Bücher, Serien & Unterhaltung
Lese-Nachschub
Aktuelle Sommer-Highlights, ein paar Underdogs, Neuheiten, ein Liebling aus dem letzten Jahr, ein Geheim-Tipp und etwas Ungewöhnliches – hier kommen Pias Bücher-Tipps.
von Pia Büchle - 01.07.2024
Die Sommerferien stehen an und falls ihr dafür noch passende Lektüre für den Strand, den Pool, den Balkon oder das Freibad sucht, habe ich da etwas für euch, denn ich bin von der Frankfurter Buchmesse mit so vielen grandiosen Neuerscheinungen zurückgekehrt. Darf ich mich kurz vorstellen? Ich bin Pia, irgendwo in meinen Dreißigern und habe neben meinem Job in der Schmuck- und Uhrenbranche angefangen, Buchrezensionen auf meinem Instagram-Account @piasbookaffair zu schreiben, und daraus ist schnell eine leseaffine Community entstanden.
Jetzt darf ich auch mit euch teilen, welches Buch mich bewegt, was ich liebe und was einfach zu gut ist, um es nicht zu lesen. Deshalb habe ich euch meine Sommerfavoriten mitgebracht, ein paar Underdogs, Neuerscheinungen, meinen Liebling aus dem letzten Jahr, einen Geheimtipp und etwas Ungewöhnliches.
Bevor wir starten, beantworte ich euch noch eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird: „Wann liest du das alles?“ Ich habe feste Leserituale, abends vor dem Schlafen und am Wochenende morgens im Bett mit einem heißen Kaffee. Außerdem reise ich viel und habe immer Bücher dabei. Immer wenn sich ein Moment ergibt, versuche ich nicht den Blick ins Handy zu werfen, sondern in ein Buch. So kommt einiges an Zeit zusammen und die Ferien sind doch sowieso wie gerufen für ein neues Buch.
Bei diesen Werken kommt man auch gar nicht drum rum, denn wenn man sie erstmal angefangen hat, muss man schnell wissen, wie es weitergeht. Los geht’s:

1. Unterhaltsam & spannend: „Die spürst du nicht“ – Daniel Glattauer:

Der Titel – Oh, I can’t! Liebe ihn so sehr. „Die spürst du nicht“ (Hanser) – wie stark ist das bitte? 
Daniel Glattauers neuster Streich hat einen wirklich sehr spannenden Plot. Zwei erfolgreiche Wiener Vorzeigefamilien fahren gemeinsam in ihren exklusiven Toskana-Urlaub, um dort Sonne und Vino zu tanken und sich zu entspannen. Mit von der Partie ist Aayana, ein Flüchtlingskind aus Somalia, mit dem Töchterchen Sophie Luise lose befreundet ist. 
Es hätte alles so schön werden können. Bisschen Prosecco und Antipasti, bisschen was Gutes fürs Gewissen und für die Gesellschaft tun und einem Flüchtlingskind das Schwimmen beibringen – wenn das nicht schiefgegangen wäre.
Glattauer zeigt auf seine unverwechselbare Weise einmal mehr, was zu Tage kommt, wenn er hinter die Masken blickt. Mit feinsten zwischenmenschlichen Beobachtungen und vielen klugen Sätzen baut er einen grandiosen Spannungsbogen auf und man hechelt förmlich der Auflösung der Katastrophe entgegen. Die Geschichte ist so gut, so real, so abgefuckt, wie sie nur im echten Leben vorkommen kann, top verpackt in glattauerschen Sprachwitz.

2. Geeignet, um es an einem Wochenende durchzulesen: „Prima Facie“ von Suzie Miller:

Was ich an einem Wochenende inhaliert habe? „Prima Facie” von Suzie Miller (Kjona). Die Geschichte wurde 2019 bereits von Killing-Eve-Star Jodie Comer in einem One-Woman-Play am Broadway aufgeführt. Nun ist „Prima Facie“ auch als Roman auf Deutsch erschienen und der Plot ist eine absolute Wucht!
Schon während ihres Jurastudiums in Cambridge hat Tessa gelernt, ihre Herkunft zu verstecken. In sozial ärmeren Verhältnissen aufgewachsen, merkt sie schnell, dass in der Welt der Anwälte vor allem zählt, woher du kommst, und nicht, was du kannst.
Befreit aus einer Jugend der Arbeiter*innenklasse und geprägt von häuslicher Gewalt, gewinnt sie mittlerweile am Londoner Gericht einen schwierigen Fall nach dem anderen. Ihr Fachgebiet? Die Verteidigung von Männern, die wegen sexuellen Übergriffen angeklagt sind. Ihre Methode? Die mutmaßlichen Opfer in ihren legendären Kreuzverhören auseinanderzunehmen und die Jury von der Unschuld ihrer Mandanten zu überzeugen. Denn welche Frau verteidigt schon einen schuldigen Sexualstraftäter?
Es scheint, als hätte sie es geschafft, bis ihr eines Tages selbst etwas zustößt, das ihren Glauben an die Gerechtigkeit des Gesetzes tief erschüttert. So sehr, dass sie sich entschließt, in den Zeug*innenstand zu treten und ihre hart erkämpfte Karriere zu riskieren.
Während ich diese Zeilen hier schreibe, merke ich selbst, wie ich, wie auch schon beim Lesen, die Luft anhalte, weil einfach nur so gut, so wichtig, so aktuell. Lest dieses Buch! PS: „Prima Facie“ wird derzeit an verschiedenen deutschen Theatern und Kammerspielen aufgeführt.

3. Mein Favorit des letzten Jahres, der nicht alt wird: „Fünf Viertelstunden bis zum Meer“ von Ernest van der Kwast: 

Ihr bevorzugt eher dünne Bücher, am liebsten unter 100 Seiten? Dann habe ich hier etwas sehr Feines – mein unangefochtener Favorit aus dem letzten Jahr – für euch. Ein Roman, der mich so tief berührt hat wie schon lange keine Liebesgeschichte mehr. Und das auf zarten 96 Seiten. Schon nach den ersten vier Absätzen war ich schachmatt und komplett in Tränen aufgelöst. Ernest van der Kwast zeichnet in „Fünf Viertelstunden bis zum Meer“ (Mare) eine wirklich wunderschöne Liebesgeschichte.
Die Geschichte einer ersten Liebe, die im Italien der 50er Jahre zwischen Ezio und Giovanna erblüht. Eine große Liebe zwischen Zwanzigjährigen, die nur einen Sommer anhält. Eine Liebe, die für Ezio bereits so groß ist, dass er fast an ihr zerbricht. Eine Liebe, die für Giovanna (noch!) nicht schwer genug wiegt, um sich schon jetzt langfristig zu binden.
Nachdem Ezio der schönen Giovanna in ihrem ersten gemeinsamen Sommer zwei Anträge gemacht hat, die sie beide flüchtig und eher nebenbei ausgeschlagen hat, verlässt er als gebrochener Mann seinen Heimatort. Beide leben ihr Leben. Ein ganzes Leben. Ein gutes, aber unerfülltes, liebloses Leben. Bis Giovanna nach über 60 Jahren den Mut findet, Ezio zu kontaktieren.
Bereits nach den ersten Zeilen ist man völlig verzaubert von der wunderbaren Erzählweise des Autors.

„So leicht, so eindringlich, so klar und schnörkellos und für mich noch immer ein absolutes Must-Read.“ -

4. Ein Muss für Feminist*innen: „Und alle so still“ von Mareike Fallwickl:

Ein weiterer Favorit unter den Neuerscheinungen im Frühjahr ist „Und alle so still“ (Rowohlt) von Mareike Fallwickl.
Elin, Nuri und Ruth begegnen sich an einem Sonntag im Juni bei einem stillen Protest: Frauen liegen reglos auf der Straße. Auf den ersten Blick haben die drei nichts gemein. Die zwanzigjährige Elin ist erfolgreiche Influencerin, der etwas widerfahren ist, das womöglich Gewalt war. Die jüngere Nuri hat die Schule geschmissen und hält sich als Kurier, Barkeeper und Co. über Wasser. Die fünfzigjährige Ruth arbeitet im Krankenhaus als Pflegerin und scheint ein schier unendliches Pflichtgefühl zu haben. Doch an diesem Sonntag im Sommer hören Frauen auf, das zu tun, was sie immer getan haben, und unser vermeintlich so gerechtes und solides System gerät aus all seinen Fugen.
Falls ihr noch nicht habt – unbedingt vorher noch die vorherigen Romane von Mareike Fallwickl lesen. So gut!

5. Ein unterschätzter Underdog: „Nur ein paar Nächte“ von Fabian Neidhardt:

Ein viel zu wenig gesehener Underdog mit feinsten zwischenmenschlichen Beobachtungen ist für mich „Nur ein paar Nächte” von Fabian Neidhardt (Haymon).
Ben ist alleinerziehender Papa der zwölfjährigen Mia. Er lebt in dem Dorf und sogar in dem Haus seiner Kindheit und hat sich in seinem Leben eingerichtet. Plötzlich steht sein Vater vor der Tür. Er hat seine Frau betrogen und sucht nun bei seinem Sohn ein Dach überm Kopf. Zeitgleich wird die kleine Mia von der Polizei nach Hause gebracht. Die Maus war ausgebüxt, wollte nach Hamburg reisen, um endlich ihre Mutter kennenzulernen und Antworten auf all ihre unbeantworteten Fragen zu finden. Bens scheinbar geordnetes Dorfleben gerät aus den Fugen. Seite für Seite lässt uns Fabian Neidhardt hinter seine Fassade und all das Ungesagte, den Schmerz und das große Glück namens Familie blicken.
Das Buch hat alles, was es braucht, um zu berühren:

„Große Gefühle, alte, fast verheilte Wunden, überraschende Plot-Twists, wohlgehütete Geheimnisse, Familienkonstrukte, Eltern-Kind-Beziehungen und das Miteinander von Liebenden.“ -

Während ich diese Zeilen wehmütig schreibe, empfinde ich tiefe Freude für all diejenigen unter euch, die den Roman noch nicht gelesen und diese besondere Geschichte noch vor sich haben.

6.  Mein Geheimtipp für ein Wochenende auf dem Sofa: „Leonard und Paul“ von Rónán Hession:

Geheimtipp gefällig? Für mich ganz klar „Leonard und Paul“ von Rónán Hession (Woywood & Meurer). The Guardian schreibt: „eine bezaubernde, warmherzige Würdigung all jener Dinge, die das alltägliche Leben so wertvoll machen.“ Und YES – dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, aber ich möchte euch dennoch ein wenig von der Handlung erzählen.
Leonard und Paul sind seit jeher allerbeste Freunde. Sie arbeiten in unterschiedlichen Berufen, ihr Leben verläuft in geordneten Bahnen, eher auf den Nebenstraßen als auf der Autobahn. Kein Drama, niemals raus aus der Komfortzone, alles ist gut, so wie es ist. Bis beiden etwas widerfährt und ganz schön viele Veränderungen ihr geordnetes Leben durcheinanderwirbeln.
„Leonard und Paul“ ist ein ruhiges Buch, kommt ganz ohne Spannungsbögen aus und hüllt einen liebevoll in die Geschichte der beiden Protagonisten ein. Ihr sucht etwas, das euch beseelt zurücklässt? Lest dieses Buch. Lacht mit den beiden, seid mit ihnen traurig, ratlos oder unbeholfen und öffnet euch für die sanfte Schönheit des Unaufgeregten.

7.  Eine eher ungewöhnliche Empfehlung: „Der Hausmann“ von Wlada Kolosowa:

Welches Buch verschenkt man an eine Person, die schon alles gelesen zu haben scheint? Ich würde zu „Der Hausmann” von Wlada Kolosowa (Leykam) raten, denn es ist ein Werk über Nachbar*innen und Nachbarschaften – ganz wunderbar ehrlich und wirkt wie aus dem echten Leben.
Thea und Tim wohnen oben unter dem Dach. Sie arbeitet als Social-Media-Managerin bei einem veganen Hundefutter-Produzenten, er arbeitet an seiner Graphic Novel, kümmert sich um den Haushalt, um die Nachbar*innen und macht eben so Hausmannsachen. Tim gibt dem 19-jährigen Ukrainer Maxim aus dem Erdgeschoss Deutschunterricht und richtet der 80-jährigen Dagmar ihren Internetanschluss ein – er ist ein Nachbar wie aus dem Bilderbuch.
Ehrlicherweise wäre jede weitere Zeile ein fieser Spoiler, sodass es hier keinen weiteren Deepdive in den Plot gibt.

„Die Geschichte hat irre viele Turningpoits, herrliche Lacher und völlig unerwartete Wendungen.“ -

Was den Roman aber so besonders macht? Das Textformat der einzelnen Figuren. Tims Perspektive ist der gute alte Fließtext, Theas Geschichte wird in Chat-Form erzählt, Dagmar schreibt Blog-Einträge übers Sparen im Alter und Maxim übt Grammatik in seinem Deutschheft.
Die Geschichte ist etwas sehr besonderes, das ich so bisher weder gesehen noch gelesen habe. Von mir gibts dafür große Begeisterung und es ist nach wie vor eines meiner liebsten Buchgeschenke.

8. Statt eines Ratgebers: „Sorry not Sorry“ von Anika Landsteiner:

Ich bin ein sehr großer Fan von Anika Landsteiner und habe erst letzten Sommer ihre beiden Romane „Nachts erzähle ich dir alles” und „So wie du mich kennst“ verschlungen. (Ja, das ist eine eindeutige Leseempfehlung!)
Mitte Mai ist nun ihr neuster Streich erschienen. „Sorry not Sorry” (Rowohlt) hat nicht nur ein grandioses Cover, sondern einen ebenso grandiosen wie wichtigen Inhalt. Denn – it’s a Sachbuch, liebe Leute!
In dem Werk widmet sich Anika der allseits bekannten und dennoch viel zu stark tabuisierten Scham. Unserer Scham. Weiblicher Scham. Bremst Scham aus? Oh yes! Verunsichert sie, verletzt sie und entblößt sie? Yes, yes, yes! Genau darum ist dieses Buch eine große, mutige Inspiration. Anika seziert ihre eigenen Gefühle zu Körperscham, Identitätsscham und Statusscham und zerlegt sie in ihre Einzelteile.
Was ihr bekommt? Wut, Solidarität, Verständnis, Scham, Selbsterkenntnis und eine richtig große Portion Empowerment. Tut bisschen weh, ist aber umso wichtiger.

9. Herrlich für die Sonnenliege: „Wir werden jung sein“ von Maxim Leo:

Wer kennt ihn nicht? Den Wunsch nach ewiger Jugend, der in unserer heutigen Gesellschaft verbreiteter ist denn je. Aber wollen wir das wirklich? Also ernsthaft? Zurückgebeamt mit wirklich allem, was dazugehört?
Auf dieses Gedankenexperiment nimmt uns Maxim Leo in seinem neuen Roman „Wir werden jung sein” (Kiwi) mit und was soll ich sagen, es ist eine köstliche Geschichte, die unseren Jugendwahn gekonnt auf die Schippe nimmt und aus ethischer und gesellschaftlicher Perspektive aufzeigt, was passiert, wenn die Menschheit über das Altern siegt.
Die vier Protagonist*innen sind allesamt Proband*innen einer medizinischen Studie der Berliner Charité, deren Nebenwirkungen gravierende Folgen haben, denn sie werden plötzlich jünger. Seriously!
Der alte Immobilienpatriarch Wenger, kurz vor der Rente, blüht nun plötzlich wieder auf und will mit seinem herrischen Führungsstil die Firma doch nicht mehr an seine Kinder übergeben. Denn was können die schon überhaupt? Jakob, dessen erste große Liebe ihn eines Tages endlich zuhause im Kinderzimmer besucht, spürt auf einmal überhaupt nichts mehr. Dabei geht es doch gerade jetzt um Performance und darum, endlich seinen Mann zu stehen. Jenny, die sich jahrelang Kinder gewünscht hat und plötzlich schwanger wird. Olympionikin Verena, die bei einem Wettkampf der Ex-Schwimmstars einen neuen Weltrekord aufstellt und die Welt aus ihren Angeln hebt, als die Öffentlichkeit von ihrer Verfügung erfährt.
Mit sehr viel Klugheit und Wärme zeigt Maxim Leo auf, was wirklich passiert, wenn wir jünger werden. Mit aller Konsequenz, unaufhaltbar und so richtig menschlich. Nicht nur in Bereichen, in denen es uns vielleicht gerade ganz gut passen könnte (wie bezüglich neuer Falten im Gesicht oder um noch mal die Welt zu bereisen), sondern wenn Überbevölkerung eine akute Bedrohung wird, wenn wir im Kopf alt bleiben und sich unsere Körper 10 bis 20 Jahre zurückentwickeln. Hab’s geliebt. Sehr!
Vielleicht habt ihr etwas Inspiration mitnehmen können und den ein oder anderen neuen Lesestoff für euch entdeckt. Habt ihr weitere Sommerempfehlungen oder All-time-Favoriten, die wir hier unbedingt lesen sollten? 
Wenn ihr noch mehr Buchtipps von mir erfahren wollt, schaut doch mal auf meinem Instagram-Account @piasbookaffair vorbei. 
Happy Summer und viel Liebe
Eure
Pia

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