die Zügel wieder schleifen, weil ich dachte: läuft doch.
Dann begann die Krise. Obwohl ich meinen
Frieden mit dem Thema Geld gemacht hatte, sah ich mir selbst dabei zu, wie ich angesichts einer Weltuntergangsstimmung in alte Muster zurückfiel. Nach dem Krypto-Crash fing ich wieder mit Lottospielen an. Zuletzt waren 120 Millionen Euro im Jackpot und ganz ehrlich: Wer könnte die nicht gut gebrauchen? Krypto-Millionärin würde ich in meinem Leben nicht mehr werden, also bestellte ich online einen Tippschein. Die Lottogesellschaft wies mich freundlicherweise darauf hin, dass ich bereits 40 Euro verzockt hatte und Glücksspiel süchtig machen kann. Die 120 Millionen gingen nach Berlin.
Als dann eine fünfstellige Gas-Nachzahlung ins Haus flatterte und ich nicht genug Geld hatte, um sie bezahlen zu können, wusste ich, dass ich wieder in einem Finanzschlamassel steckte. Um das zu erkennen, brauchte ich keinen Honorarberater. Ich setzte mich in Ruhe an meinen Schreibtisch, druckte mir altmodisch meine Kontoauszüge aus und zog Bilanz:
- Wo stehe ich gerade?
- Was mache ich richtig?
- Was kann ich besser machen?
Der Fehler war schnell gefunden. Dieses Mal ging es nicht wie zu Beginn meiner Finanzkarriere um falsche Glaubenssätze, sondern um mein Verhalten. Ich bin nämlich ein HENRY. Die Abkürzung steht für: „high earner, not rich yet.“ Also jemand, der gut verdient, aber nicht reich ist. HENRYs haben nur Kohle, solange sie viel arbeiten. Spätestens im Ruhestand werden sie arm sein – oder früher, wenn sie ihren Job verlieren oder krank werden.
Flori und ich sind eine typische HENRY-Konstellation: ein Paar, beide Workaholics, ein Kind. Uns geht’s gut, wir haben alles, was wir brauchen. Unser momentaner Einkommensreichtum ist ABER eben kein Vermögensreichtum. Wenn wir nicht gut vorsorgen, wird unsere Rentenlücke umso größer ausfallen. Auch in Krisenzeiten wird es schwer, unseren Lebensstandard zu halten. Das merken wir jetzt.
Denn viele Menschen erleben mit den steigenden Gehältern das, was man eine „Lifestyle-Inflation“ nennt: Wer mehr verdient, gibt tendenziell mehr aus. Das ist erst mal nichts Schlimmes: Ich habe nicht nur mehr Geld als mit Mitte 30, sondern auch höhere Ansprüche, was Wohnen, Kleidung oder Essen betrifft. Tatsächlich werden 40 Prozent aller Ausgaben im Luxuskonsumbereich von HENRYS getätigt, wobei es sich bei den Kund*innen zu 80 Prozent um Frauen handelt. Ich bin die Traumkundin einer jeden Marketingabteilung und lasse mich gerne zum Kauf schöner und guter Sachen verführen: Möbel fürs Haus, Klamotten für das Kind, cleane Kosmetik, nachhaltige Yogamatten oder geröstete Nüsse aus dem Piemont für mich. Ich buche instagramtaugliche Restaurants, Hotelzimmer und Flüge für ein ganzes Jahr im Voraus, weil ich das Gefühl der Vorfreude so liebe. Neulich fragte mich eine Freundin: „Sag mal, ist dir aufgefallen, dass du mir nur noch Hotelzimmer ab 350 Euro die Nacht empfiehlst?“ Ich zuckte mit den Schultern, aber dann dämmerte es mir:
Trotz wirtschaftlichen Abschwungs verhielt ich mich weiterhin wie 50 Cent, wenn er in einen Club kommt und es Geld regnen lässt.
Damit bin ich nicht allein: Ein Report des Statistischen Bundesamts ergab, dass wir im Alter zwischen 45 und 53 am verschwenderischsten sind. Darunter fällt der „Diderot-Effekt“, ein psychologischer Kaufzwang, der durch das Verbessern einer bestimmten Einzelheit eine neue Unzufriedenheit herbeiführt. Wenn ich also ein neues Sofa kaufe, will ich kurze Zeit später den alten Teppich ersetzen, weil er nicht mehr so gut passt. Und so kommt es auch, dass ich ein Hotel nicht als „teuer“ empfinde, wenn es einem gewissen Stil entspricht – schließlich haben wir zuhause viele Designklassiker und im Urlaub will ich es nicht weniger schön haben.
Ich ging meine Ausgaben der letzten Monate durch und stolperte über Blumendeko, eine große Menge an Reisekosten und ein Handtaschen-Abo, bei dem man jeden Monat eine neue Designertasche nach Hause geschickt bekommt. Am Ende des Jahres hatte ich 1.000 Euro für nichts verballert; ich hatte noch nicht mal eine Tasche im Schrank. Und dann gibt es noch diese Bezahl-Apps, mit denen man auf Rechnung bestellen oder erst 30 Tage später bezahlen kann. Die tauchten in meinen Kontoauszügen oft auf. Und zwar so oft, dass mich meine Buchhalterin darauf ansprach, was ich denn da dauernd auf Pump kaufen würde.
Ich lachte und schämte mich gleichzeitig, denn die Wahrheit war: Mit jeder aufgeschobenen Onlinezahlung verlor ich den Überblick über meine Ausgaben.
Wer immer noch zweifelt, ob es der richtige Schritt ist, in den Kapitalmarkt zu investieren, dem empfehle ich einen aktuellen Blick in meinen Kleiderschrank. Da hängen dank dieser Bezahl-Apps etliche Klamotten, deren Preis ich lieber in meinen Depots angelegt hätte. Aber da Shopping nach wie vor mit dem weiblichen Belohnungssystem verknüpft wird, werden solche Fehlkäufe als niedliches Missgeschick behandelt. Dabei ist es zum Heulen.
„Lächelt Ihr Geld – oder weint es?“, fragt auch der Autor Ken Honda in seinem Ratgeber „Happy Money – Der entspannte Weg zu Wohlstand und Glück“. Für ihn ist Geld nicht nur ein Zahlungsmittel, sondern auch eine Form von Energie. Je nachdem, was wir für unser Geld tun müssen oder wofür wir es ausgeben, hat es positive oder negative Energie. Also etwa ein Honorar, das wir für einen Job bekommen, der uns genervt hat: negative Energie. Teure Mieten, Rechnungen für Strom oder Gas, Strafzettel, unvorhergesehene Reparaturen: All dieses Geld hat ebenfalls eine schlechte Kraft, weil wir uns ärgern, dass wir es zahlen müssen. Die Rechnung für ein gemeinsames Essen mit Freund*innen oder eine Spende an bedürftige Menschen hat dagegen eine positive Energie, weil dieses Geld Liebe und Zuwendung symbolisiert. Hondas Tipp: Monopoly spielen, weil es verrät, welche Gefühle selbst Spielgeld in uns weckt. Wie fühlen wir uns, wenn wir Eigentum besitzen? Setzen wir auf Nummer sicher oder sind wir risikofreudig? Wie geht es uns, wenn wir Strafen zahlen müssen oder bankrottgehen? Honda hat beobachtet, dass die Spieler*innen, die locker und selbstbewusst bleiben, am meisten Spaß haben. Dabei geht es seiner Meinung nach nicht darum, wer am Ende des Spiels am meisten Geld oder Eigentum besitzt – sondern am meisten Freude am Geben und Nehmen hatte.

Angesichts einer Ratenzahlung für ein Designerkleid, das ich bislang einmal anhatte, kullerten bei meinem Geld dicke Tränen. Denn plötzlich hatte ich nicht nur Fehlkäufe im Schrank, sondern obendrauf Konsumschulden. Solche Schulden sind im Gegensatz zu Immobilienkrediten oder der Investition für eine Weiterbildung fatal, weil sie mich abhängig machen. Mein HENRY-Lifestyle setzt voraus, dass meine Einnahmen niemals abflauen. Was ist, wenn es nächsten Monat nicht mehr so gut läuft wie jetzt? An dem Punkt war ich oft – und trotz meiner ganzen Finanzbildung schon wieder? Och nö!
Ich war wütend, traurig und von mir selbst enttäuscht.
Zu der gleichen Zeit brachte die Finanzkolumnistin Margarethe Honisch ihr neues Buch „So wirst du finanziell frei“ auf den Markt, in dem sie erfolgreichen Frauen ihre Geldstrategien entlockt. Angesichts des Titels konnte ich nur müde lachen, denn von finanzieller Freiheit bin ich – trotz meines zurzeit guten Einkommens – weit entfernt.
Zudem knabberte die Krise weiter an meinen Depots. Ich wurde unsicher und checkte meine Konten mehrmals am Tag. Sollte ich meine Sparpläne reduzieren oder die Konten sogar wieder auflösen, um nicht noch mehr Minus zu machen? Ich wollte mein Geld doch vermehren, nicht verlieren! Es war also nicht nur wichtig, mir einen aktuellen Überblick zu verschaffen oder meinen Lebensstandard zu hinterfragen, sondern auch auf ein Money-Mindset für Krisenzeiten zurückgreifen zu können.
Kurzentschlossen meldete ich mich bei dem „Fortunalista Bootcamp“ an. Die sieben Wochen fühlten sich wie Nachsitzen in der Schule an, nur mit dem Unterschied, dass ich es nicht wie eine Strafe empfand, sondern als weitere Investition in meine Finanzkompetenz. Was
ETFs sind, habe ich verstanden und auch, dass meine Anlagestrategie langfristig funktioniert. Was ich aus diesem Training mitgenommen habe, ist aber noch viel wichtiger:
Die Erkenntnis meiner Selbstwirksamkeit.
Jetzt wird’s spannend: Das psychologische Prinzip der Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung, auch schwierige oder herausfordernde Situationen aus eigener Kraft gut meistern zu können. Das gelingt, indem man sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst wird und immer wieder bereit ist, sich Wissen anzueignen oder neue Dinge auszuprobieren.
Studien zeigen, dass Frauen mit einer höheren finanziellen Selbstwirksamkeit, und somit einem größeren Selbstvertrauen in ihre finanziellen Managementfähigkeiten, mit größerer Wahrscheinlichkeit Anlage- und Sparprodukte und mit geringerer Wahrscheinlichkeit schuldbezogene Produkte besitzen.
Auch für den japanischen Geldguru Ken Honda gibt es nur zwei Möglichkeiten, mit Geld umzugehen: Entweder man nutzt sein Geld oder man lässt sich von seinem Geld benutzen. Der Groschen fiel bei mir pfennigweise, aber er fiel: Der schlaue Umgang mit Geld ist also kein Talent. Man kann es lernen. Sogar ich. „Niemandem wird dein Geld so wichtig sein wie dir selbst“, sagt Margarethe Honisch. Ich löste mich aus der Opferrolle, dass die bösen Bezahl-Apps schuld an meinen Schulden sind und nicht ich. Selbst in Krisenzeiten habe ich Einfluss und Kontrolle über meinen Kontostand, wenn ich lerne, meine individuelle Finanzroutine regelmäßig anzupassen. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit und dem Vertrauen in die eigene Finanzkompetenz lässt sich etwa so steigern, indem man sogenannte Nahziele umsetzt, also Ziele, die realistisch und in naher Zukunft erreichbar sind. Für mich bedeutet das: die Ratenzahlung abstottern und kein Lotto spielen, stattdessen den
Notgroschen wieder aufbauen. Ich wusste: Das schaffe ich!
Zugegeben: Ich werde in meinem Leben niemals eine Frugalistin sein, die immer nur bescheiden und sparsam lebt. Trotzdem sind es nicht meine Fehler, die mich definieren – sondern wie ich darauf reagiere. Wenn Trainer*innen die Leistungen von Profi-Sportler*innen analysieren, achten sie nicht nur auf die Schwachpunkte, sondern auch auf das, was richtig gut läuft, und knüpfen daran an. Finanzexpert*innen wie Margarethe Honisch appellieren ebenfalls an ein „Growth-Mindset“, das sich niemals mit der Schuldfrage beschäftigt, sondern nur an der Lösung des Problems interessiert ist. „Fehler passieren, und aus Fehlern lernt man. Wichtig dabei: schnell den Reset-Knopf drücken, reflektieren, was man daraus lernt, und dann weitergehen und Neues machen“, sagt auch die Gründerin, Autorin, einst Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin Fränzi Kühne in „So wirst du finanziell frei“.
Für mich das beste Mindset für Krisen, egal welche.
Wie geht das neue Jahr für mich los? Ich checke morgens nicht mehr als Erstes meine Depots oder die Krypto-Börse, sondern mache jeden Tag Yoga, weil es mir Halt gibt. Nebenbei sorge ich dafür, dass ich wie geplant meine Schulden abbaue und keine neuen Ratenzahlungen vereinbare. Das Handtaschen-Abo habe ich übrigens schon lange gekündigt. Stattdessen habe ich meine erste Aktie von
LVMH gekauft. Jetzt gehört mir nicht nur eine Handtasche – sondern ein Teil des Unternehmens. Und mein Geld? Das lacht.