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Jetzt wird's spannend!
Gibt’s ein „Aidan und Carrie“-Comeback? Unsere Autorin ist dafür und gegen toxische Typen wie Mr. Big.
von Christine Korte - 20.04.2021
Diesen Text gibt es auch als Audio-Artikel. Zum Hören ans Ende des Artikels scrollen.
         
Als Anfang des Jahres Gerüchte bestätigt wurden, dass die Kultserie „Sex and the City“ unter dem Titel „And Just Like That ...“ einen Reboot bekommt, zählte ich ganz klar zu den Gegnern einer Fortsetzung. Ich hielt mich da an die Worte von Kim Cattrall, die als Samantha Jones Millionen von Frauen auf der ganzen Welt empowerte, sich im Bett selbstbewusst zu nehmen, was sie brauchen. Unter nicht unbeträchtlichem Medienrummel und als Reaktion auf angeblich unangemessenen Druck seitens Sarah Jessica Parker sprach sich die Schauspielerin 2019 in einem Interview mit der britischen Tageszeitung „The Guardian“ ganz klar gegen die Mitwirkung in einer Fortsetzung aus: „Ich bin mit der Rolle der Samantha Jones an meine Grenzen gegangen, weil ich ‚Sex and the City‘ geliebt habe. Es war in vieler Hinsicht ein Segen, aber nach dem zweiten Film hatte ich genug.“
Ich persönlich hatte ehrlich gesagt bereits nach dem ersten Film genug, der in keiner Weise an die HBO-Serie heranreichte, die vor allem durch ihre authentischen Protagonistinnen und ihre pointierten Dialoge bestach. Meine Lieblingsserie fütterte mich in den 2000ern mit einem passenden Zitat für jede Lebenslage und ich schrieb fröhlich Artikel darüber, was wir Frauen aus „Sex and the City“ für den Alltag gelernt haben.
Bisher war ich allerdings fest davon überzeugt, dass man die Serie nicht erfolgreich ins Jahr 2021 holen kann.

„Der Cast wirkt aus heutiger Sicht irgendwie überholt: zu weiß, zu privilegiert, zu dünn. “ -

Wie Relikte einer hyperkapitalistischen Gesellschaft, in der exzessiver Konsum als die Krönung der Selbstverwirklichung propagiert wurde. Ein Ja zum Feminismus, der ausschließlich patriarchale Strukturen für sich adaptierte, statt sie zu brechen und neu zu definieren. Auch Cattrall erklärte 2017, dass sie sich mehr Diversität für „Sex and the City“ gewünscht hätte, und machte damals den Vorschlag, man möge sie doch durch eine „afroamerikanische Samantha Jones oder eine hispanische Samantha Jones“ ersetzen.
Zugegeben – ich kann jetzt noch nicht sagen, inwieweit sich die Serie und die Charaktere entwickeln werden. Was für den Reboot spricht: Frauen in ihren 50ern haben in der Vergangenheit nur wenig Beachtung in Filmen und Serien bekommen. Wirklich überzeugt hat mich aber erst die jüngste Neuigkeit aus der Welt des leichten Entertainments. John Corbett aka Aidan Shaw kündigte in einem Interview mit „Page Six“ an, dass er wieder Teil des Casts sei, und antwortete auf die Frage, in wie vielen Folgen er denn mitspielen werde: „Ich denke, ich werde in einigen zu sehen sein.“

Ich repostete die News, die über „Everyoutfitonsatc“, einen meiner Lieblings-Accounts (kleine Randnotiz: Der macht einfach gute Laune), ins Netz geschossen wurde, in meiner Insta-Story mit den Worten: „Carrie ist hoffentlich endlich reif genug für Aidan! Ich bin schon längst aus Commitment-Phobikern wie Mr. Big herausgewachsen. #mrsmall.“ Die Reaktionen auf meine Story waren so zahlreich wie kaum auf eine andere meiner Posts. 100 Prozent, Beifall und Herzen flogen mir in Form von Emojis nur so entgegen.

Aber nicht alle stimmten mir zu. „Aidan nervt. Das Opfer!“ oder „Aidan ist langweilig!“ waren nur einige Kommentare der Anti-Aidan-Fraktion. Ich kannte diese Einstellung zu ihm nur zu gut. Denn ehrlich gesagt, fand ich Aidan in den 2000ern auch richtig langweilig und nervig. Ich zählte eindeutig zu den Fans von Mr. Big.
And I couldn’t help but wonder, inwieweit mich die Männerbilder aus der Serie „Sex and the City“ in meiner eigenen Partnerwahl beeinflusst haben. Denn genau wie Carrie verbrachte ich meine 30er damit, Männern wie Mr. Big hinterherzujagen.



Gemeint ist damit nicht der Typ mit dem fetten Bankkonto und einem Job an der Börse. Männer vom Schlag eines Mr. Bigs sind mir in den unterschiedlichsten Facetten begegnet. Ob der kreative Werber, der konservative Jurist oder der arme Künstler – was sie allesamt gemein hatten? Angst vor einer tiefen Beziehung und echter Nähe. Diese Männer erscheinen auf den ersten Blick aufregend. Nicht unbedingt weil sie wirklich aufregend sind, sondern weil sie sich nur schwer öffnen und jede Menge Raum für die eigenen Projektionen lassen. Dahinter steckt aber wenig Geheimnisvolles, sondern vielmehr die Angst, die eigenen Unzulänglichkeiten preiszugeben und damit zu riskieren, zurückgewiesen zu werden.

Was besonders tückisch an ihnen ist? Sie können sehr charmant sein, drehen gerne mal von null auf 100 auf und schmieden schon beim ersten Date die wildesten Pläne für die Zukunft mit dir, um sie in der nächsten Sekunde wieder zu verwerfen. Mit dieser Art der zweideutigen Kommunikation schaffen sie ein Abhängigkeitsverhältnis, das dich nicht selten verwirrt und verletzt zurücklässt. Kurz: Ihr ganzes Verhalten ist dominiert von toxischen Mustern, die einzig und allein unterdrückten Komplexen und Ängsten entspringen.

Doch statt solche Muster zu erkennen und zu entlarven, habe ich diese Männer ganz nach Carries Vorbild nur allzu oft romantisiert. Nach dem Motto: Ich werde mit meiner besonders lässigen und witzigen Art den einsamen Wolf überzeugen. Er braucht nur etwas Zeit und Verständnis, um sich einzulassen, und ich darf ihn auf keinen Fall unter Druck setzen.
Carrie hat Mr. Bigs Angst vor Nähe fast bis zur Schmerzgrenze ertragen. Meine Güte, der Mann hat sie vor dem Altar sitzen lassen und das war nur die Krönung seiner Eskapaden. Am Ende hat sie ihn doch geheiratet zu seinen Konditionen in ganz kleinem Kreis, ohne die große Hochzeitssause, von der sie immer geträumt hat.


Die Serie und die Filme suggerierten damit, dass Frauen, die ihre eigenen Bedürfnisse formulieren und ihre Grenzen abstecken, allein bleiben werden.



Und diejenigen, die sich anpassen und eine Beziehung über den eigenen Selbstwert stellen, werden mit dem vermeintlichen Traummann belohnt.

Heute ist mir längst klar: Leidet ein Mann unter Angst vor Nähe, wie Mr. Big, braucht er keine verständnisvolle Frau an seiner Seite, sondern eine Therapie. Denn gesteht er sich seine Ängste nicht ein, projiziert er die gerne mal auf seine Partnerin. Es ist egal, wie hinreißend, cool und witzig du bist – er wird deine Unzulänglichkeiten zum Anlass nehmen, eure Beziehung zu boykottieren, und wird, sobald du dich von ihm lösen willst, wieder auf der Matte stehen. Es ist ein aufreibendes Spiel aus Nähe und Distanz, das im TV für Spannung und gute Quote sorgt, im wahren Leben aber nur am eigenen Selbstbewusstsein zehrt und mit einem gebrochenen Herzen endet.

Der Psychiater Thomas Trobe gewährt in seinem Buch „Liebeskummer lohnt sich doch – Co-Abhängigkeit in Beziehungen und die Ängste des Inneren Kindes“ Einblicke in das Gefühlsleben des Beziehungsphobikers und teilt mit seinen Leser*innen seine ganz persönlichen Einsichten: „Zugang zu meinen eigenen Emotionen zu bekommen, war für mich immer schwierig. Noch schwieriger war es, anderen meine Gefühle mitzuteilen. Ich glaubte nicht daran, dass mich jemand wirklich sehen und lieben könnte, und war deshalb immer emotional auf der Hut.“

Männer wie Aidan sind hingegen klar in ihrer Kommunikation, da sie ihre eigenen Emotionen kennen und auch keine Angst davor haben, sie zu formulieren. Auch eine übersteigerte Angst vor Zurückweisung haben Beziehungsmenschen nicht. Sie haben genug Selbstbewusstsein, ihrer Partnerin Raum zu geben, und müssen auch keine Abhängigkeiten schaffen, um sie an sich zu binden. Sie wünschen sich eine Beziehung auf Augenhöhe ohne kindische Machtspielchen. Oft begegnen einem diese Männer leider nicht im Leben, befinden sie sich doch meistens in einer langfristigen Beziehung oder haben schon früh geheiratet und eine Familie gegründet.

Carrie bekommt im Reboot von „Sex and the City“ vielleicht noch einmal die Chance, mit Aidan glücklich zu werden. Ich bin jetzt Anfang 40 und habe meinen Aidan noch nicht gefunden. Aber heute bin ich mutig genug, diesen Typ Mann nicht mehr als Langweiler abzustempeln. Das hat weniger mit meinem Alter, sondern vielmehr mit der intensiven Auseinandersetzung mit den eigenen Beziehungsängsten und dem Erkennen des eigenen Selbstwerts zu tun.

Und was wird jetzt aus Mr. Big? Chris Noth sendete ganz im Stil seines Alter Egos Mr. Big zweideutige Signale ins Netz. Der schloss einen Auftritt im Reboot zunächst aus, um dann auf einen Instagram-Kommentar Folgendes zu antworten: „Alles kann sich ändern – auch solche alten Ankündigungen.“
Bei der Vorstellung, dass Mr. Big Carrie wieder durch einen Fensterspalt vom Rücksitz seiner Limousine hinterhergeiert, läuft es mir allerdings kalt den Rücken runter. And just like that wird Mr. Big zu Mr. Small.

Die Audiodatei gibt es hier als Download.

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