Ich beginne diese Kolumne mit der uralten Frage:
Steht mir das?
Präziser: Sehe ich mit der Balaklava nun so aus.
Oder doch eher so.
Ich habe lange darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen: Es ist völlig egal, ob ich mit Schlupfmütze eher Jackie O. bei einem Waldspaziergang ähnele oder Woody Allen als Spermium in dem Film „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten“.
Für die Erklärung muss ich etwas ausholen.
„Seit ich mich für Mode interessiere, spielte immer eine Rolle, wie andere mich sehen.“ -
Zuerst war es die Handballclique an meiner Schule, die ich mit der richtigen Jeanswahl beeindrucken wollte. Dann meine Kommiliton*innen an der Universität, denen ich mit Topshop nacheiferte, weil ich mir DKNY nicht leisten konnte. Als Volontärin bei einer Frauenzeitschrift sehnte ich mich nach Zugang zu der Welt, durch die die Moderedakteurinnen wie Wesen von einem anderen Planeten zu wandeln schienen. Ich erinnere mich noch allzu gut an eine Reise nach Paris, als ich mit einer befreundeten Fotografin die Prêt-à-porter-Schauen besuchte, um während der Blütezeit der Streetstyle-Fotografie selbst Bilder auf der Straße zu knipsen. Wer weiß, dachte ich bei der sorgfältigen Auswahl meiner Outfits, vielleicht würde auch ich jemandem auffallen. Jemandem wie dem Sartorialist. Seufz.
In Paris stellte sich dann sehr schnell heraus, dass ich mit Jeans und Hemd inmitten modischer Extravaganz genau niemandem auffiel. Geld spielt bei diesen Beispielen auch eine Rolle, aber nicht die entscheidende. Es geht vielmehr um Zugehörigkeit. Eine weitere Erinnerung: Als ich anfing, mich in meinem eigenen Stilempfinden mehr auszuprobieren, investierte ich in ein schwarzes Kleid von By Malene Birger, das vom Schnitt an einen Habit erinnerte. Mein Auftritt als Nonne in der Betriebskantine sorgte jedoch nicht für andächtiges Schweigen, sondern für verstohlenes Kichern. Ich würde gerne so tun, als hätte das keine Selbstzweifel an meinem Look ausgelöst. Aber das wäre gelogen.
Es ist möglich, dass diese Unsicherheit das Berufsrisiko einer Modejournalistin ist. Glaube ich aber nicht. „Steht mir das?“ ist schließlich eine Frage, die sich wohl jede*r gelegentlich stellt. Ich glaube nur inzwischen auch, dass man sie anderen nicht so oft stellen sollte.
Mein Mann, dessen Meinung ich in vielem schätze, war übrigens derjenige, der sich von meiner Balaklava a Woody Allen in „Was Sie schon immer ...“ erinnert fühlte.
Ich nehm`s ihm nicht übel. Erstens entscheidet seine Meinung nicht. Zweitens habe ich irgendwann den Entschluss gefasst, dass die viel bessere Frage als „Steht mir das?“ ist: „Macht mir das Freude?“
Macht es mir Freude, an einem grauen Dienstag im Februar einen Wollschlauch mit Leopardenmuster anzuziehen und so in den Supermarkt zu stiefeln? Macht es mir Freude, einen Trend auszuprobieren? Macht es mir Freude, Froschgrün zu tragen, auch wenn das nicht die „richtige“ Nuance für meinen Hautton ist?
Die Überlegung, wie andere meine Kleiderwahl einordnen, ist zwar auch nicht unwichtig, aber höchstens im Kontext bedeutend – wie alle wissen, die schon mal in Jogginghose untenrum, aber mit Blazer oben herum an einem Zoom-Meeting teilgenommen haben. Ein Outfit steuert die Wahrnehmung. Und klar ist es schön, ein Kompliment zu bekommen, wenn mein Look auf Zustimmung trifft. Aber die erste Person, die ich überzeugen möchte, bin ich selbst.
„So betrachtet ist die Schlupfmütze eine Form von Self-Care.“ -
Als ich diese Art Mütze das letzte Mal trug, war ich Grundschülerin. Heute fühle ich mich darin wieder wie ein Kind – frei. Aus der Freiheit heraus entsteht Spiel. Nicht nur mit der Balaklava, sondern auch mit allen Accessoires, die den Februar freudvoller machen.
Wie ein Schal mit XL-Fransen. Unten gibt es noch weitere zu sehen. Hier zeige ich den Trick, wie man den Schal zur Kapuze macht – das Einsteigermodell zur Balaklava. Dafür legt man den Schal mit den Enden nach hinten um den Hals. Dann die Enden nach vorne holen und unter der Halsschlaufe durchziehen. Die dadurch entstehende Kapuze über die Haare ziehen. Fertig! Und: warm.
Beim Styling mit dem Schal kam ich auch darauf, wie eine Schlupfmütze (für mich) am besten funktioniert: Nicht nur die Mütze muss das Gesicht rahmen, sondern auch ein Teil der Haare – wirkt weicher.
In ihrem Buch „How to Be a Woman“ schreibt die britische Journalistin und Autorin Caitlin Moran: „Wenn eine Frau sagt: ‚Ich habe nichts zum Anziehen!‘, meint sie damit in Wahrheit: ‚Ich habe nichts für die Frau, die ich heute sein soll.‘“
Es ist kein Widerspruch, sich gleichzeitig zum eigenen Gefallen zu kleiden und dabei in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Ich habe tagtäglich ein Dutzend verschiedene Hüte auf – Autorin, Managerin der Brotdosen, Trösterin, Mitglied des Komitees zur akkuraten Spülmaschinen-Einsortierung, Buchhalterin, Freundin – warum sollte sich das nicht auch in unterschiedlichen Looks ausdrücken?
Apropos Hüte: Sie sind ein effektvolles Mittel, ein Outfit auf sich zuzuschneiden. Wobei ich dabei lieber an andere Rollen denke als an „Mitglied des Komitees zur akkuraten Spülmaschinen-Einsortierung“. Dank der Baskenmütze etwa an: Nebendarstellerin in „Emily in Paris“. Beim Fedora denke ich sofort an Carly Simon auf dem Cover von
„No Secrets“ – mit dem willkommenen Nebeneffekt, dass ich selbst beim morgendlichen Management der Brotdosen Simons Lied
„You`re So Vain“ im Kopf habe.

Accessoires sind ebenfalls ein leichter Weg, neue Farben zu probieren – wie ein Teststreifen, bevor man den kompletten Raum neu streicht. Zum Beispiel das Royalblau, das ich euch
im Januar als meine Farbe des Jahres vorgestellt habe. Im Februar steigert sie vielleicht noch einmal mehr die Erwartung, dass es bald, ganz bald, auch wieder heller und wärmer wird. Bis dahin macht eine Signalfarbe selbst die (von mir) so ungeliebten Strumpfhosen zu einem Highlight (wem Strumpfhosen in offenen Schuhen zu frostig sind: (sichtbare) Wollsocken in Loafern oder auch Sportsocken in Turnschuhen funktionieren ebenso gut als Farb- und Freudeakzent). Ein locker geknüpftes Seidentuch wiederum wirkt wie ein Leuchtmarker für das Gesicht – vor allem, wenn man sich mal wieder in einem Zoom-Meeting befindet.

Auf die Idee zu dem Foto vom fliegenden Schal brachte mich
diese Aufnahme der Fotografin Coliena Rentmeester von Jenna Lyons. Und das bringt mich zu dem Gedanken, wo man hinschaut, bevor man sich selbst betrachtet. Denn natürlich entstand die Idee, eine Balaklava zu tragen, nicht aus dem Nichts, sondern wuchs auf dem Nährboden von Trends, Newslettern aus Onlineshops, Instagram. Ich kann mich Einflüssen nicht entziehen. Ich will es aber auch gar nicht, denn die Inspiration bietet wiederum den Grund, auf dem man etwas Eigenes kreiert.
Dieser Look mit Mütze und Schal in Grün wiederum ist komplett anders als das, was Jenna Lyons in dem oben erwähnten Foto trägt. Was mich an dem Bild von ihr so anzieht, ist allerdings auch nicht ihre Kleidung, sondern ihr Ausdruck – von Verve, von Elan und vor allem von Freude. Zur Clique von Frauen, die das ausdrücken, möchte man gerne dazugehören.
Eure