Es gibt ja bei jedem sexuellen Abenteuer diese eine Szene, die sich einbrennt. Diesen einen Moment, der irgendwie speziell, irgendwie besonders heiß ist. Diesen einen Moment, den man nicht vergessen wird.
Am Sonntagabend vor einer Woche erlebe ich diesen Moment, als ich mit zwei Männern an einem Tisch sitze. Der eine sitzt neben mir, der andere gegenüber. Wir trinken Champagner, reden über dies und das. Und während wir uns unterhalten, streift der Mann neben mir plötzlich mit seiner Hand meinen Rücken hoch ... und greift mir dann fest in die Haare. Und der Mann, der mir gegenübersitzt, lächelt mich an. Wissend und entspannt. Nimmt meine Hand. Schon während ich diese Szene erlebe, weiß ich, dass das der Moment ist, den ich nicht mehr vergessen werde. Der Moment, der sich einbrennt. Und was ich auch weiß, ist, dass es jetzt losgeht.
Ein paar Stunden vorher hatte ich zwar gehofft, dass der Abend diese Richtung nehmen würde, aber keinerlei Gewissheit gehabt. Mein letzter Dreier mit zwei Männern ist über zehn Jahre her. Dazwischen lagen eine Hochzeit mit einem anderen Mann, ein Hausbau, ein Kind, eine Pandemie, eine Scheidung, ein Neuanfang. Damals, vor zehn Jahren war es eine zufällige Aktion gewesen, angetrunken und schnell vorbei. Und begleitet von dem Gedanken, wie porno das eigentlich war, was wir da taten. Dieses Mal wollte ich etwas anderes.
„Ich wollte diesen Dreier bewusster erleben – und überlegter angehen.“ -
Die beiden Männer kannte ich vorher. Mit dem einen schlafe ich seit über zwölf Monaten regelmäßig. Wir haben Sex auf eine so innige Weise, wie ich sie noch nicht erlebt habe. Es gab ein paar Höhen und Tiefen, was so nicht geplant war. Ach, und mein Herz ist seit einiger Zeit auch in die Sache verwickelt – aber das ist eine andere Geschichte. Wichtig ist, dass dieser Mann weiß, dass ich auch mit anderen schlafe. Und er immer mal wieder zu mir gesagt hatte, dass er sich auch einen Dreier vorstellen könnte.
Den anderen Mann habe ich erst drei, vier Mal getroffen. Mit ihm ist der Sex härter, ungewohnter, unverbindlicher. Auch ihn mag ich sehr. Ich weiß nicht viel von ihm, aber dass er sich ab und zu auf ein Abenteuer einlässt, hatte er mir schon erzählt.
Der Wille war also da, ich brauchte nur noch einen Plan. Und bei diesem Plan waren mir zwei Sachen wichtig: Ich wollte, dass die Männer sich mögen. Und ich wollte auf keinen Fall die Gastgeberin unserer kleinen Party sein.
Ich wollte nicht diejenige sein, die die beiden einander vorstellt, die Drinks macht, den Abend in irgendeiner Weise leitet. Als Erstes habe ich deswegen eine Location für uns gebucht. Ich wünschte mir für dieses Treffen kein anonymes Hotelzimmer, sondern etwas, was ein bisschen kreativer ist und irgendwie ein bisschen sexy. Ich wollte aber auch nicht eines der wahlweise kellerkalten oder seltsam puffigen Etablissements buchen, die in Hamburg angeboten werden, wenn es speziell um das Thema Sex geht.
Seit einiger Zeit gibt es in der Innenstadt
Room8, ein „Studio für Liebesabenteuer“ – einen Ort, der angeblich anders ist. Cleaner, moderner und trotzdem romantisch. Ich wollte diesen Ort sowieso ausprobieren – und das war der perfekte Anlass. Ich buchte uns zu dritt für vier Stunden und 400 Euro ein, nannte den Männern den Code für die Schlüssel zur Location und bat sie, sich am Sonntag um acht dort zu treffen. Ich würde eine Stunde später kommen. Auf diese Weise machte ich mich selbst zum Gast. Und gab außerdem den Männern eine Gelegenheit, die Reißleine zu ziehen, wenn es zwischen ihnen nicht passte.

Ich könnte nicht aufgeregter sein, als ich an diesem Sonntagabend an der Location klingele. Die Tür öffnet sich. Beide sind da. Die Stimmung zwischen ihnen scheint gut. Und ich kann nicht mehr aufhören zu lächeln. Der Champagner ist schon offen, bis sich die schlimmste Aufregung legt, schlendern wir durch das Studio. Es besitzt eine freistehende Badewanne, eine Regendusche, ein separates Bad, ein riesiges Bett. Eine Liebesschaukel und ein Andreaskreuz. Obwohl sich diese zwei letzten Dinge definitiv um das Thema Sex drehen, wirken sie trotzdem nicht aufdringlich, eher wie edle Designobjekte. Der Boden ist aus gegossenem Beton und warm. Der ganze Raum strahlt eine Art moderne industrielle Romantik aus: Stahlträger und weiße Leinenbettwäsche – man sieht, dass es hier definitiv zur Sache gehen kann, aber nicht unbedingt muss. Ich mag es, dass die Atmosphäre hier nicht irgendwie merkwürdig ist, nicht puffig oder hardcoresexuell. Es ist eher eine luxuriöse kleine Suite – mit einer Prise Kinkyness.
Wir setzen uns, stoßen an, plaudern über dies und das. Ich mag die freundliche Spannung zwischen uns. Und dann, kurze Zeit später, kommt dieser Moment. Das Streicheln über den Rücken, der feste Griff in die Haare, mein Kopf im Nacken, eine sanfte Machtdemonstration. „Dich fresse ich gleich“ heißt dieser Griff. Und das ist es, was ich an diesem Dreier so mag. Diese Machtdemonstration, die den anderen Mann nicht ausschließt, sondern einlädt: „Komm schon, die nehmen wir uns jetzt gemeinsam vor.“
Kurze Zeit später liege ich schon in der Liebesschaukel. Komplett nackt. Erstaunt, wie schnell einen vier Männerhände ausziehen können. Keine Ahnung, wie das passiert ist, mir scheint, als hätte jemand auf Vorspulen gedrückt. Die Männer hingegen sind immer noch komplett angezogen und fast habe ich das Gefühl, sie haben ein bisschen Respekt davor, richtig loszulegen.
Aber ich sage mir, dass es nicht meine Verantwortung ist, den Abend zu koordinieren, zu kontrollieren. Und lasse los. Finde mich dann im Bett wieder. Zwei Männer, das bedeutet nicht nur vier Hände, sondern auch zwei Schwänze. Und was soll ich sagen, ich liebe es. Einen zwischen den Beinen zu haben, den anderen im Mund, das ist so ziemlich alles, was ich will. Und das ist es auch, was wir im Wesentlichen machen, in verschiedenen Stellungen, mal ist der eine hier, mal der andere da.
„Und ziemlich oft schließe ich die Augen und weiß nicht mehr, wer gerade wo ist.“ -
Was ich außerdem mag, ist die Art, wie beide Männer über mich reden, während sie mit mir machen, was sie wollen. Eingeschworen, mit einer der Situation irgendwie schon fast unangebrachten, surrealen Lockerheit. Es fühlt sich so großartig verdorben an, dass ich mich am Ende dann doch zu etwas hinreißen lasse, was eigentlich in einen Porno gehört. Ich bitte beide, in mein Gesicht zu kommen. Ich muss sie nicht zweimal fragen. Ich mag das Verschworene an dieser Geste. Dieses absolut Verdorbene. Und vielleicht will ich auch, dass sich bei ihnen ebenfalls eine Szene ins Gedächtnis brennt, die sie die nächsten Tage begleitet.

Später liegen wir zu dritt auf den weißen Laken und chillen. Spielen mit dem iPad herum, das den Raum in verschiedene Farben tauchen kann. Dieser Raum fühlt sich an wie eine kleine Zeitkapsel, in der man alles andere vergessen kann. Ein Ort für Abenteuer. Ein Ort, der den Alltag aus Beziehungen verscheuchen kann. Ein Ort, der vielleicht sogar Ehen retten kann. Aber gerade in diesem Moment, an diesem späten Sonntagabend zwischen zwei Männern, bin ich ziemlich froh, dass meine Ehe nicht mehr gerettet wurde.
Fotos: Chris Zielecki für Room8