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Wir lesen „Ende in Sicht“ von Ronja von Rönne und treffen die Autorin zum Liveabend.
von Marlene Sørensen - 01.01.2022
Juli, 15, steht auf einer Autobahnbrücke und will sich in den Tod stürzen. Stattdessen fällt sie auf die Motorhaube des altersschwachen Passats von Hella, 69, die auf dem Weg in die Schweiz ist, um im Krankenhaus zu sterben. So beginnt „Ende in Sicht“ von Ronja von Rönne und aus diesem ungewollten Zusammentreffen entwickelt sich eine Fahrgemeinschaft zweier Frauen, denen das Leben nicht das gegeben hat, was sie sich davon versprochen hatten.
Was machen sie nun damit, dass es erst mal weitergeht? Dieser Frage spürt die Autorin auf dem Weg über Rastplätze und Dorffeste nach – empathisch und unpathetisch, mal lakonisch, dann ganz zart, mit überraschenden Wendungen und feiner Beobachtungsgabe für ihre Figuren.
Da ist Hella Licht, verblasster Schlagerstar, die nie Kinder wollte und sich immer mehr oder minder erfolgreich vor Verantwortung weggeduckt hat, auch der für sich selbst, und die nun zur unfreiwilligen Beschützerin von Juli wird, die ohne Mutter aufgewachsen ist. Die Unterhaltungen, während sie sich auf der gemeinsamen Fahrt immer besser kennenlernen, klingen dann etwa so:
Juli […] zog noch einmal die CD-Hülle aus dem Handschuhfach und deutete auf das Foto auf dem Cover – und dann auf Hellas Arm: »Das Tattoo, daran hab ich dich übrigens erkannt.«
»Ach, das hässliche Ding. Kriegt man nicht mehr ab, wenn man sich einmal dafür entschieden hat«, lamentierte Hella. »Ist ein Scheißspruch. Sag niemals nie. Man sollte, ganz im Gegenteil, sehr viel öfter nein sagen. Zum Beispiel zu Tattoos.«
Juli musste kurz über Hellas Worte nachdenken, dann sagte sie: »Merk ich mir.«
Ronja von Rönne schreibt ihren Protagonistinnen keine vollmundigen „Learnings“ zu. Stattdessen begegnet man zwei unvollkommenen Frauen, die versuchen, Sinn in einer Situation zu finden, die ihnen ausweglos erscheint. Wie sie sich gründlich auf die Nerven gehen, sich aber doch miteinander aufraffen und sich gegenseitig etwas geben, von dem beide glaubten, sie würden es nicht mehr finden, das trägt durch diese Erzählung.

„Viel mehr will ich über die Handlung und ihre Wendungen nicht erzählen. Außer: Legt euch Taschentücher bereit.“

Als sie diesen Roman beendet hatte, zeigte Ronja von Rönne übrigens ein Video von sich auf Instagram, in dem sie heullachend vor lauter Erleichterung darüber zu sehen ist, dass sie fertig geworden war. Das fand ich auch deshalb bemerkenswert, weil es gewöhnlicher ist, dass Insta-Ankündigungen von Büchern mit einem Erscheinungsdatum mitgeteilt werden und in einem Ton, als habe der*die Autor*in das Schreiben nebenbei erledigt. Gerade, wenn sie berühmter sind.
Ronja von Rönne ist sogar ein wenig berüchtigt, nachdem sie mit Anfang 20 zunächst durch ihren Blog Sudelheft auffiel und dann beim Ingeborg-Bachmann-Preis ein Essay vorlas, das in der Zeitung Die Welt erschienen war, mit dem sie sich vom Feminismus distanzierte. Später distanzierte sie sich wiederum von dem, wie ich finde, vor allem überheblichen Beitrag. Die Debatte darum machte sie gleichwohl so bekannt, dass der Spiegel sie direkt zum „It-Girl des Berliner journalistisch-literarischen Komplexes“ ernannte. Sie selbst hatte an derartigen Titeln kein Interesse. So wirkt es, denn stattdessen arbeitete sie weiter: an journalistischen Texten (nach Artikeln für Die Welt seit 2017 für Die Zeit), an Politiksendungen, an Hörspielen, an dem Interviewformat „Streetphilosophy“ auf Arte, an ihrem ersten Roman „Wir kommen“ und nun eben an ihrem zweiten. „Zwischendrin habe ich vor lauter Frustration fast meinen Laptop zerstört, aus lauter Liebe geheiratet, das Schreiben kurzfristig aufgegeben und es am Ende doch geschafft“, schrieb sie auch auf Instagram, berührend unzensiert. So berührend ist auch ihr Buch.
Ab dieser Ausgabe des Abos werden wir im Buchclub immer abwechselnd ein Buch lesen und im darauffolgenden Monat den*die Autoren*Autorin im Talk begrüßen. So bleibt mehr Zeit, sich mit den jeweiligen Büchern in Ruhe zu beschäftigen.
So könnt ihr im Januar 2022 eins von 50 Freiexemplaren von „Ende in Sicht“ gewinnen: Schreibt bis zum 16. Januar 2022 eine E-Mail inklusive eurer Adresse an gewinnspiel@dtv.de mit dem Betreff „Ohhhmhhh“, der dtv Verlag wählt die Gewinner*innen aus und benachrichtigt sie. Bitte seid so lieb und hinterlasst dann eure Meinung zum Buch hier im Buchclub in Form eines Kommentars.
Im Februar 2022 treffen wir Ronja von Rönne im Livetalk. Den Termin geben wir bekannt, sobald er feststeht. Sicher ist schon mal, dass sie an dem Abend aus „Ende in Sicht“ vorlesen wird, wir uns unterhalten und auch ihr Fragen stellen könnt. 
Ich freu mich drauf!
Eure
Portrait Ronja von Rönne: Mehran Djojan

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