Mode & Beauty
Neue beste Freunde
Der Weg zu gutem Stil geht über fragwürdige Frisuren und Fehlkäufe. Auch bei Kolumnistin Marlene Sørensen.
von Marlene Sørensen - 01.09.2020
Ich hätte da einige Fragen.
Womit hatten meine Augenbrauen das verdient?
Bin ich mit einem Foto von Liam Gallagher zum Friseur gegangen und habe den gleichen Haarschnitt verlangt? Angesichts meines Vokuhilas muss es offenbar so gewesen sein. Und wann ja – warum?
Wie habe ich jahrelang den Geruch von Henna ertragen? Wen wollte ich mit einem Fake-Nasenring beeindrucken?

„Vor allem frage ich mich aber, warum ich so viele Jahre an mir gezweifelt habe.“ -

Ich hatte ein wenig Bammel, die Fotokiste zu öffnen, denn viel mehr als an meine unterschiedlichen Looks erinnere ich mich an ein gleichbleibendes Gefühl der Unzulänglichkeit. Ich war selten nicht enttäuscht davon, wie ich (auf Bildern) aussah. Wenn ich mir die Fotos jetzt anschaue, sehe ich jemanden, der dazugehören wollte und deshalb imitierte. Auf fast jedem Bild scheinen meine Vorlagen durch. Der Mikropony-Haarschnitt? Die Britpop-Jahre. Der Pelzpuschel? Sienna Miller und der damals allgegenwärtige Boho-Look. Der Blazer zur Jogginghose? Garance Doré.
Nur für das Henna gibt es keine plausible Erklärung. Oder vielleicht doch: Es war das erste Mal, das ich mich ausprobierte – von Weizenblond und lieb zu Knallrot und wild und gefährlich. Fand ich zumindest. Im Nachhinein fast imponierend, wie unerschrocken ich bei all meiner Unsicherheit ständig die Frisuren wechselte und Looks probierte. Möglicherweise mag ich mich heute deshalb auf all diesen Bildern – trotz der katastrophalen Haarfarben, fragwürdigen Brillen und ungünstigen Jeansschnitte. Denn mit jedem Experiment und jedem Trend, jedem Kropfhalsband und jeder Boob-Tube kam ich mir ein Stück näher.
Ich schaue auch heute noch, wie es die anderen tragen, bin nicht immun gegen Trends, oder gar gegen Fehlkäufe, und finde mich nicht jeden Tag topsensationell gekleidet. Aber ich habe nicht mehr die Erwartung, dass ein Hosenschnitt mich zu einer anderen Person machen wird. Ich bin mit 41 mehr denn je gerne die Frau, die ich bin (dass ich mir gelegentlich wünsche, ich hätte mich in meiner Haut so wohl gefühlt, als ich noch die Haut einer 21-Jährigen hatte, ist wohl vollkommen normal) – gerade weil ich mich erst zu ihr entwickeln musste.
Deshalb kommt mir die Ansicht absurd vor, dass Stil ein Haltbarkeitsdatum hat, ganz so, als würde man sich ab einem bestimmten Alter nicht mehr für Mode interessieren und stattdessen die weiße Flagge in Form von Fleecejacken und orthopädischen Sandalen hissen.
Der beste Beweis, dass es eben nicht so ist, sind die fünf Frauen, die ich euch hier vorstelle und die von ihrer eigenen Reise zu ihrem heutigen Stil erzählen: keine mehr 20, alle inspirierend, lässig, unerschrocken. Bei sich. Und alle (wie ich) auf Instagram zu finden, einem Ort, der es geradezu herausfordert, sich unzulänglich zu fühlen, hier jedoch zu Vorfreude darauf führt, wie das mit 50, 60, 70 wird. Wenn diese Frauen ein Gradmesser sind, wartet dort sehr viel Gelassenheit.
Viel Spaß mit ihren Style-Statements und vor allem den Bildern!

KERSTIN GEFFERT

Ich kenne die 50-jährige Chefin einer PR-Agentur (@kerstingeffert) schon seit vielen Jahren und bei jedem Treffen bewundere ich nicht nur ihre kühnen Looks, sondern auch, mit welch unerschütterlich guter Laune und Elan sie sie trägt.

Ihr Stil in drei Worten?

Ich denke, mir reichen zwei: eklektisch-cool.

Was würden Sie heute nicht mehr tragen, das Sie mit 20 geliebt haben?

Mit 20 war ich gerade frisch nach Berlin gezogen und in den Neunzigern Tag und Nacht in der noch völlig unfertigen Stadt unterwegs. Meine Uniform waren Doc Martens, selbstgestrickte XL-Pullis und Lederjacke sowie eine schwarze Lackjeans, die ich in einem Sexshop gekauft hatte. Obwohl der Look echt Bombe war und Vinylklamotten ja auch gerade ein Comeback feiern, bin ich da raus: Das Ding war so unbequem und hat bei jedem Schritt gequietscht, dass ich diese Erfahrung jetzt gern den Jüngeren überlasse.

Was würden Sie heute noch tragen, das Sie mit 20 geliebt haben?

Ich habe mit Mitte 20 eine Zeit lang in Paris gewohnt, unweit einer Eins-a-Secondhand-Boutique. Dort gab es Unmengen dieser semitransparenten Netz-Pieces von Junior Gaultier – und ich besaß sie quasi alle. Ich erinnere mich noch dunkel an ein gestreiftes, sehr enges, langes Kleid, das mir quasi am Körper klebte. Wenn ich es noch hätte, würde ich es heute vermutlich mit einem ärmellosen Oversized-Blazer darüber tragen. Leider habe ich es aber wohl mal auf dem Flohmarkt verkauft.

Welchem Teil, das Sie verpasst haben, trauern Sie hinterher?

Ich bin eine schnell entschlossene und durchaus hartnäckige Käuferin. Daher kann ich mich eigentlich an nichts erinnern, das ich gerne gehabt, aber nicht bekommen hätte. Eher passiert es mir, dass ich mich von Sachen trenne und es Jahre später bereue, etwa einer Helmut Lang-Jeansjacke. Andererseits: „What goes around comes around“.

Welchen Look bereuen Sie – wenn überhaupt einen?

Ich habe mich immer sehr für Mode interessiert und buchstäblich alles ausprobiert. Das ist meiner Meinung nach für die Entwicklung des persönlichen Geschmacks auch entscheidend – „playing it save“ ist nicht die Lösung. Ich hatte also mit Sicherheit rückblickend schon sehr viele Fehlgriffe, bereuen tue ich das aber überhaupt nicht – warum auch? Das Wesen der Mode ist flüchtig. Was sich heute absolut richtig anfühlt, kann übermorgen total lächerlich/unvorteilhaft/madamig aussehen. Na und? Ich möchte hier gerne Adriano Sack zitieren, der in der Welt am Sonntag vor kurzem schrieb: „Das Wesen der Mode, wenn man sie nicht als Klamotten, sondern als Kulturform und Kommunikation versteht, sind eben nicht Perfektion und Verlässlichkeit, sondern Fehltritte und Wagnisse.“ Amen.

Welche Stilregel hat sich als komplett sinnlos herausgestellt?

Keine Stilregel, sondern eine Regel, wie man mit Kleidung generell umgehen sollte: nämlich die, Sachen auszusortieren, die man mehr als ein Jahr nicht anhatte. Totaler Quatsch. Einmal als solche identifizierten Fehlgriffe kann (und sollte!) man meiner Meinung nach sehr viel schneller aussortieren, weil man sonst jedes Mal ein schlechtes Gewissen hat, wenn man das ungeliebte, ungetragene Teil im Schrank sieht. Stücke hingegen, die gut sitzen und ein tolles Material oder eine besondere Verarbeitung haben, können gern auch mal eine längere Pause einlegen – um mich dann, Saisons später, aufs Neue zu begeistern.

„Ich betrachte meine Garderobe wie einen Fundus.“ -

Welcher Rat hat sich dagegen als nützlich erwiesen? 

Ich mag, gerade bei kostspieligen Stücken, den „cost per wear“-Gedanken, also vorm Kauf zu überlegen: Wie oft werde ich das Teil wohl tragen und ist es mir den Preis dafür wert? So was wie Anlassmode gibt es bei mir im Schrank entsprechend so gut wie gar nicht.

Was ist mit den Jahren modisch leichter geworden? 

Ich habe Mode noch niemals als schwer empfunden.

Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich über Stil mit auf den Weg geben? 

Behalt den Gaultier-Fummel!

ALYSON WALSH

Auf die Anfrage, ob sie an dieser Geschichte teilnehmen würde, antwortet Alyson Walsh: „Ich habe bloß kaum Bilder von mir in jungen Jahren, denn ich hatte keine Kamera. Wie sich die Zeiten geändert haben.“ Heute dokumentiert die 56-jährige Modejournalistin und Autorin auf Instagram unter dem Namen That’s Not My Age ganz ausführlich ihren so klaren wie unkomplizierten Stil.

Ihr Stil in drei Worten?

Gentlewomanly (ich bin ein erwachsener Tomboy), schnörkelfrei und zeitlos. Ich folge keinen Trends. Ich trage, worin ich mich entspannt und selbstbewusst fühle.

Was waren die entscheidenden Momente in Ihrem modischen Lebenslauf? 

Ich war schon immer ein Fan von Menswear-inspirierten Looks. Selbst als mein Hang zu Secondhand-Herrensakkos und bollerigen Lederstiefeln zum Hausverbot in einigen Clubs in meiner Heimatstadt führte – Blackpool in den frühen Achtzigern –, hielt mich das nicht davon ab, diesen „Signature Look“ zu tragen. Auch der Overall gehört zu meiner Stil-DNA. Dass ich dieses Kleidungsstück, auf das ich als New-Romantics-Teenager mein Taschengeld sparte, in den letzten Jahren wiederentdeckt habe, fühlt sich an wie eine Heimkehr.

Was würden Sie heute nicht mehr tragen, das Sie mit 20 geliebt haben?

Bodycon – been there, done that und habe die knackengen Lycra-T-Shirt-Kleider als Beweis.

Was würden Sie heute noch tragen, das Sie mit 20 geliebt haben?

Als sportlicher Teenager war ich ständig in Sneakers unterwegs und ich bin auch heute Fan dieses entspannten Looks. Ob es nun gerade angesagt ist oder nicht: Turnschuhe, Blazer und eine schmale oder tiefergelegte Hose sind die Stützen meiner Alltagsgarderobe.

Welchen Look bereuen Sie heute – wenn überhaupt einen?

Reue ist überbewertet. Klar, ich bin heute selbstsicherer als früher – und das hat viel damit zu tun, dass ich Besseres zu tun habe, als meine Haare zu crimpen –, aber ich habe mich noch nie allzu sehr darum geschert, mich einem Trend anzupassen.

Welche Stilregel hat sich als komplett sinnlos herausgestellt?

Gutes Aussehen ist gleichbedeutend mit Jugend. Ich war schon immer überzeugt, dass es nicht um Alter geht, sondern um Stil – und darum, sich zu jeder Zeit gut und selbstsicher in seinem Aussehen zu fühlen.

„Die Beauty- und Modeindustrie bewegt sich inzwischen langsam weg vom Jugendwahn und hin zu mehr Akzeptanz, dass wir alle altern.“ -

Eine Entwicklung, zu der Blogger, Influencer und kaufkräftige Frauen erlesener Jahrgänge viel beigetragen haben.

Welcher Rat hat sich dagegen als sinnvoll erwiesen?

Stil ist eine kontinuierliche Entwicklung. Lucinda Chambers, die lange Zeit die Modechefin der britischen Vogue war, hat einmal zu mir gesagt: „Die zwei stylishsten Frauen, die ich kenne, sind in ihren Achtzigern und in ihren Sechzigern. Stil braucht Zeit und das ist sehr in Ordnung.“ Mit 56 kann ich sagen: Wie recht sie hat.

Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich über Stil mit auf den Weg geben? 

Stil ist persönlich. Mach dein eigenes Ding! Wenn es sich nicht gut anfühlt, vergiss es. Es ist sinnlos, Kleidung zu kaufen, die nicht passt – körperlich und emotional.

YVONNE TELFORD

 „Ich habe aufgehört, mein Alter zu zählen, denn ich bin für jeden Tag dankbar, an dem ich lebe.“ So klingt es wohl, wenn jemand Zeit brauchte, zu seiner Berufung zu finden: Nach dem Jurastudium als Mature Student und einem Corporate Job verbrachte Yvonne Telford nach der Geburt ihrer ersten Tochter sieben Jahre mit ihren Kindern zuhause und begann über diese Zeit zu bloggen. Das Schreiben führte sie zurück zu ihrem Traum, den sie als Fünfjährige in Nigeria hatte: einen eigenen Laden zu besitzen und Frauen schön einzukleiden. Ihre Marke Kemi Telford (@kemitelford) ist die Verwirklichung dieses Traums: furchtlos farbenfrohe Designs, die nigerianische und westliche Einflüsse verbinden und ohne Alterseinschränkung zum Leuchten bringen.
´ 

Ihr Stil in drei Worten?

Laut, bequem und ein Statement.

Was waren die entscheidenden Momente in Ihrem modischen Lebenslauf? 

Der erste war 2000, als ich Vintagekleidung für mich entdeckte. Ich kaufte einen Mantel aus den Fünfzigerjahren und trug ihn bis zu seinem bitteren Ende. Der nächste Moment kam zwischen 2017 und 2018, als ich anfing, eigene Designs zu kreieren und sie zu verkaufen. Seitdem trage ich kein anderes Label außer meinem eigenen.

Was würden Sie heute nicht mehr tragen, das Sie mit 20 geliebt haben?

Westen.

Was würden Sie heute noch tragen, das Sie mit 20 geliebt haben?

Alles mit einem lauten Muster.

Was bereuen Sie, nicht gekauft zu haben?

Nichts.

Was bereuen Sie gekauft – und getragen – zu haben?

Bevor ich Mutter wurde, habe ich sehr viel Geld für Designerhandtaschen ausgegeben. Ich besitze sie noch immer, trage sie aber nicht mehr – sie passen einfach nicht mehr zu meinem Leben. Wobei ich es nicht bereue, sie gekauft zu haben.

Welche Stilregel hat sich als komplett sinnlos herausgestellt?

„Tragen Sie saisonale Farben.“ Eine Regel, die jede Frau ignorieren sollte, da sie nur einschränkt.

Welcher Rat hat sich dagegen als nützlich erwiesen? 

Trag, was dich glücklich macht.

Was ist mit den Jahren modisch leichter geworden? 

Mit den Jahren lerne ich mich immer besser kennen. Und zu wissen, wer ich bin, hat die Art, wie ich mich kleide, komplett verwandelt.

Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich über Stil mit auf den Weg geben? 

Kopiere nicht die anderen, sei einfach du selbst!

SARAH JANE ADAMS

Die 65-jährige gebürtige Engländerin wurde vom Punk zur Weltreisenden und schließlich zur Antiquitätenhändlerin und entwickelte dabei einen Stil, der Keith Richards mit indischen Saris, Camouflage-Prints und Sportswear verbindet – was nicht funktionieren sollte und es vermutlich genau deshalb tut. Berühmt wurde Adams einzigartiger Look, als 2014 ein Bild von ihr in einer roten Adidas-Jacke von ihrem Instagram-Account um die Welt ging (auf dem Foto links), der Start einer weiteren Karriere – als Model, Meme und Vorbild für Nachhaltigkeit, denn Sarah Jane Adams trägt nur Secondhand und Vintage. Über ihr Leben und die Bedeutung von Kleidern darin hat sie die sehr empfehlenswerten Memoiren „Life In A Box“ geschrieben, die kürzlich erschienen sind.

Ihr Stil in drei Worten?

Eklektisch, bequem, bedeckt.

Welche Momente haben Ihren modischen Lebenslauf geprägt? 

Für mich besteht ein großer Unterschied zwischen Mode und Stil. „Fashionable“ zu sein hat mich nie interessiert. Dennoch hat Kleidung bei bedeutungsvollen Momenten eine Rolle gespielt. Zwei davon: Im Sommer 1981 wurde ich auf der Londoner King’s Road von einem Fotografen geknipst. Das Bild von mir in einem Sixties-Kleid, weißen Cowboystiefeln und einem Hipster-Gürtel wurde in der Daily Mail gedruckt – meine Premiere als Streetstyle-Model. 23 Jahre später fotografierte mich Ari Seth Cohen von Advanced Style in einer roten Adidas-Jacke und mit schnippischem Gesichtsausdruck. Adidas repostete das Bild auf Instagram – und meine Followerzahlen explodierten.

Was würden Sie heute nicht mehr tragen, das Sie mit 20 geliebt haben?

Wenn ich es mit 20 geliebt habe, besitze und trage ich es wahrscheinlich immer noch. Mein liebstes Stück ist eine Satinjacke aus den Zwanzigerjahren, die ich Mitte der Siebziger in einer heruntergekommenen Garage in Sheffield, England, fand. Mein Stil hat sich weiterentwickelt, aber meine Vorlieben und meine Figur haben sich nicht groß verändert.

Welchem Teil, das Sie verpasst haben, trauern Sie hinterher?

Ich habe nie bereut, etwas nicht gekauft zu haben.

Welchen Look bereuen Sie heute – wenn überhaupt einen?

Ich bin sehr wählerisch, was meine Käufe angeht, daher gibt es wenig, das ich bedauere. Ich trage generell nur Vintage und Secondhand oder Stücke, die ich auf meinen Reisen sammele – ich bin sozusagen der Originalgangster des Recyclings. Das macht mich allerdings auch zu einem schrecklichen Shopping-Begleiter. Ich habe null Interesse an neuer Kleidung oder, ehrlich gesagt, allem Neuen.

Welche Stilregel hat sich als komplett sinnlos herausgestellt?

Stilregeln sind dafür da, gebrochen zu werden, obwohl ich gestehen muss, dass ich keine Magazine oder Ratgeber lese, in denen solche Tipps erteilt werden. Wenn es überhaupt eine Regel gibt, an die man sich halten kann, dann die, seinen eigenen Weg zu gehen.

Was ist mit den Jahren modisch leichter geworden?

Mit Verständnis, Akzeptanz und Gnade ist ALLES leichter geworden. Ich trage einen Sinn für Freude und Ehrfurcht vor dem Leben – innerlich und äußerlich.

Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich über Stil mit auf den Weg geben? 

Gar nichts, denn mein jüngeres Ich hätte auf keinen Rat gehört.

LAURA MORGAN

Laura Morgan (@lauramorgan999) war in ihrem Leben schon – Luft holen! – Alexander McQueens Lieblingsmodel, Electro-Musikerin, Stylistin, preisgekrönte Kostümdesignerin, Künstlerin. Mit 15 verließ sie die Schule, mit Mitte 20 ging sie von London nach New York, mit Ende 30 machte sie ein Comeback als Model. Seitdem ist die Irin mit den patrizischen Gesichtszügen in Kampagnen von Céline, Helmut Lang, Proenza Schouler oder Another Tomorrow zu sehen. Da sie weiterhin macht, worauf sie Lust hat, renoviert sie aktuell ein Haus aus dem 18. Jahrhundert im Hudson Valley zu einer Art Künstlerzentrum um. Ach so, und sie ist gerade mal 42.
 

Ihr Stil in drei Worten?

Faul, offensichtlich und ein wenig gespalten.

Als wir die ersten Nachrichten zu dieser Geschichte schrieben, erwähnten Sie, dass eine Freundin Ihnen jüngst geraten hat, immer ein Bild von Ihrem jüngeren Ich bei sich zu tragen. Warum gefällt Ihnen diese Idee?

Wenn ich mein wildes, freies, sechsjähriges Ich betrachte, erinnert es mich daran, diese Energie wieder in mir zu finden. Nur weil ich älter bin, bedeutet das nicht, dass ich meine Lebenslust aufgeben muss. Das Einzige, was man mit dem Alter aufgeben sollte, ist alles und jeder, das und der einen nicht darin unterstützt, so lebendig zu sein!

Sie hatten der Modebranche lange den Rücken gekehrt. Wie kam es zu Ihrem Comeback?

Ich hatte nicht vor, wieder als Model zu arbeiten, es passierte einfach. Ich war als mitwirkende Kostümdesignerin am Set von Kingsman: The Golden Circle in L.A., als mich ein Freund fragte, ob ich bei einem Shoot in Texas für das Magazin Document mitmachen würde. Diese Aufnahmen, die bei einem Rodeo entstanden, landeten auf dem Schreibtisch von Phoebe Philo bei Céline. Ich wurde für die Céline-Werbekampagne gebucht – das war der Anfang. Ich gab das Kostümdesign auf, ich war  ausgebrannt, und konzentrierte mich auf meine Kunst. Das Universum meint es gut mit mir, denn das Modeln hat mir viele Möglichkeiten eröffnet, ich kann mich auf die Kunst und meine Arbeit mit Kindern konzentrieren.
Das Schöne ist, dass ich heute mit so vielen weiblichen Fotografen und Crews arbeite. Das war in den Neunzigern und Nullerjahren nicht so. Nichts gegen die Männer, aber es ist einfach cool, dass es heute mehr Balance gibt. Bei den Schauen und Shoots, bei denen ich dabei bin, ist auch die LGBTQ-Community viel stärker repräsentiert. 2020 ist ein irres Jahr, das vieles an die Oberfläche gebracht hat. Ich hoffe nur, dass wir diesen Moment nutzen und mit offenen Augen und Herzen die Veränderungen angehen, die nötig sind. Und für jeden, der sich überfordert fühlt: Denk an den Schmetterlingseffekt. Jede Tat löst eine Reaktion aus. Es geht darum, dass sie zielgerichtet und positiv ist.

Welche Momente haben Ihren modischen Lebenslauf geprägt? 

Es gibt so viele! Aber drei der wichtigsten: mit Alexander McQueen und seinem Team an den Kollektionen zu arbeiten. Meine Zeit mit ihnen ist ein einziges Highlight. Die Zusammenarbeit mit den Savile Row-Schneidern an den Kostümen von Kingsman: The Golden Circle. Als assistierende Kostümdesignerin bei W.E. arbeitete ich mit der fabelhaften Schneiderin Jane Law an der Nachbildung eines Schiaparelli-Kleides. Es war so wundervoll gemacht, dass ich bei der Fertigstellung weinte.

Welcher modische Rat hat sich als sinnvoll erwiesen?

Denk bei dem, was du trägst, nur an dich selbst.

Was ist mit den Jahren modisch leichter geworden?

Anzuerkennen, dass am Ende alles gut ausgeht. Und dem ersten Instinkt zu vertrauen.

Sie sind Vorbild und Fürsprecherin für einen nachhaltigeren Umgang mit Mode. Wann wurde Ihnen das wichtig?

Ich würde gerne behaupten, dass mir immer bewusst war, welcher Schaden durch Wegwerfmode entsteht. War es mir aber nicht. Ich war jedoch nie verschwenderisch. Ich kaufte nach meinem kleinen Budget und Geschmack, oder auch: Ego, ein. Meine Freunde und ich trugen Secondhand. Uns vom System diktieren zu lassen, wie wir auszusehen hatten? No way! Diese Haltung habe ich mir bewahrt und sie ist mir umso wichtiger, seitdem mir klar ist, welchen Effekt unsere Kleidung auf die Umwelt hat. Die Modeindustrie hat einen immensen Einfluss. Diese Macht sollte sie dafür nutzen, nachhaltiges Kaufen und Individualität zu fördern.
Ich fände es schön, wenn es mehr Ermutigung gäbe, sich modisch auszuprobieren und Dinge auch dann noch zu tragen, wenn sie fünf Saisons alt sind. Aber, und das ist positiv: Die Modeindustrie ist heute ein besserer Ort als noch vor fünf Jahren, als man quasi gemieden wurde, wenn man etwas aus der „last season“ trug und Wörter wie „ethical“ oder „sustainable“ Schrecken hervorriefen. Labels wie Another Tomorrow zeigen, dass man sich nachhaltig und doch mit Chic kleiden kann. Wenn ich in meinem Kleiderschrank etwas ersetzen muss, weil es buchstäblich zerfällt, kaufe ich bei diesen Labels oder Secondhand.

Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich über Stil mit auf den Weg geben? 

Hab mehr Spaß damit!

Abo abschließen, um Artikel weiterzulesen

Endlich Ich - Abo

6,90€

Alle Artikel lesen, alle Podcasts hören

4 Wochen Laufzeit, monatlich kündbar
Digitaler Goodie-Bag mit exklusiven Rabatten
min. 2 Live-Kurse pro Woche (Pilates, Workouts, etc.)
Bereits Abonnent? Login