Liebe, Beziehung & Sex
Komme, wer wolle
Mirna Funk verrät, warum sie keine Sextoys braucht und wie der gute alte Handjob zum Höhepunkt führt.
von Mirna Funk - 01.05.2020
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Ich habe keine Toys und auch noch nie welche benutzt. Schwöre! Das ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Und ich bin mir nicht ganz sicher, zu wem mich diese Tatsache macht. Ob sie bereits so dermaßen altbacken ist, dass ich schon fast wieder progressiv bin. Ihr werdet es mir sicher sagen können.
Es ist nicht so, dass ich Toys prinzipiell ablehne. Überhaupt nicht. Sondern dass ich nie das Gefühl hatte, sie für mein Sexleben zu brauchen. Zwei Körper, unendliche Weiten. Möglichkeiten, die in den seltensten Fällen überhaupt zu 100 Prozent ausgeschöpft werden. Vielleicht hätte ich irgendwann nach einem Womanizer oder Satisfyer gegriffen, wenn ich mit einem Mann schon am Ende der Fahnenstange angelangt worden wäre. Aber das ist mir, ehrlich gesagt, bis heute nicht passiert. Da war immer sehr viel Luft nach oben, an die offensichtlich keiner von ihnen gedacht hatte. (Zwinkersmiley an alle Boys, die in den letzten 25 Jahren randurften.)

Schwerer Start

Ich mache es mir seit genau 21 Jahren selbst. Easy-peasy mit den eigenen Fingern und gut ist. Dabei schaue ich manchmal Pornos, denke meistens an einen Gangbang oder eben an gar nichts. Ich kann, wenn es sein muss, auch mal ohne großes Kopfkino, sondern parallel zum Formulieren der Einkaufsliste kommen. Das geht eben rein mechanisch, indem ich nichts weiter tue, als meine Klitoris zu stimulieren. Und als sei keine Minute seit meiner ersten Selbstbefriedigung vergangen, weiß ich noch genau, wie furchtbar lange es dauerte und umständlich es war, das erste Mal durch den eigenen Handjob zu kommen. Ich lag auf meiner sehr unbequemen Couch, in meiner ersten eigenen Wohnung, war gerade 18 Jahre alt geworden und hatte die Schnauze voll davon, zwar über Orgasmen zu lesen, sie aber selbst nicht zu haben. Ich wusste, die Klitoris, die kann das, du musst sie nur verstehen lernen. Und dann hörte ich ihr zu, sicher eine Stunde.

„Ich arbeitete mich an ihr ab, bis sie bereit war, loszulassen.“ -

Der Bann war gebrochen. Und mit jedem selbsterzeugten Orgasmus wurde es besser. Es ging irgendwann schneller und ich konnte die Orgasmen sogar herauszögern, um sie länger und intensiver zu machen. In den Jahren danach lernte ich Frauen kennen, die in ihrem Leben noch nie gekommen waren. Ja, die gibt es. Das wisst ihr am allerbesten! Und diese Frauen hatten es sich oft noch nie selbst gemacht. Also gab ich, wie Frauen es schon seit Jahrtausenden tun, mein Wissen weiter. Ohne mich dafür in einen Halbkreis zu setzen und Räucherstäbchen anzuzünden, versteht sich. Sie sagten ganz oft: „Aber es passiert einfach nichts, egal, wie lange ich meine Klitoris mit dem Finger bearbeite!“ Und ich antwortete: „Doch, doch, es passiert irgendwann. Ganz sicher. Du musst geduldig mit dir sein. Wenn man sie nämlich lange genug stimuliert, auf die immer gleiche Art, im immer gleichen Rhythmus, dann kann sie gar nicht anders, als irgendwann zu kommen.“ Nichts anderes tut ja die Vibration des Toys.
Das muss man quasi simulieren: Also mit relativ hoher Geschwindigkeit den Finger an einer Seite der Klitoris hin- und herbewegen. Aber klar, bis man das erste Mal klitoral – ohne ein Toy – kommt, dauert es manchmal wirklich ewig. Man macht langsamer und schneller und fester und lockerer und spürt trotzdem nichts. Das ist total normal. Kein Fehler im System. Und obwohl man vielleicht schon zehn, zwanzig oder vielleicht sogar dreißig Minuten erfolglos rumgerubbelt hat, gibt es irgendwann den Moment, an dem die Klitoris sich auf sich selbst einlässt. Boom! Und dann kommt man, aber hat nach wie vor die Kontrolle darüber, wie lange, wie stark und wie intensiv der eigene Orgasmus sein soll. Jedes einzelne Mal danach wird es einfacher. Sagt auch meine gute alte Freundin B., die mir versprochen hat, irgendwann auf meiner Trauerfeier davon zu erzählen, wie ich ihr einst beibrachte, zu kommen:

„Ganz ohne Toys. Ganz ohne Mann. Ganz einfach durch sich selbst. Unabhängig und stark.“ -

Böse Toys?

Nein, nein. Ich verfluche keine Toys und möchte sie niemandem ausreden. Im Gegenteil. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie in den letzten Jahren einen wichtigen feministischen Beitrag geleistet haben. Denn als ich jung war, fuchtelten Männer nicht freiwillig mit einem Womanizer oder Satisfyer vor einem herum. Aus bekannten Gründen: Sie fühlten sich von Toys bedroht und auch ein bisschen aufs Abstellgleis verwiesen. Sie hatten Angst davor, ihr Zauberstab genüge uns nicht. Und es hat lange gedauert, bis diese sehr schmerzliche Wahrheit (Ja, genau, ein Penis reicht nicht, fucking live with it!) nicht mehr das gesamte innere Kartenhaus eines Mannes zum Einstürzen bringt.
Männer haben peu à peu gelernt, den Feind im eigenen Bett zu akzeptieren. Auch, weil er natürlich die einzige Chance auf eine langfristige Beziehung bedeutet. Und Frauen haben sich durch Toys das Recht auf eine eigene Befriedigung unabhängig von der klassischen Penetration erkämpft. Alles Dinge, die so wichtig sind wie eine 50/50-Quote auf allen Ebenen der Wirtschaft und Politik. Natürlich erleichtern Toys so einiges: Der Orgasmus kommt ruckzuck. Ohne viel Arbeit. Der Partner hat das Feindesobjekt liebevoll integriert, ohne zu jammern.

„Aber diese schnelle, unkomplizierte Art zu kommen, macht eben auch süchtig.“ -

Nachteil: Sie überreizt die Klitoris und lässt die Orgasmen dadurch langfristig schlechter werden. Vielleicht ist der gute alte Handjob zwar anstrengender, aber dafür ein weiterer emanzipatorischer Schritt? Sowas wie das eigene Depot? Der höhere Gehaltscheck? Der Posten in leitender Funktion, während Schatzi auf Hausmann macht? Wie fühlt es sich für Männer an, wenn es nicht mal mehr eines äußeren Objektes bedarf, sondern die Frau ganz ohne alles, nur mit sich auskommt? Wie geht man – als Mann und Frau – mit dieser Form der absoluten Unabhängigkeit um?
Nutzt die auferlegte Entschleunigung und probiert den Orgasmus ohne Toy. So viel Zeit wie jetzt werdet ihr nie wieder haben.
Fotos: Shai Levy

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