Immobilien & Wohnen
Willkommen im Eckbüro
Für Marlene Sørensen ist dieser kleine Arbeitsplatz ein großes Glück.
von Marlene Sørensen - 08.12.2020
Diesen Text gibt es auch als Audio-Artikel. Zum Hören ans Ende des Artikels scrollen.
„Das kann ich jetzt echt nicht machen.“
„Aber du brauchst einen Arbeitsplatz.“
„Ist es nicht ein wenig verrückt, in diesem Jahr so viel Geld in die Hand zu nehmen? Wer weiß, wie es 2021 weitergeht ...“
„Aber du brauchst einen Arbeitsplatz.“
„Ich könnte doch etwas Günstigeres finden.“
„Was dir dann nicht wirklich gefällt, sodass du weiter am Esstisch hockst.“
„Oder warten, bis auf Kleinanzeigen ein schönes Vintage-Modell auftaucht.“
„Du wartest jetzt schon seit vier Jahren.“
„Aber, aber, aber …“
„Aber du brauchst einen Arbeitsplatz.“
So in etwa klang das Gespräch, das ich vor gut einem Monat mit mir selbst führte. Am Ende hat sich das „Aber“ durchgesetzt und nun schreibe ich diesen Text an meinem neuen Arbeitsplatz, der Shelf Library aus Eichenholz mit Schreibtischplatte von Frama – ein Gefühl, als sei ich nach Jahren im Großraum ins Eckbüro eingezogen.
Zur Erklärung, warum ich mir das geleistet habe, und auch, warum ich die Entscheidung nicht bereue, sollte ich erwähnen, dass ich seit knapp zwölf Jahren im Homeoffice arbeite. Vier davon in unserem nun nicht mehr ganz so neuen Zuhause, in denen ich an einer Ecke des Esstisches im offenen Familienzimmer saß, das Wohn- und Esszimmer plus Küche ist und bis vor kurzem eben mein Büro war.
So war das nicht geplant. Die Abmachung mit meinem Mann, der nämlich auch bei uns zuhause arbeitet, war: Wir sparen uns nach dem Umzug ein Jahr lang das Geld, das ein Atelier kosten würde, dann ziehe ich in das Zimmer, in dem er sitzt (Im gleichen Zimmer können wir nicht arbeiten. Erstens: Er braucht Platz für seine Schnittmuster, sitzt zudem an einer Nähmaschine und hört darüber hinaus am liebsten Cricket Live im Radio. Es mag Schreiber geben, die unter diesen Bedingungen brillante Texte verfassen können. Ich kann es nicht. Zweitens:

„Ich würde gerne mit meinem Mann zusammenbleiben. Säßen wir im gleichen Raum, wäre das bald ein Trennungsgrund.“ -

Aus diesem ersten Jahr wurde dann ein zweites, weil sich nicht das passende Atelier fand, das von den Fahrtwegen in unsere Familienrouten gepasst hätte. Ein drittes – durch finanzielle Engpässe. Jahr vier brachte: Corona.
Ich habe also, wenn ich mich hier mal kurz als Top-Teamplayer loben darf, sehr lange Geduld gehabt und mir immer wieder gut zugeredet, noch ein wenig durchzuhalten – obwohl es mich seit Jahren nervt, dass ich nie die Möglichkeit hatte, mich abzugrenzen, und immer inmitten des Familienlebens saß. Denn mein Vorhaben, stets mein Arbeitsgerät zu verstauen, damit wir idyllisch um den Abendbrottisch zusammenkommen konnten, gelang auch vor Lockdowns und Quarantäne so gut wie nie. Stattdessen: meist zwei aufgeklappte Laptops, Unterlagenstapel, Kabelsalat.
„Wenigstens mag ich meine Arbeit“, sagte ich mir.
„Ein Ende des Esstisches reicht doch für uns drei“, sagte ich mir.
„Geht schon“, sagte ich mir.
Bis es dann plötzlich nicht mehr ging.
Vor gut einem Monat hatte ich meine erste Panikattacke. Ich habe mich gefragt, und frage mich auch jetzt noch, ob ich das hier aufschreiben soll. Nicht weil es mir unangenehm wäre, sondern weil ich nicht den Eindruck erwecken möchte, dass dieser komplexe und komplizierte Moment in meinem Leben mit der banalen Anschaffung eines Schreibtisches zu lösen war. So einfach ist das nicht. Es hat schließlich mehr zu diesem Moment geführt als der bloße Mangel eines vernünftigen Arbeitsplatzes. Ich erzähle es euch jetzt aber trotzdem, denn der Beschluss, in mein persönliches Eckbüro zu ziehen, war der erste Punkt auf meinem Plan, wie ich mit der großen Überwältigung fertigwerde, die ich immer wieder spüre. Und dadurch nämlich doch mehr als ein Schreibtisch, sondern ein Symbol dafür, mir den Platz einzuräumen, den ich brauche.
Ich hatte dann schon diverse Kleinanzeigen-Alerts für dänische Vintage-Schreibtische aktiviert und mich gleichzeitig nach günstigeren Ideen umgeschaut, als nicht nur meine innere Stimme, sondern auch Steffi fragte: „Aber was willst du denn wirklich?“
Frama war die Antwort – und Xenia von Minimarkt hat sich dann so toll und schnell um die Bestellung in Dänemark gekümmert, dass ich’s mir nicht noch mal anders überlegen konnte.
Hätte ich auch nicht, wenn’s ein paar Tage länger gedauert hätte. Denn er passt perfekt in die Ecke des Schlafzimmers, wo bisher ein Spiegel stand, der einfach an die gegenüberliegende Wand gezogen ist.
(Nebenbei: Würde ich mich mit Feng-Shui auskennen, wüsste ich vermutlich, dass es eine absolute Katastrophe ist, in Bettnähe zu arbeiten. Kenne ich mich aber nicht. Und bisher hatte ich auch kein Bedürfnis nach ständigen Nickerchen.)
(Ach, und falls sich jemand fragt, warum auf diesen Fotos nicht das ganze Zimmer zu sehen ist: Der Grund ist selbstverständlich, dass ich den Schlafbereich bei der Arbeit mental komplett ausblende, und nicht etwa, dass das Bett an dem Tag mit Rücksendungen aus der Dezember-Kolumne und allerlei anderer Unordnung bedeckt war, nein, nein, auf keinen Fall.)
Vom Bett als Paketablage mal abgesehen: Um den Schreibtisch herum habe ich es mir so eingerichtet, dass ich selbst für möglichst wenig Chaos sorgen kann. Im Zeitschriftenhalter, der nicht an der Wand, sondern so am Kleiderschrank montiert ist, dass er vom Rest des Zimmers kaum sichtbar ist, verschwinden Ladekabel und anderer technischer Kleinkram. Er ist auch meine Postablage, Aufbewahrungsplatz für den Kalender und Sammelstelle für alles, was unter „Muss abgeheftet werden“ fällt. Die Fächer sind so schmal, dass ich mir einbilde: Das zwingt mich dazu, öfter die Ablage zu machen und damit den wandernden Papierstapel des Grauens zu minimieren (sämtliche Ordner sind in zwei Sideboards im Familienzimmer untergebracht).
Da es in dieser Ecke des Zimmers keine leicht zugängliche Steckdose gibt und ich verhindern wollte, Kabel plus Mehrfachstecker durchs halbe Zimmer zu legen, hat mein Mann James ein Loch in die Schrankrückwand gebohrt – den Zugang zur Steckdose (James hat auch die Lampe neu verkabelt, die Wand frisch gestrichen und den Schreibtisch montiert. Hätte ich vielleicht selbst gekonnt, aber sicher nicht so präzise, denn für so was fehlt mir die Geduld. Und wisst ihr was? Es hilft, wenn auch der andere ein Top-Teamplayer ist).
James hat mir auch den Mehrfachstecker geschenkt, der, nun ja, ganz schön sexy ist. Gerade gedacht:

„Sollte man Partnerschaften statt in Jahren in Geschenken rechnen?“ -

Wir sind definitiv in den durchaus glücklichen Mehrfachsteckerjahren unserer Beziehung. Zu dem noch mal zurück: Drei Ausgänge, zwei USB-Ports und ein Magnet, sodass man ihn auch an der Wand anbringen könnte. Bei mir liegt der Würfel einfach auf dem Boden. Darüber: die Lampe, die als Lichtquelle den Schreibtisch optisch vom übrigen Zimmer trennt.
Was mir noch fehlt: ein paar Magnetstreifen über dem Zeitschriftenhalter. Wir haben zwar eine große Notizwand in der Küche für alle Terminzettel und Telefonnummern, aber ich hätte gerne meine private Erinnerungswand. Ich brauche auch einen Schreibtischstuhl, viel mehr aber nicht.
Und viel mehr, als auf diesen Fotos auf meinem Schreibtisch steht, soll hier auch gar nicht hin. An der Schreibtischplatte ist nicht furchtbar viel Platz, doch gerade das gefällt mir: Rechner, ein paar schöne Notizblöcke und mich, mehr braucht’s hier nicht. Weniger Fläche, weniger Kram, weniger Unordnung. Alles, was in den Regalen darüber stattfindet, soll keine weitere Funktion erfüllen, außer der, mir Freude zu machen. Es ist eine Sammlung schöner Dinge mit Bedeutung: Bücher, die ich gerade lese oder an die ich einfach oft denken will, mein Lieblingsduft, Familienfotos, ein Print, den James mir zum 40. Geburtstag gemacht hat, eine Nymphenburg-Tasse, die mal ein überraschendes Geschenk war, oder eine kleine Box von Hermès für meine Stifte. Weil die Frau, die an diesem Schreibtisch sitzt, selbstverständlich ihre Stifte in einer Hermès-Box aufbewahrt.
Und die jetzt den Rechner zuklappt, um schlafen zu gehen. Ich hab’s ja nicht weit.

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