Wonach ist dir heute?

1.) Kinder wissen, was wirklich wichtig ist.

Vergangene Woche lag bei uns vor der Haustür ein Paket selbstgebackene Haferkekse. Auf der Karte stand: Es ist Tag der Nachbarschaft! Mit einer fröhlichen Zeichnung von einem Kind. Das kann nur die neue zwölfjährige Nachbarin sein, dachte ich. Die hatte schon zu Ostern etwas Selbstgemaltes an alle Briefkästen geklebt. Einfach so. Was sie nicht weiß, aber vielleicht spürt: Die Bewohner des Hauses brauchen genau so etwas ganz besonders. Durch die dünnen Altbauwände fühlen sich viele voneinander gestört, gibt es viel schlechte Laune. Und so konnte man am Abend des Tages der Nachbarschaft geradezu den Köpfen beim Rattern zuhören: War das wirklich schlau wie man miteinander umging? Oder ist dieses kleine Mädchen nicht so viel schlauer als wir?

Die kleine K. ist meine Greta Thunberg für Nachbarschaftsliebe. Ich hab ihr ein Bastelbuch mit noch vielen weiteren Post-Ideen vor die Tür gelegt. Vielleicht macht sie ja weiter.

 

 2.) Ich bin dann wohl eine Feministin.

Bisher fiel es mir schwer, mich eine Feministin zu nennen. Weil man bei dem Begriff oft Dinge mitgeliefert bekommt, die man gar nicht möchte. Doch dann empfahl mir unsere Kolumnistin Franziska Simon das Buch “Dear Ijeawele – A Feminist Manicesto in Fifteen Suggestions” von Chimamanda Ngozi. Es hat nur 66 Seiten. Es kostet 6 Euro. In unter 60 Minuten hat man das durch.

In diesem Buch steht so viel Schlaues über Gleichberechtigung. Das meiste davon lebe ich genau so. Es ist schön von der Autorin daran erinnert zu werden und sich bewusst zu machen, wie man es weitergeben kann. Chimamanda Ngozi Adichie macht in diesem kurzen Manifest 15 Vorschläge, wie ihre Freundin, die sie um Rat bat, ihre Tochter feministisch erziehen kann.

Never apologize for working. You love what you do, and loving what you do is a great gift to give your child.

Sie rät auch dazu, auf die Sprache zu achten. Ein Vater hilft nicht mit, das Kind zu erziehen. Das würde bedeuten, nur die Mutter sei dafür verantwortlich. Beide sind gleichverantwortlich. Ein Mann braucht auch seiner Frau nichts zu erlauben. Er ist nicht der Kopf und die Frau der Nacken, wie viele es gern formulieren. Oder auch, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau steht. Oder andersherum. Nein, sie stehen gleichberechtigt nebeneinander mit exakt den gleichen Rechten und Pflichten. Und hier musste ich besonders schmunzeln, weil doch oft so getan wird, als müssten Frauen sich ums Kochen und den Haushalt kümmern: „The knowledge of cooking does not come pre-installed in a vagina.“ Kochen muss man(n) lernen.

Dieses Buch wird in die Kiste wandern, in der ich Dinge aufbewahre, die ich meinen Kindern später mitgeben möchte. Oder die sie an mich erinnern sollen, falls mir etwas passiert. So gut ist dieses Buch.

 

3.) Ich brauche eine Kannste mal…?-Pause.

Mein Emailfach und auch mein What’s App, Instagram ja eh, ist voll von „Kannste mal?“, „Haste mal?“, „Schickste mal?“. Ich helfe sehr gern. Nur vor lauter Weiterhelfen komme ich selbst gerade kaum weiter. Beruflich genau so wenig wie privat. Jedes „Kannste mir mal dies oder das schicken oder kennste nicht den oder die und wie hieß noch mal das?“ klaut mir meinen Fokus bei der Arbeit, Zeit mit meinen Kindern, Zeit für mich selbst, ein arbeitsfreies Wochenende.

Die Schwester Stefanie in mir, mit dem riesigen Helfersyndrom, schreit da natürlich: Aber du musst doch helfen! Mach ich ja auch, wenn es richtig wichtig ist. Wenn Google auch helfen kann, aber nicht.

Es gibt einfach Phasen im Leben, da muss man erstmal sich helfen. Weil nur man selbst das kann. Und es ist auch gut, sich ein bisschen zu beschützen vor Menschen, die selbst, wenn man schon k.o. am Boden liegt, noch fragen: Kannste mal?

Kannste nicht. Willste nicht. Musste nicht.

 

4.) Busy ist nicht das Ziel.

Ich glaube, es gibt zwei Gründe busy zu sein. Grund eins: Es gibt wirklich viel zu tun. Grund zwei: Busy dient als Schutzschild vor Emotionen, denen man sich nicht stellen will.

Busy sein ist nicht mein Ziel. Mein Ziel ist: Meine Arbeit und mein Privatleben so aufzustellen, dass ich Zeit habe. Zeit, in Ruhe eins nach dem anderen zu machen. Im Job und auch privat. Nicht parallel in Gedanken in meiner To-Do-Liste oder am Handy zu hängen, wenn ich eigentlich mit einer Freundin/meinem Mann/meinen Kindern zusammen bin. Sondern richtig da sein können, zuhören können, das Leben spüren. Und nicht nur den Wind beim Vorbeirennen.

„Your worth is not measured by how busy you are“ las ich vor kurzem bei Arianna Huffington. So ist das.

 

5.) Ich kann mich immer auf mich selbst verlassen. 

Oft ist man auf andere angewiesen, wenn man sich Neues traut. Wenn man neue Wege geht, für die man mehr Menschen braucht als nur sich selbst.

Und manchmal geht dann etwas schief. Biegt jemand schon viel früher ab auf der Reise als man dachte. Oder läuft plötzlich in eine andere Richtung. Oder oder oder.

Ich kann mich immer auf mich selbst verlassen. Dieser Satz kam mir an einem Tag in den Sinn, an dem ich dachte, wie soll das nur alles werden?

Warum, fragte mein Kopf, du bist doch da. Du kannst das doch. Du kannst dich auf dich verlassen, der Rest wird sich ergeben.

Vielleicht ist das ein Anflug von Stolz, vielleicht einfach ein Beweis meiner wachsenden Selbstfreundschaft, wie Annett Louisan es so schön im Podcast nannte. Auf jeden Fall hilft es dabei, sich frei zu machen. Von anderen, alten Wegen und neue zu gehen.

Wir werden immer für uns da sein.

Ich kann mich immer auf mich selbst verlassen.

Und du dich auch auf dich.

 

 

 

Foto – Leon Seierlein

  1. Kommentare zu diesem Artikel
  2. Nadine 30. Mai 2019 um 23:14 Uhr

    Hallo Steffi,
    es ist so ein Geschenk, wirklich zutiefst zu wissen, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann. Egal in welcher Krise. Letztens hat meine Chefin mir Mittwochs gesagt, dass Sie Freitag mit mir sprechen will über xyz und dann noch “und noch paar andere Punkte”. Und obwohl ich wusste, dass es nicht um irgendwas Grundsätzliches geht, ratterte dann natürlich immer mal wieder mein Kopfkino. Was ich alle so falsch mache. Was sie alles so ansprechen könnte. Was ich alles denke, was langfristig bei mir noch besser laufen könnte… Und irgendwann dachte ich: STOP! Ganz egal, was besprochen wird, ich komm eh damit klar. Ich habe schon nach vier Jahren ein Studium abgebrochen (was mich in die schlimmste Krise meines Lebens gebracht hat), ich bin schon in der Probezeit gekündigt worden, ich komm klar! Das Gespräch war dann auch herzlich unspektakulär.
    Mich belastet sachliche Kritik tatsächlich auch nur noch, wenn die Beziehungsebene für mich nämlich eben nicht klar ist.
    Danke für deine tolle Arbeit! Ich freue mich schon auf den Podcast im Abo am Samstag!!! Die Endlich Om-Podcast höre ich dagegen nicht alles, das schaffe ich zeitlich gar nicht. So viel Möglichkeiten zum Hören habe ich gar nicht bzw. weiß die Stille in meiner Freizeit auch sehr zu schätzen.
    LG Nadine

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  3. Rieke 29. Mai 2019 um 19:25 Uhr

    Wow, so toll geschrieben, so wahr!
    Du sprichst (schreibst) oft genau das, was man denkt, aber nicht formulieren kann, danke dafür!
    „The knowledge of cooking does not come pre-installed in a vagina.“
    Bester Satz des Tages heute, genial!!!!!

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  4. Ilse 29. Mai 2019 um 15:23 Uhr

    Punkt 1 und 5 – dem ist nichts mehr hinzuzufügen!
    Danke für den schönen und wichtigen Text.
    Alles Liebe zu dir
    Ilse

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  5. Anja-Isabek 29. Mai 2019 um 15:09 Uhr

    Danke liebe Steffi! Der Artikel kam grade irgendwie wie gerufen und war wie immer inspirierend und schön!:-)

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  6. Eva 29. Mai 2019 um 10:19 Uhr

    Liebe Steffi,
    Vielen Dank für deine vielen Inspirationen und Ideen. Du rettest mir so manchen Tag. Auch ich habe seit vielen Jahren für meine drei Kinder „Schatzkisten“ gemacht, in die alles wandert, was für sie oder von ihnen gemacht wurde und momentan nicht unbedingt für sie wichtig ist. Zudem hat jeder ein Einmachglas, gefüllt mit Zettelchen, auf denen lustige Sprüche von ihnen stehen oder was ein Kinderhirn in den Jahren so ausspuckt. Sie lieben es, ihre „Glassprüche“ zu lesen und tragen sie sich ab und zu vor, um sich kaputt zu lachen. Erinnerungen sind wichtig. Gruß Eva

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  7. Katrin 29. Mai 2019 um 09:11 Uhr

    Liebe Steffi,

    vielen Dank für die schnelle Antwort und die Ideen für die Kiste! Das hilft!

    Im Grunde habe ich im Kleinen dann sogar schon damit angefangen, weil ich in einem Köfferchen Schwangerschaftstest, Armband aus dem Krankenhaus, Nabelklemme und sowas aufgehoben habe. Das erweitere ich einfach bei Gelegenheit um Dinge, die an mich erinnern sollen. Eine tolle Idee, die vermutlich gar nicht so einfach umzusetzen ist. Sehr spannend!

    Lieben Dank!!!

    Antworten
  8. Steffi 29. Mai 2019 um 08:59 Uhr

    Danke, liebe Steffi, für diesen Beitrag!
    Den zu lesen hat mir gerade ein gutes Gefühl gegeben – ein schöner Start in den Tag! 🙂
    Und den wünsche ich dir und euch auch!

    Gruß, Steffi

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  9. Katrin 29. Mai 2019 um 08:33 Uhr

    Liebe Steffi,

    ich traue mich kaum zu fragen, aber „kannste vielleicht mal“ einen Blogbeitrag zu dieser Kiste für deine Kinder machen, das würde mich nämlich sehr interessieren. Klar ist aber: „musste natürlich nicht“ 😉

    Ich bin gerade frisch gebackene Mama und mich holt vor allem der letzte Punkt total ab. Wir vergessen das so leicht, dass wir uns immer auf uns selbst verlassen können. Herzlichen Dank für die Erinnerung!

    Danke für so tolle Einblicke! Ich wünsche dir noch viel schöne Hauspost und einen tollen Tag!

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    • Steffi 29. Mai 2019 um 08:39 Uhr

      @Katrin: Liebe Katrin, haha, für euch mach ich das doch gern! 🙂 Die Kiste ist eine ganz einfache Idee – es sind Erinnerungskisten. Kartons, die ich mit Dingen fülle wie besondere Kleidungsstücke, die mich an bestimmte Momente ihrer Kindheit erinnern und die sie später als Erwachsene vielleicht noch gern für ihre hätten. Lieblingsspielsachen. Briefe/Geburtstagskarten, Blogposts von mir zu ihnen/dem Mutter sein, Bücher, deren Weisheiten mich bewegt haben und die sie später vielleicht auch toll finden könnten. Es klingt viel, ist aber noch recht wenig (so zwei volle Ikea-Kartons bisher). Wir haben nicht so viel Lagerplatz. Ach so: Von der Kita bringen sie ja auch viel Gebasteltes heim. Davon hebe ich die schönsten und lustigsten Sachen in einem Ringordner auf. Der kommt später dann auch in die Kiste. So wie die Fotoalben über ihr erstes Lebensjahr je. Wobei ich da bei meinem Sohn noch ähm schnell nacharbeiten muss. Hilft das? Herzliche Grüße, Steffi

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  10. Katharina 29. Mai 2019 um 07:49 Uhr

    Liebe Steffi
    Vielen lieben Dank für diesen inspirierenden und einfach so schön geschriebenen Text. Ich habe vor einigen Monaten das Buch von Chimamanda Ngozi Adichie geschenkt bekommen und es ist einfach fantastisch. Obwohl ich Mutter dreier Söhne bin, oder gerade deshalb, habe ich so viele Anregungen aus dem Buch gezogen. Wie Du sagst auch größtenteils schon vorher gelebt. Das Buch in die Kiste für die Kinder später zu packen ist eine glänzende und nachahmenswerte Idee. Die „klaue“ ich Dir!
    Herzlichen Dank und ein schönes langes Wochenende, Katharina

    Antworten
    • Steffi 29. Mai 2019 um 08:40 Uhr

      @Katharina: Liebe Katharina, wie schön! Das Buch ist wirklich der Wahnsinn. So on point. Ich glaub, ich muss noch mehr von ihr lesen. Und klau du gern, dafür mach ich das hier ja alles! 🙂 Herzliche Grüße, Steffi

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  11. HB 29. Mai 2019 um 07:31 Uhr

    Guten Morgen,
    das Büchlein liegt hier schon bereit als nächste Lektüre ebenso wie deine andere Empfehlung (von Matze Hielscher: )big five…
    Danke dir für so viele Anregungen / Ideen / deine Kreativität und deinen tollen Podcast! Ich liebe es, ihn freitags auf der Fahrt ins Büro zu hören. Einen lieben Gruß nach Hamburg
    Heike
    PS: seit neuestem höre ich im Auto per Bluetooth- ich liebe diesen Stecker…

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