Mode & Beauty
Neue beste Freunde
Was tun, wenn gerade nichts mehr passt? Ein neues Bild von sich anziehen, rät Marlene Sørensen.
von Marlene Sørensen - 01.05.2022
Als Steffi mir vor einer Weile die Frage einer Leserin weiterleitete, die nach Tipps fragte, wenn nach der Schwangerschaft keine der alten Klamotten mehr passen, rief ich im Kopf prompt meine Liste zu den Vorteilen des Gummizugs ab und legte sie mir mental zur Wiedervorlage, bis ich die neue Kolumne schreiben würde.
Dann begann ich nachzudenken. Und erinnerte mich. Ich hatte in meiner Schwangerschaft 30 Kilo zugenommen. Ich nahm sie nicht, wie es der Mythos will, durch Stillen und Spaziergänge mit dem Kinderwagen wieder ab. Ich konnte nicht stillen und so viele Runden ich auch drehte: Mein Körper zog nicht mit, er war behäbig und schwerfällig geworden. Ich trug, über lange Zeit, vor allem Kleidung mit Gummizug. Toll fand ich das damals allerdings nicht. Das lag nicht am Gummizug – denn wie kann man eine modische Erfindung schlecht finden, die reinen Komfort bietet –, sondern an meinem Verständnis davon, dass mein Körper einer bestimmten Form entsprechen sollte, um zu genügen. Ich war auf die Veränderung nicht vorbereitet, obwohl mir bewusst war, dass der Körper mindestens die Dauer einer Schwangerschaft braucht, um sich von einer Schwangerschaft zu erholen – oder, auch das ist möglich, nie wieder die vertraute Form annimmt. Der Verstand begreift, das Gefühl sagt: Müsste ich nicht wieder aussehen wie vorher? Oder sogar: noch besser? Zu stark haben sich über Jahrzehnte die Transformationsgeschichten („Ich passe wieder in meine Jeans!“) eingeprägt, in denen der Körper wie ein Projekt behandelt wird, das ständig optimierbar ist.
Das geht, die Fragestellerin mag mir verzeihen, eventuell zu weit dafür, dass sie bloß nach passender Kleidung sucht. Aber ich glaube:

„Die Frage danach, wie man mit Kleidung umgeht, wenn sich der Körper verändert, ist eine Frage danach, wie man mit sich umgeht.“ -

In allen Lebensabschnitten. Nach der Geburt, nach zwei Jahren Pandemie, die man auch dank ständiger Zufuhr von Nervennahrung überstanden hat, nach einer Krankheit. Wenn man älter wird. Wenn man sich angewöhnt hat, nicht besonders gut mit sich umzugehen. So geht es mir gerade mal wieder. Ich muss demnächst ein Buchmanuskript abliefern und das Schreiben gelingt mir nur, wenn ich konstant Lakritz esse. Ich weiß seit über 20 Jahren: Harte Textarbeit erfordert harten Süßkram. Ebenso zuverlässig, dass ich mir stets übelnahm, wenn ich mich nicht „unter Kontrolle“ hatte. (Übrigens kann ich mich auch darauf verlassen, dass ich beispielsweise in Zeiten von hoher Stressbelastung absolut keinen Appetit habe, aber das Resultat – Gewichtsabnahme –, wurde gesellschaftlich lange als Erfolgserlebnis angesehen, wird es oft immer noch, und damit als willkommen akzeptiert.)
Das ist nicht mein erstes Buch-Baby, aber im Unterschied zu den zwei vorherigen begegne ich meinem Körper nicht als etwas, das ich sofort nach Manuskriptabgabe wieder in Form bringen sollte, oder maßregele mich selbst, weil ich aktuell nicht so fit und frisch aussehe wie bei Unterzeichnung des Buchvertrags. Altersmilde, Müdigkeit von Selbstkritik, neue und positive Perspektiven auf alle Formen von Körpern – all das hilft dabei. Ich versuche mich zu sehen, wie ich heute, in diesem Moment, bin: einen Absatz weiter als noch zwei salzige Heringe zuvor.
Mein erster Rat hat folglich nichts mit Kleidung zu tun, sondern damit, zunächst ein neues Bild von sich anzuziehen: das Bild von dem Menschen, der man jetzt ist. Keine Zukunftsvision, keine ehemalige Version, sondern die Gegenwart. Dieser Mensch hat ja einiges dafür geleistet, wo er aktuell ist, und er hat wirklich Besseres verdient, als sich damit zu beschäftigen, ob der oberste Knopf der Hose gerade zugeht. Zum Beispiel: eine Hose zu finden, die passt. Der zweite Rat ergibt sich aus dem ersten: Falls man diese Hose gerade nicht in der Garderobe findet, sollte man sich nicht damit quälen, sie dort trotzdem immer wieder zu suchen. Oder damit, die ausrangierte Joggingbuxe anzuziehen, die in der Schublade für Gartenarbeit liegt. Ich verallgemeinere bewusst, denn ich bin mir sicher, dass ich nicht die Einzige bin:

„Man neigt dazu, die Figur als Übergangsmodell zu betrachten, bis man ein Upgrade machen kann.“ -

Stattdessen würde ich vorschlagen: ein Upgrade im Kleiderschrank machen. Es müssen nicht viele neue Teile sein. Ehrlicherweise tragen wir ja sowieso nur einen Bruchteil unserer Garderoben. Es kann ein Kleid wie das sein, das ich mir von der Marke Helena Harfst für diese Bilder geliehen habe – aus butterweicher Baumwolle, in einer sonnigen Farbe und, jawoll, mit Gummizug. Ein Modell, das man über Jahre anziehen kann und das Veränderungen mitmacht.
Was mich zu dem Tipp bringt, auf Kleidung zu setzen, die wandlungsfähig ist. Ich habe in der Schwangerschaft eine Hose von Zara gekauft, die ich heute noch trage, weil sie durch eine seitliche Knopfleiste am Bund anpassbar ist. Hosen dieser Art, ob geschnürt, gewickelt oder mit Gummizug, die nebenbei nicht Langeweile in Stoffform sind, finden sich beispielsweise in jeder Saison bei Cos, Arket oder Muji. Es kann aber auch ein Blusenkleid sein, das man entweder als Hemd oder als Kleid tragen kann, ein fließender Overall, der mit oder ohne Gürtel passt, und Teile, die sich dank durchdachter Konstruktion anpassen lassen. Die Berliner Designerin Janina Waschkowski hat ihr Label Nove gegründet, um Frauen vor, in und nach der Schwangerschaft zu begleiten. Ihre eleganten und cleanen Designs möchte und kann man jedoch in jeder Lebensphase anziehen (und so geht dann auch die Kosten-Nutzen-Rechnung ihrer Preiskategorie auf).
Übrigens: All das soll nicht bedeuten, dass man sich nach einer Veränderung der Figur verhüllen sollte. Voluminöse Schnitte sind eine persönliche Geschmacksfrage. Wer sich schon immer in eng anliegender Kleidung wohlgefühlt hat, sollte sie weiterhin tragen und sich ja nicht einreden lassen, die wäre nur für bestimmte Formen angebracht.
Was aber für alle Vorlieben gelten mag, ist, auf gute Qualität und schöne Materialien zu setzen – ein seidiges Top, ein fluffiger Cardigan (Sézane sind Spezialisten für fluffige Cardigans) oder Baumwolle, der man gar nicht zugetraut hätte, so umwerfend auszusehen wie bei Kemi Telford.
Die Designerin der Marke, Yvonne Mudope Telford, habe ich ganz zu Anfang dieser Kolumne einmal porträtiert und ihre Designs werden immer besser. Einige davon zeige ich unten in der Collage. Aber beim Besuch in ihrem Onlineshop findet sich noch so viel mehr, das meiste davon vielseitig und in Prints, die, ich bin zwar keine Biochemikerin, aber ich behaupte es einfach mal: Endorphine freisetzen. Schaut euch doch nur mal diese Palazzo Pants an, dieses Leo-Kleid, diese Bluse.
Dieses Kleid habe ich mir zur Wiedervorlage abgespeichert, wenn ich das Manuskript abgegeben habe. In der Zwischenzeit raten die salzigen Heringe und ich: Genießt euch, wie ihr seid. Jederzeit.
Eure
1 Kleid von Cos // 2 Trägertop von Mango (ebenfalls erhältlich in Beige, Ecru und Braun) // 3 Shorts von Edited // 4 Jumpsuit von Cos // 5 Cardigan von Edited // 6 Kleid von Kemi Telford // 7 Hose von Cos // 8 Kleid von Boden // 9 Hemd von Edited // 10 Shorts von Edited // 11 Hemdblusenkleid von Max Mara // 12 Sweater-Dress von Arket // 13 Hose von Nove // 14 Hose von Arket // 15 Rock von Kemi Telford

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