Das habe ich dieses Jahr unter anderem gelernt:
Erstens:
Ich werde immer wieder kriseln und mich daraus neu zusammensetzen.
Der Satz ist ein Zitat von Giulia Enders. Genau, der „Darm mit Charme“-Bestsellerautorin. Ich habe sie vor ein paar Jahren interviewt und da sagte sie ihn zu mir. Damals dachte ich: Joa. Dieses Jahr hingegen erkannte ich: In diesem Satz steckt so viel Wahrheit!
Früher war ich der Meinung: Irgendwann ist man fertig als Mensch. Wie ein Kuchen, der eine gewisse Backzeit hat. Ich dachte: Ah, jetzt weiß ich, wie ich ticke, jetzt kenn ich mich gut, meine Schwächen und Stärken, weiß, was ich tun muss, damit es mir gut geht. Doch dann tat ich wieder das Gegenteil, nicht in großen Stücken, eher in Krümeln, die sich anhäuften: lud mir zu viel auf, sagte zu oft Ja, kam ins Stolpern und ertappte mich kopfschüttelnd über mich selbst.
Vor ein paar Wochen lag ich nachts wach. Alleine im Bett, den schnarchenden Mann hatte ich ins Gästezimmer geschickt, und machte das Licht an. Drei Uhr. Erst schimpfte ich mit mir, was das denn jetzt solle. Ich hätte so viel um die Ohren, müsste morgens fit sein, um drei Uhr nachts aufzuwachen, passe da gar nicht in den Plan. Dann dachte ich: Sei endlich deine eigene beste Freundin, sei dir nicht auch noch böse. Ich nahm zwei Zettel und schrieb auf den ersten groß „Was mir guttut“. Und auf den anderen „Was mir nicht guttut“. Ich hatte es in den wilden Wochen davor irgendwie vergessen. Es baute sich ein Gefühl in mir auf, dass etwas nicht stimmte, ich nicht richtig bei mir war, aber es fehlte mir die Zeit, mich darum zu kümmern.
DREI UHR NACHTS SCHIEN MEINEM UNTERBEWUSSTSEIN DER PERFEKTE ZEITPUNKT, UM ZU KLÄREN, WAS SCHIEFLIEF IN MEINEM LEBEN.
Ich füllte beide Listen schnell mit Punkten und bei jedem dachte ich: „Stimmt, weiß ich doch eigentlich! Warum tue ich es nicht?“ Weil ich mich verlaufen hatte. In meinem Job habe ich täglich mit sehr, sehr vielen Menschen zu tun – on- und offline. Permanent bekomme ich Informationen, Fragen, muss ich auf Situationen reagieren und manchmal verlier ich mich und meine eigenen Bedürfnisse in dieser lauten Wolke aus Geräuschen und vermeintlichen Dringlichkeiten. Ich habe mir Techniken angeeignet, wie ich verhindern kann, mich darin zu verlieren (nicht sofort antworten, klar Nein sagen, delegieren und mehr), aber es klappt eben nicht immer. Es gibt ja auch noch eine private Geräuschwolke.
Was ich gelernt habe, ist, mir nicht auch noch böse zu sein, wenn ich mich mal wieder verlaufe. Ich erinnere mich stetig daran, mir selbst meine beste Freundin zu sein und zu tun, was ich bei Freundinnen in Not tun würde: „Komm“, würde ich sagen, „nimm meine Hand, wir gehen einfach ein Stück zusammen.“