Job & Finanzen
Ein Lunch-Date mit Marina
Wieso genau jetzt der richtige Zeitpunkt zum Kündigen sein kann, weiß Karrierekolumnistin Marina Schakarian.
von Marina Schakarian - 17.03.2021
Die Audiodatei findet ihr am Ende des Textes.
        
Vor genau einem Jahr hat Corona bei unserem gewohnten Leben auf Pause gedrückt. Auf der Strecke geblieben sind regelmäßige Treffen mit Freund*innen, entspannte Feiern und das alltägliche Büroleben. Der Schmerz sitzt tief, aber auch die Hoffnung, dass es ein Leben nach Corona geben wird, wo wir uns wieder unbeschwert umarmen, im Café den Kuchen teilen und ausgelassen auf großen Hochzeiten tanzen.
Doch wollen wir auch zurück in unsere alte Jobnormalität? Jeden Morgen ins Büro pendeln, täglich acht bis neun Stunden in Großraumbüros mit Kolleg*innen verbringen, die wir vielleicht nicht mal mögen, und nach Feierabend erst mal im Stau stehen? Work-Life-Balance war gestern. Oder vorgestern. Denn das Life, das wir bisher als Ausgleich zum Job hatten, existiert gerade nicht: kein Ausgehen, kein Reisen, kein ausschweifendes Büroleben und somit nicht mal räumlicher Feierabend.
Das, was wir jetzt anstreben sollten, ist eine Work-Life-Integration. Denn Arbeit und Leben können und müssen sich nicht ausgleichen wie Plus und Minus, sondern miteinander klarkommen. Gerade jetzt hast du die Möglichkeit, dein Arbeitsleben genau zu analysieren und auf den Prüfstand zu stellen. Denn das, was von deinem Job – im leeren Büro oder im Homeoffice zwischen Bett, Wäscheständer und Homeschooling – übrig geblieben ist, ist die Essenz deiner Arbeit. Corona hat radikal den Schleier der Gewohnheit, bestehend aus Witzen in der Kaffeeküche und seichten After-Work-Drinks, gelüftet. Und lässt dich klar und nüchtern sehen.

„Wie gut ist das, was übrig bleibt?“ -

Wie gut gefällt dir deine Arbeitsessenz? Und wie gut ist dein Job mit deinem Leben vereinbar? Du kannst deinen Arbeitgeber gerade in einem anderen Licht betrachten: Wie fürsorglich geht er mit dir und deinen Bedürfnissen um? Wie viel Vertrauen wird dir entgegengebracht? Herrscht tatsächlich Vertrauensarbeitszeit oder doch eher Stechuhr-Attitüde? Wie flexibel kannst du dir deine Zeit einteilen und wird Leistung in konkreten Zielen gemessen oder mit Zeitabsitzen verwechselt?
Mich hat die Pandemie mitten im Wiedereinstieg nach der Elternzeit erwischt, was für mich arbeitszeittechnisch aber ein Segen ist: Ich kann morgens maximal die Zeit mit meiner Tochter auskosten, ohne zur Arbeit pendeln zu müssen, denn der Job ist nur eine Zimmertür entfernt. Ich genieße die Flexibilität, meine Arbeit und die Termine so zu legen, dass ich auch mal mit Mann und Kind lunchen oder einen Kaffee trinken kann. Eine neue Flexibilität, die ich auch nach der Pandemie gerne zum Teil behalten wollen würde.
Betrachte auch mal deine Jobaufgaben: Erfüllen sie dich oder erfüllst du sie tagtäglich aus bloßer Gewohnheit? Hast du das Gefühl, du hast Wachstumsmöglichkeiten?   
Wenn du dir diese Fragen beantwortet hast, kannst du handeln. Grundsätzlich solltest du nach dem Mantra verfahren: Love it, change it or leave it. Wenn deine Betrachtung, trotz einiger Ermüdungserscheinungen oder Schwachstellen, positiv ausfällt oder du einen anderen Fokus, wie zum Beispiel das Gehalt oder deine Familie wählst, bist du bei „love it“ mit dabei. Oder du gehst den Change-Prozess an. Dafür kannst du die Dinge in die Hand nehmen, dich also zum Beispiel beim Arbeitgeber aktiv für eine positive Veränderung einsetzen.
Dafür ist es umso besser zu wissen, wo deine Kritik oder Unzufriedenheit herkommt: Willst du mal wieder eine neue Herausforderung wie eine andere Aufgabe oder findest du die Tätigkeit an sich prima, aber kannst sie im aktuellen Team nicht richtig ausleben? Dann kann es helfen, ein offenes Gespräch mit dem*der Chef*in zu führen. Um dich vorzubereiten, setze dir ein Ziel für das Gespräch. Natürlich solltest du deine Forderung klar und deutlich rüberbringen, aber der Fokus des Gesprächs sollten deine Fähigkeiten und Leistungen sein, die du proaktiv in ein gutes Licht rückst – kein In-die-Ecke-Drängen des Chefs oder der Chefin.
Du musst auch nicht sofort das Gespräch suchen, sondern kannst dir erst ein paar Tage oder Wochen Vorbereitungs- und Beobachtungszeit nehmen. Aus der Analyseperspektive können auch unliebsame Tätigkeiten spannend werden. Notiere täglich, was du bewältigst und leistest, wo du noch mehr reingehen könntest und was die Aufgaben sind, die dir am meisten Spaß machen. Und lass die Reaktion deines Chefs bzw. deiner Chefin in eurem Gespräch auch in deine Bewertung miteinfließen.
Wenn du nach der Analyse merkst, dass es die großen Punkte sind, mit denen du unzufrieden bist, also Elemente, die entweder fest in der Kultur des Unternehmens, im Zwischenmenschlichen oder in der Tätigkeit an sich verankert sind, kann genau jetzt ein guter Zeitpunkt sein, zu gehen. Oder es zumindest in Erwägung zu ziehen.
Durch die Pandemie sind wir, was den Arbeitsort betrifft, so frei wie nie. Und mitten in einem Wandel, hin zu mehr digitaler Arbeit. Viele Arbeitgeber haben auf ausschließliches Homeoffice umgestellt und werden dem auch nach Corona offener gegenüberstehen als davor.

„Egal wo du gerade wohnst, erweitere deinen Suchradius mal radikaler.“ -

Es können sich so ganz neue Joboptionen ergeben. Vielleicht kannst du in ein Unternehmen am anderen Ende Deutschlands – oder der Welt – reinschnuppern, ohne gleich alle Zelte abbrechen und mit Kind und Kegel umziehen zu müssen. Die Pandemie gibt uns die Möglichkeit, beruflich zu wachsen und mutig zu sein. Klingt gewagt? Die Krise trifft viele Branchen hart, keine Frage. Aber sie offenbart auch neue Geschäftsbereiche. Themen rund um die Digitalisierung boomen. Was erst mal technisch klingt, heißt aber, dass alle klassischen Tätigkeiten in Kombination mit den Mitteln des Internets ganz neue Potenziale offenbaren.

„Welche weiteren Möglichkeiten bieten sich durch die Digitalisierung?“ -

Ob digitales Lernen, Firmenevents oder Teambuilding durch Zoom und neue Formen der Beziehungspflege – wir haben die Chance, kurzfristig in diesen Bereichen viel zu lernen und am lebenden Objekt direkt auszuprobieren.
Raus aus dem „Das haben wir schon immer so gemacht“-Hamsterrad, rein in neue, digitale Gefilde.
In Zeiten der Unsicherheit klammern wir uns gerne an das, was wir kennen und was schon irgendwie läuft. Auch wenn eigentlich der cholerische Chef schon länger aufs Gemüt schlägt, die Aufgaben langweilen und die Kolleg*innen nerven – hat man sich ja im Alltag damit arrangiert. Trotzdem kann genau jetzt die Chance sein, mal all den alten Ballast abzuwerfen und sich nach einer neuen Jobzukunft umzuschauen. Wenn du noch immer unsicher bist, habe ich noch zwei Anstöße für dich. Lass dir zum einen gesagt sein: Für große Entscheidungen wirst du dich nie zu 100 Prozent bereit fühlen.
Und zum anderen möchte ich dich ermutigen, deinen Ängsten und Unsicherheiten mal direkt ins Auge zu blicken: Stelle dich deinem größten Jobhorror. Bei einigen ist es eine fristlose Kündigung, bei anderen, ein Bewerbungsgespräch zu verpatzen oder im neuen Team keinen Anschluss zu finden. Stelle dir eine Situation bildlich vor, deine Gedanken und dein Verhalten und merke, dass davon die Welt nicht untergeht. Du kannst dadurch nur lernen und gewinnen. Mit diesem Trick kannst du Erwartungs- und Versagensängste runterschrauben und der Zukunft aktiv und positiv entgegenblicken.
Einer Zukunft, die zwar, wie wir wissen, nicht vorhersehbar ist, aber der du voll und ganz gewachsen bist.
        
Die Audiodatei gibt es hier zum Download.

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