Es ist nun schon einige Wochen her, dass ich „Siegfried“ für den Buchclub gelesen habe. Ständig denke ich seitdem an Szenen daraus, so stark hat sich der Roman von Antonia Baum eingeprägt.
Er handelt davon, ob es möglich ist, sich als selbstbestimmte und aufgeklärte moderne Frau von den Rollenbildern der Vergangenheit zu lösen. „Siegfried“ beginnt damit, dass die Erzählerin eines Morgens, nachdem ihr Partner und die kleine Tochter die Wohnung verlassen haben, nicht mit ihrem Alltag weitermacht, sondern in die Psychiatrie fährt. Wie genau sie dort gelandet ist, das fragt sie sich selbst, während sie auf den Termin wartet. Sie weiß nur, dass sie einen so großen Kontrollverlust spürt, dass sie nicht mehr weiß, wohin sonst. In Rückblicken aus dem Wartezimmer erzählt sie von ihrer Kindheit und den zwei prägenden Figuren darin: von ihrem Stiefvater Siegfried und dessen Mutter Hilde und dem Wertesystem, das die beiden ihr mitgegeben haben, in dem Männer die Versorger sind und Frauen entweder untergeben, und wenn schon nicht das, dann stattdessen so hart, kämpferisch und unabhängig wie ein Mann. Kann sich die Erzählerin davon befreien? Oder ist sie verdammt, die Fehler, und auch die Gewalt ihrer Familie zu wiederholen?
„Man kann natürlich nur gut schreiben, wenn man keine Angst hat, am allerwenigsten um sich selbst“, hat Antonia Baum in einer ihrer jüngsten Kolumnen für Die ZEIT geschrieben. Mit „Siegfried“ hat sie ein furchtloses, ein furioses Buch geschrieben und ich freue mich, dass wir einen Liveabend mit ihr verbringen konnten. Die Aufzeichnung vom 12. April 2023 seht ihr hier: