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Dieser Text soll kein Pamphlet darüber werden, ob heiraten feministisch ist. Ist es nicht. Ich habe vor zweieinhalb Jahren trotzdem geheiratet. Weil mein Mann an Heiligabend einen Verlobungsring mit einem Mondstein in einem Waffeleisen versteckt hatte. Korrekt, ich bekam ein Küchengerät geschenkt. Aber auch korrekt: Ich hatte es mir gewünscht. Den Mondstein hat er übrigens ausgewählt, weil die Verkäuferin ihm erklärt hatte, dass dieser bei Periodenschmerzen unterstützend wirken könnte, und ich glaube kaum, dass es hier noch romantischer wird!
Dabei wollte ich sehr lange gar nicht heiraten.
Zuerst, weil ich mir kein Recht nehmen wollte, das homosexuellen Paaren so lange verwehrt geblieben ist. Erst seit 2017 (!) dürfen die nämlich auf der gleichen rechtlichen Ebene heiraten wie heterosexuelle Paare dies schon seit Jahr und Tag zelebrieren. Das bedeutet übrigens nicht, dass sie auch gleichberechtigt Kinder kriegen können, wie wir im aktuellen Prozess um die Änderung des Abstammungsrechtes sehen können: Das Oberlandesgericht Celle hat die Entscheidung gerade an das Bundesverfassungsgericht weitergegeben. Hintergrund: Verena Akkermann und Gesa Teichert-Akkermann sind Eltern geworden. Als biologische Mutter eingetragen ist nur Gesa. Verena Akkermann müsste die Tochter adoptieren, um ebenfalls ihre „offizielle“ Mutter zu sein. Klingt ungerecht? Ist es auch.
Unser Kind kam schon vor der Hochzeit – und alles, was mein Mann tun musste, war, beim Jugendamt die Vaterschaft anzuerkennen. Wären wir da schon verheiratet gewesen, hätte er selbst das nicht tun müssen. Vor dem deutschen Gesetz ist der Ehemann immer automatisch der Vater. Hach, wenn das Leben immer so einfach wäre.
Stichwort einfach. Mein Hochzeitskleid hat mich quasi angesprungen. Nachdem ich mich allen traditionellen Anprobezeremonien konsequent verweigert hatte, spazierte ich eines Tages an einem Schaufenster vorbei und wusste: Das ist es. Ich habe dann zum Gefallen meiner Mutter, die beim Kauf dabei war, noch vier andere anprobiert und sah entweder aus wie eine Neunjährige bei ihrer Kommunion oder eine Neunzehnjährige beim sommerlichen Abschlussball und beides war irgendwie niedlich, aber nicht das, was ich wollte. Mein Kleid war knielang, bisschen Boho, bisschen Spitze und genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Aber: Wusstet ihr, wie viele Regeln es bezüglich des Outfits einer Braut zu beachten gilt? Klar, es muss weiß sein – das haben wir schon mal gehört. Warum?
Weiß ist die Farbe der Unschuld und Reinheit. Und Bräute sind selbstverständlich immer unschuldig, zwinkizwonko.
Das war nicht immer so. Im 16. Jahrhundert heiratete man in einem schwarzen Kleid – diesen Trend setzte das streng katholische spanische Königshaus. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts trugen Bräute sowieso einfach ihr „Sonntagskleid“, also das Beste, das sie im Schrank hatten – und das war eben oft schwarz und natürlich abhängig von Tracht und Religion. Queen Victoria, die alte Trendsetterin, trug 1840 zu ihrer Hochzeit ein cremefarbenes Kleid und eine Blumenkrone. High Five, Victoria! Und das war der Startschuss für das weiße Hochzeitskleid, wie wir es heute kennen. Denn: Weiß bedeutete damals einfach Reichtum – weiße Kleider waren schwer zu reinigen. Erst im Laufe der Zeit erfuhr die Farbe eine Umdeutung hin zur Keuschheit und Unsterblichkeit (schön wäre es).
Weiter geht’s: Die Braut darf keine Uhr tragen. Denn sie soll zeitlos sein. Ich wünschte, das wäre ein zuverlässiges Antifaltenmittel. Und auch keine Perlen – denn sie stehen für die Tränen in der kommenden Ehe. Pro Perle vergießt die Braut eine Träne in der Ehe. Vergesst bitte nicht: Frauen müssen immer lächeln! Bloß nicht weinen. Also keine Perlen. So. Etwas Geliehenes, etwas Altes, etwas Neues, etwas Blaues, etwas Rosafarbenes. Kennen wir alles. Habe ich alles nicht gehabt. Ich sag’s, wie es ist: Ich habe sogar Perlen getragen. Aber keine echten (sind das dann auch falsche Tränen?).
Wer sich sorgt, dass es in der Ehe finanzielle Probleme geben könnte, sollte sich ein Centstück in den Brautschuh legen. Das ist nicht bequem? Ich bitte euch – nichts, nichts von dem, was eine Braut an dem schönsten Tag ihres Lebens tun oder tragen sollte, ist annähernd bequem.
Ich setze ja eher auf ETFs, aber ärgere mich jetzt trotzdem ein bisschen, dass ich diese einfache Lösung zur Vorsorge nicht schon vor der Hochzeit kannte.
Wobei – ob meine weißen Converse als richtige Brautschuhe für den Brauch durchgegangen wären, wage ich auch zu bezweifeln.
Kommen wir von den Kleider- zu den Verhaltensregeln. Dass der Mann die Braut vor der Zeremonie nicht sehen darf, wissen die meisten vermutlich schon. Aber warum? Früher waren Hochzeiten kein Akt der Liebe oder des Steuervorteils, sondern quasi geschäftliche Angelegenheiten zwischen zwei Familien. Je reicher und höher in der Hierarchie, umso wichtiger die Konstellation. Der Bräutigam wurde mithilfe dieses Brauchs und des Schleiers vor dem Gesicht der Frau davon abgehalten, sich im letzten Moment umzuentscheiden, falls ihm die Braut doch nicht gefallen sollte. Falls ihr euch an dieser Stelle fragt, ob die Braut möglicherweise vielleicht auch ein kleines bisschen mitzureden hat bei dieser Angelegenheit: nein.
Sie hingegen darf sich in der Kirche nämlich nicht umsehen – um nicht einen anderen Mann zu entdecken, der Matt Czuchry vielleicht doch etwas ähnlicher sein sollte als der Typ aus dem anderen Königreich da vorne am Altar. Mein Mann hat mir zuhause den Reißverschluss hochgezogen und dann sind wir in das Carsharingauto gestiegen, um nicht in der Straßenbahn das Outfit im letzten Moment zu versauen. Auf dem Weg habe ich trotzdem mal durch die Gegend gelinst, aber niemanden mehr gefunden, den ich lieber geheiratet hätte.
Im Vorfeld haben auch wir darüber diskutiert, wie wir „das mit dem Namen“ machen. Wobei es von meiner Seite nicht viel zu diskutieren gab. Ich habe meinen Namen behalten. Es gibt keinen besseren für mich (kleiner Hinweis an dieser Stelle: LaGrande ist mein Künstlerinname). Der Mann hatte also die Wahl. Und er hat sich mit der Wahl bis zu dem Moment, als der Standesbeamte uns danach gefragt hat, Zeit gelassen. Er hat seinen dann auch einfach behalten. Diese Möglichkeit gibt es übrigens erst seit 1994. Da wurde das Namensrecht offiziell geändert und seitdem dürfen Eheleute ihre jeweiligen Nachnamen behalten – und sich auch noch nach der Eheschließung irgendwann für einen gemeinsamen Namen entscheiden. Nur für die Kinder muss man sich schon vor der Geburt festlegen – und zwar für alle Kinder. Die müssen dann nämlich alle den gleichen Nachnamen bekommen.
Vor 1958 wurde der Nachname des Mannes automatisch Familienname. Danach konnte die Frau ihren Nachnamen zumindest anhängen. Erst seit 1976 ist es Ehepaaren gestattet, auch den Nachnamen der Frau als gemeinsamen Familiennamen zu führen. Trotzdem wählen über 90 Prozent der heterosexuellen Eheleute auch heute als gemeinsamen Namen den des Mannes. Dieses Thema lässt Kommentarstränge explodieren und ruiniert Freundschaften, von daher belasse ich es bei der Information. Aber wer mich kennt, weiß auch: Das Private ist politisch.
Und niemand kann mir erzählen, dass 90 Prozent der Männer-Nachnamen schöner klingen als die der Frau.
Auch wenn sich in Sachen Namenswahl in den letzten Jahren nicht viel getan hat, einen – quasi aufgezwungenen – großen Trend gibt es: die Mikrohochzeit. Den Begriff habe ich beim britischen Stella Magazin gefunden. Covid-19 sorgt dafür, dass Menschen so klein wie möglich heiraten. Selbst das Hochzeitskleid wird immer häufiger nur ausgeliehen. Keine Blumen, keine große Location, keine Party. Gefeiert wird seit 2020 nur im kleinsten Familienkreis – dafür mit allerfeinstem Essen (kann man sich mit weniger Gästen umso mehr leisten). Das hat große Auswirkungen auf die Industrie – und ist am Ende sogar nachhaltiger.
Ich kann mir vorstellen, dass sich viele Leute ihre Hochzeit dennoch ganz anders vorgestellt haben, aber für mich klingt das traumhaft. Ich wollte weder den Baumstamm zersägen (erstes Hindernis, das es für die Ehe zu überwinden gilt) noch die Torte anschneiden und tanzen kann ich auch nicht. Wir haben damals nach dem Standesamt einfach bei Kaffee und Kuchen in einem kleinen Theater in unserem Viertel gefeiert. Und in der Einladung ausdrücklich darum gebeten, sich so zu kleiden, wie man sich wohlfühle.
Draußen rauschten die Skater in der Oktobersonne über den Platz und wir winkten königlich vom kleinen Balkon herunter. Danach gab’s nur für die Familie Tapas im Lieblingsrestaurant. Wir beendeten den Abend mit einem Bier am Kiosk und später tanzend auf einer 90er-Party. Kleid und Blumenkranz hatte ich zu dem Zeitpunkt lange abgelegt, aber ich bin sicher, das wäre ganz in Queen Victorias Sinne gewesen.
Toller Artikel! Bitte mehr schöne, kluge und witzige Texte à LaGrande
@Lena Krämer: Sind in der Mache! 🙂 Herzlich, Steffi
Liebe Ninia!
Ich danke dir für deinen herrlich authentischen und wunderbaren Artikel.
Wenn ich mir überlege wie das alles bei mir war vor 25 Jahren. Da wurden viele Dinge, die du angesprochen hast, gar nicht diskutiert. Waren schon immer so, hat jede:r so gemacht,… . Ich bedauere das bis heute in meinem persönlichen Fall gar nicht, freue mich jedoch so sehr, dass sich auch da vieles im Wandel befindet und das finde ich wichtig und absolut auch bereicherend.
Danke dir fürs Transparent und Aufmerksam-Machen.
Mein Brautkleid hing auch da und ich wusste, das ist es. Habe dann auch, wie du, fürs Gewissen, die Freundin, die Mama noch ein paar weitere probiert um dann zum ersten zurückzukehren.
Wundervoller Artikel.
Ich gehöre zu den wenigen, deren Mann meinen Nachnamen trägt. Ich wollte meinen nie abgeben und habe dies immer so gesagt. Höchstens Doppelnamen vielleicht. Ihm war es egal und somit war die Sache klar.
Hie und da mussten wir das noch erläutern. Er begründete das auf einer Party mal ganz lapidar mit „Alter, ganz easy eine komplett neue Identität!!“ und bei diesem Satz konnte man bei den Anwesenden, unverheirateten Herren reihenweise wortwörtlich die „Glühbirne“ über dem Kopf aufleuchten sehen.
Okay, ich habe es doch gelesen und muss sagen, das Thema triggert mich, die Heiratsversehrte, immer noch hart. Trotzdem – schön geschrieben und sehr informativ, vieles wusste ich tatsächlich schon, einiges noch nicht. Und ich habe auch mal eine Microhochzeit gefeiert, lange vor Corona, gefolgt von einer Macroscheidung. Vielleicht sollte ich darüber mal schreiben and finally get over it noch ein großes Kompliment für deine Outfit-Wahl, das Kleid ist einfach wunderschön und nichts passt dazu besser als Chucks!
Vielen Dank für die Beschreibung der Traditionen und ihrer Herkunft. Als Hochzeitsrednerin spreche ich häufig mit Paaren, und vor allem Bräuten, über genau solche Hintergründe. Aber genau vor diesem beruflichen Hintergrund, will ich der Grundthese widersprechen. Gerade mit einer Freien Trauung oder nur Standesamt kann eine Trauung sehr wohl feministisch sein. Das Traurige ist nur, dass die Chance unkonfessionelle Trauungen wirklich frei zu gestalten, sich a) niemand wirklich traut und b) das Bild der idealen Traumhochzeit der meisten Bräute auch noch so derbe viel unfeministischer ist als es traditionelle Eheschließungen sind, dass die Feministin in mir tobt und weint (nein, „traditionell“ bringt nicht der Vater die Braut zum Altar und „traditionell“ sagen Braut und Bräutigam zur Vermehlung die selben Worte.) Und das finde ich durchaus ein Problem. Hochzeiten sind wunderschön, wichtig und richtig. Gerade Grenzschließungen in der Pandemie haben die Bedeutung der Ehe als gesellschaftliche Institution wieder verdeutlicht. Aber das, was sich viele Bräute zutiefst wünschen gruselt mich bisweilen.
Ich habe letztes Jahr geheiratet. Zur Vorbereitung (weil Corona und überhaupt, Tipps können nicht schaden) bin ich in Facebook in zwei Hochzeitsgruppen eingetreten. Ich hatte sehr viele WTF-Momente. Die Erfahrung von Marina habe ich in diesen Gruppen zum Teil auch gemacht. Was da für Vorstellungen und Wünsche kursieren… Eigene Vorstellungen wie man den Tag gestalten will gibt es kaum, nur 0815-Standard – das aber als “der schönste Tag in meinem Leben”. Jegliche Abweichung davon löst mittlere bis große Krisen aus. Die Argumentationen zum Teil erschreckend (“Bräutigam muss xyz zustimmen, egal, ob es ihm gefällt, es geht ja um die Braut!!!”).
Unsere Hochzeit war ein Kontrastprogramm: Mit 30 Personen, davon nur 7 Personen aus der Familie. Vormittags die Trauung, dann ein Brunch, gefolgt von einer Stadtführung, abends Tapas essen und Cocktails trinken. Es war wundervoll. Mein Mann und ich konnten uns mit allen Gästen unterhalten, den Tag genießen und hatten unglaublich viel Spaß.
Für so manche Braut würde ich mir wünschen, dass sie reflektiert, warum sie heiraten will und worum es eigentlich geht. Das nimmt ganz viel Stress aus der Planung und entspannt auch am Tag selbst.
hört sich toll an! alles richtig gemacht würd ich sagen
Soooo sooo gut – bei uns gab es keinen Heiratsantrag – sondern eine gemeinsame Entscheidung & der Rest war bis auf das Mietauto wie bei euch ☺️
Ganz toller Text und super eingesprochen. Ich hab dir total gern zugehört! Freue mich auf Weiteres von dir.
Oh, vielen Dank!
Ich liebe, liebe, liebe diesen Artikel . Danke für deine klugen Worte!
Vielen Dank – freut mich sehr!
Mit Abstand das Klügste, was ich über das Thema insgesamt je gelesen habe. GO NINIA. Herz, Elina
Danke dir <3!