Bevor es mit der Verhütungsgeschichte los geht, die ihr euch von uns gewünscht habt, nur kurz: Hallo! Ich bin Catharina und schreibe hier jetzt öfter mal Texte. Ich bin gelernte Journalistin, 35, verheiratet, Mama einer Tochter und lebe in Hamburg. Das schon mal zu mir, damit ihr wisst, wer hier neuerdings für euch schreibt. Wir lernen uns bald bestimmt noch besser kennen. Los geht`s mit meiner ersten Geschichte:
Früher war die Frage nach der Verhütung meist einfacher. Mit 17 nahmen fast alle Mädchen die Pille, wer sich doppelt absichern und vor Geschlechtskrankheiten und AIDS schützen wollte, griff außerdem zum Kondom. Mit Mitte, Ende 20 setzte dann, erst recht wenn in fester Beziehung, bei einigen ein Umdenken um: Weiter Hormone nehmen? Geht das nicht anders? Die gleichen Gedanken kommen auch nach dem Kinder kriegen: Kein Bock mehr auf Hormone. Oft ausgelöst durch das Bedürfnis nach mehr Natürlichkeit und mehr Nachdenken über die eigene Gesundheit. Nur: Wie bekommt man das hin? Funktioniert das überhaupt: Verhüten ohne Hormone? Und was, wenn einem die Hormone auch Gutes tun? Wie Menstruationsschmerzen mildern? Und überhaupt - kann der Mann sich nicht einfach sterilisieren lassen?
Dr. Dorothee Struck ist Expertin für hormonfreie Verhütung, gibt Webinare als Doc Dodo zu dem Thema, hält Vorträge und hat bereits zwei Bücher dazu geschrieben. Ihr neustes
Natürlich verhüten (*Affiliate Link) erscheint am 5.2.19. Die 50-jährige Frauenärztin hat in der Geburtshilfe rund 1500 Geburten begleitet und wendet in ihrer Kieler Praxis auch alternative Verfahren an. Von ihr wollten wir wissen: Wie verhüten Paare am besten nach dem Kinder kriegen - und auch: Wie lange noch? (Kleiner Spoiler: Bis 53 Jahre bekommen Frauen teils noch natürlich gezeugte Babys!)
Frau. Dr. Struck, wenn Frauen mit circa 40 mit dem Kinderwunsch durch sind, wollen viele nicht mehr hormonell verhüten.
Was auch Sinn macht, denn das Thromboserisiko durch die Pille nimmt mit den Jahren zu.
Warum ist das so?
Die Pille alleine ist ja nur ein Risikofaktor. Aber dann kommen da noch drei hinzu, abgesehen von familiären Faktoren: Bei zweien können Sie was machen, das sind das Rauchen und Übergewicht und ja, ich weiß, letzteres ist nicht einfach, ich bin auch nicht das Modell Elfe. Wo man nix gegen machen kann, ist das Älter werden. Unsere Blutgefäße werden im Laufe des Lebens steifer und enger. Das Problem bei der Pille ist vor allem das erste halbe Jahr: der Körper braucht immer sechs Monate, um sich an eine regelmäßige Hormongabe zu gewöhnen. In der Zeit sind das Risiko für Thrombosen und Embolien deutlich erhöht. Wenn eine Frau mit 30 zum Beispiel zwei Kinder hat und sagt: Ich verhüte jetzt mit einer niedrig dosierten Pille, kann sie das nach heutigem Kenntnisstand bis 50 tun, wenn sie keine Pillenpausen macht. Aber sie sollte nicht nach dem 40. Geburtstag neu mit der Pille anfangen.
Welche Optionen gibt es dann?
Wenn die Frau gerne mit Hormonen verhüten möchte, gibt es immer noch die östrogenfreien Verhütungsmittel, die haben ein deutlich geringeres Thromboserisiko. Dazu gehört auch die „Stillpille“, die Hormonspiralen und das Implantat, das in Deutschland aber nicht sehr verbreitet ist - wobei die natürlich auch ein Potenzial für Nebenwirkungen haben. Auf die Hormonspirale reagieren 5-10% der Frauen überempfindlich, teilweise mit Panikattacken, Depressionen, Bauch- und Rückenschmerzen.
„Es gibt aber auch Frauen, für die Hormone hilfreiche Medikamente sind.“ -
Die Hormonspirale mindert zum Beispiel die Blutungsmenge bei der Menstruation. Wenn also jemand unter starken Blutungen und Eisenmangel leidet, kann sich die Hormonspirale sehr positiv auswirken und sogar helfen, unnötige Gebärmutterentfernungen zu vermeiden.
Mal angenommen, die Verhütung soll hormonfrei sein. Welche Möglichkeiten bieten sich da an?
Ohne Hormone stehen uns Barrieremethoden wie Kondom und Diaphragma zur Verfügung. Aber wenn eine Frau über 40 zu mir kommt, ist meine erste Frage: Hat ihr Mann schon mal über eine Vasektomie nachgedacht? Ich habe einige Jahre im britischen Gesundheitssystem gearbeitet und da sagten mir so viele Frauen: "Oh no, I don`t have to worry, hubby had the snip!" In Deutschland ist das eher ungebräuchlich, in angloamerikanischen Ländern ist das stärker verbreitet. Da sagen die Männer: Ich habe die Kinder, die ich wollte und finanzieren kann, meine Frau hat die Geburten durchgemacht, jetzt bin ich dran.
Also ein etwas ausgeglicheneres Verhältnis. In Deutschland haben viele Männer Angst, dass ihr Sexualtrieb einschläft.
Was nicht stimmt! Das Problem ist aber: Wenn man einen Mann zu einer Sterilisation überredet, der das eigentlich nicht so recht will, wird er alle sexuellen Probleme, die er später hat, der Sterilisation anlasten. Die männliche Vasektomie ist viel einfacher, als bei der Frau: keine Vollnarkose, kein Öffnen der Bauchhöhle. Aber es ist für viele Männer eine Kopfsache. Der Eingriff macht nichts mit dem Hormonspiegel und nichts an der Libido - geschlossen wird nur der Samenleiter. Dadurch ändert sich weder der Testosteronspiegel noch die Menge des Samenergusses. Die Spermien sind ja der geringste Teil im Ejakulat.
Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass die Frau sich sterilisieren lässt.
Ja, auch das ist auch ein Routineeingriff. Aber unter stärkeren Risiken wegen der Vollnarkose und dem Öffnen der Bauchhöhle, als beim Mann. Und heutzutage sind längerfristige Folgen kaum noch ein Problem. In den Neunzigern hatten Frauen häufig nach der Sterilisation mit stärkerem PMS zu kämpfen. Das liegt daran, dass 30% der Blutversorgung der Eierstöcke von der Gebärmutter kommen, ein Blutgefäß läuft an den Eileitern entlang, und bei den alten Operationstechniken wurde gelegentlich das Blutgefäß mit vernäht und verschlossen. Dann bekamen die Eierstöcke teilweise nicht genug Futter, da die Durchblutung vermindert war. Jedenfalls war das immer die Theorie von Professor Semm, in Kiel, der die schonendere Schlüssellochchirurgie in der Gynäkologie stark vorangetrieben hat. Mit den moderneren Operations-Methoden, bei denen der Eileiter ganz gezielt verödet wird und nicht mehr Teile herausgeschnitten werden, habe ich seit Jahren keine Patientinnen mehr gesehen, die nach einer Sterilisation beklagte, seit dem Eingriff ein fieses PMS mit aggressiven Stimmungsschwankungen zu haben.
Aber es ist eine wirksame und sichere Methode zur Verhütung.
Absolut. Wenn der Eingriff bei der Frau in der ersten Zyklushälfte erfolgt, ist er sofort wirksam. Beim Mann muss nachkontrolliert werden. Zunächst nach drei Monaten, und wenn da noch Spermien gefunden werden, dann nochmal nach drei Monaten. Es gibt eine sehr schöne Geschichte von dem jungen Pastor aus einer Nachbargemeinde. Er und seine Frau hatten zwei Söhne, schwere Geburten, und waren mit der Kinderplanung durch. Und er erzählte jedem, dass er nun eine Sterilisation vornehmen würde, hat er auch. Er war aber nicht zur Nachuntersuchung beim Urologen. Und nun gibt es noch ein kleines Mädchen. Das ganze Dorf hat gelacht! Und jeder im Ort weiß:
„Der Mann darf nicht die Nachuntersuchung schwänzen.“ -
Aber nochmal zurück zur Libido. Damit macht die Sterilisation beim Mann nix?
Nein, das ist Kopfsache. Einige Männer können auch nicht damit umgehen, dass sie nicht mehr zeugungsfähig sind. Eine Bekannte von mir hat sich nach dem vierten Kind sterilisieren lassen, nachdem der Mann nach dem zweiten und nach dritten Kind es immer wieder vor sich hergeschoben hat. Jetzt ist sie heilfroh, dass sie ihn nie gedrängt hat. So kann er seine Erektionsprobleme mit 50 nicht auf sie schieben. Viele Männer denken plötzlich: Ich bin kein ganzer Kerl mehr.
Wenn für beide keine Sterilisation in Frage kommt: Ist dann die symptothermale Methode, also das morgendliche Messen der Temperatur und das tägliche Kontrollieren des Zervixschleim, eine Möglichkeit?
Ja, absolut. Korrekt angewendet ist die symptothermale Methode hochsicher! Man hat sogar die gleiche Methodensicherheit wie der der Pille. Ich finde NFP (Anmerk: Natürliche Familienplanung) super. Dadurch, dass man morgens die Temperatur messen und zusätzlich den Zervixschleim beobachten muss, lernen Frauen sehr viel über ihren Körper. Auch wenn Frauen versuchen schwanger zu werden, helfen die Kurven mir, zu erkennen, wo das Problem liegen könnte. Ich finde, das sollte jede Frau mal ein paar Jahre gemacht haben. Das Problem ist allerdings: Richtung Wechseljahre setzt bei einigen Frauen dann so ein Schlendrian ein, nach dem Motto: Ich kenne meinen Körper und muss nicht mehr regelmäßig messen. Und das kann in dem Moment unsicher werden, wenn der Zyklus nicht mehr regelmäßig ist. In den Fällen rate ich dann zum Diaphragma. Oder: Mal du Gummi, mal ich Gummi.
Und für die, für die nichts davon in Frage kommt?
Dann gibt es immer noch die Kupferspirale. Wenn die gut angepasst ist, merkt man nichts davon und der Zyklus ist auch noch der eigene, ohne Beeinflussung durch Hormone. Viele Probleme, die Kupferspiralen angelastet werden, wie stärkere Menstruationsschmerzen liegen daran, dass das Modell nicht zur Gebärmutter passt.
Können einige dieser Verhütungsmethoden denn auch gegen PMS und Menstruationsschmerzen helfen?
Zunächst mal muss man unterscheiden zwischen PMS, dem Prämenstruellen Syndrom, dass VOR der Regelblutung einsetzt und den Menstruationsbeschwerden, die mit der Blutung zusammenhängen, wie Unterleibsschmerzen und Krämpfe. Mit hormoneller Verhütung können oft beide Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden.
Die Verhütung, die den natürlichen Zyklus nicht beeinflusst, hat aber keine Auswirkung auf Beschwerden. Aber es gibt eine Reihe von Naturheilmitteln, die je nach Symptom, helfen können. Hier muss man aber genau gucken, was das Problem ist - hört die Frau vor der Menstruation das Gras wachsen, ist überempfindlich oder hat sie Brustspannen? Es gibt keine Patentempfehlung, die zu allen passt. Bei Menstruationskrämpfen helfen oft homöopathische Komplexpräparate wie DHU Magnesium Phosphoricum Pentarkan oder Spascupreel. Die kann man sehr gut zur Selbstbehandlung ausprobieren.
Wie lange sollte man denn generell noch verhüten? Ist das Thema mit den Wechseljahren nicht langsam mal durch?
Bis ein Jahr nach der letzten Regelblutung gelten Frauen als potenziell fruchtbar, denn so lange können noch Eisprünge auftreten. Die ältesten ohne hormonelle Unterstützung entstandenen Schwangerschaften waren alle bei Frauen im Alter von 53 Jahren. Wenn Sie ohne Hormone verhüten, wissen Sie ja, wann die letzte Menstruation war; wer mit der Hormonspirale verhütet, hat oft keine Blutung mehr, dann sollte eine Frau bis ca. 54 Jahre verhüten. Eine Hormonspirale muss alle drei bis fünf Jahre ausgetauscht werden.
Vielen Dank für die tollen Tipps, Frau Dr. Struck.
Wie verhütet ihr denn eigentlich? Eure Erfahrungen würden uns sehr interessieren.
Habt es gut,
Catharina
Foto Aufmacher - Romi Yusardi