Euer Feedback auf
meine Beispielwoche war riesig. Ihr habt mir geschrieben, dass ihr unbedingt auch noch von anderen Frauen und ihrem Alltag hören möchtet. Deshalb habe ich meine ehemalige Stern-Magazin-Kollegin Cathrin Wissmann gebeten, ihre Woche aufzuschreiben. Sie ist festangestellt, lebt in Hamburg mit ihren zwei Töchtern und ihr Mann Frank arbeitet unter der Woche in Brüssel. Keine einfache Situation. Umso spannender fand ich zu lesen, wie sie es wuppt.
In den nächsten Monaten stellen wir euch noch weitere Frauen mit ganz unterschiedlichen Lebensmodellen hier vor.
Herzlich,
Steffi
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Hallo, ich bin Cathrin.
Steffi hat mich neulich gefragt, ob ich hier von meinem Alltag erzählen möchte. Mir vielen spontan einhundert Gründe ein, abzusagen: Keine Zeit, ...zu viel Aufwand und ...überhaupt: Wen interessiert denn das?! Und dann sagte mir eine Stimme auf dem Off: Na, dich! Innehalten, auf den Tag zurückblicken – das sind Dinge, die in meinem Alltag nicht stattfinden, weil ich mir dafür einfach nie Zeit nehme. Stattdessen hetze ich durch mein Leben. Ich arbeite in Vollzeit als Modejournalistin, habe zwei Kinder (6 und 8) und einen tollen Mann, der aber unter der Woche in Brüssel arbeitet und nur am Wochenende da ist. Ich versuche, unseren Alltag so gut wie möglich zu wuppen, aber irgendwas geht immer schief. So wie letzte Woche:
Montag.
Ich wache morgens auf und weiß: Der Tag kann nur beschissen werden. Es ist der erste Tag ohne meine Kollegin, die jetzt im Mutterschutz ist. Die letzten Monate sind verflogen, vielleicht auch, weil ich verdrängt habe, dass der Tag kommen wird, an dem sie mir nicht mehr gegenüber sitzt.
Aber es hilft nichts, aufstehen muss ich trotzdem. 6:45 Uhr. Erst mal fertigmachen, dann die Kinder wecken. Wir sind mal wieder spät dran. Ich lege ihre Klamotten schon am Vorabend raus, damit es morgens keine Diskussionen gibt. Klappt nur leider selten. Heute Morgen weigert sich Greta, den Baumwollpulli anzuziehen. „Der kratzt so, Mama“. Oooooooohhhh... Ich gucke auf die Uhr. 7:40 Uhr. Mist. „Dann zieh halt einen anderen an!“ Den ersten Kampf des Tages habe ich schon verloren. Egal.
7:54 Uhr. Geschafft. Die Kinder sind pünktlich in der Schule. Sogar an das Geschenk für Avas Freundin habe ich gedacht, die heute Geburtstag feiert.
Um 8:15 Uhr komme ich im Büro an. Aber das Verlags-Café hat noch geschlossen. Mist. Im Büro ist dafür alles wie immer. Meine Kollegin hat ihre Sachen noch nicht abgeholt. Es sieht aus, als würde sie gleich zur Tür hereinkommen. Gutes Gefühl.
Um kurz vor 13 Uhr schrecke ich hoch. Ich habe vergessen, Ava im Hort abzumelden. Sie geht heute nach dem Schulschluss um 13:05 Uhr mit zu einer Freundin. Mal wieder knapp, aber rechtzeitig. Glück gehabt.
16:00 Uhr. Ich lasse den Griffel fallen und fahre mit der Bahn zur Schule, um Greta abzuholen. Kurz nach Hause. Dann wieder los, um Ava vom Geburtstag der Freundin abholen. Wo war noch gleich das „Museum der Arbeit“? Eine Mutter hat es mit dem „Museum für Kunst und Gewerbe“ verwechselt und rief hektisch an, ob jemand ihr Kind mitnehmen könnte. Ich konnte es ihr so nachfühlen. Das hätte mir auch passieren können!
Abendessen. Es ist mittlerweile ein Ritual, das wir Frank über Facetime anrufen. Dann essen wir zwar nicht wirklich zusammen, aber es fühlt sich ein Stück weit so an.
Hausaufgaben. Für den Musiktest üben. Zähneputzen. Wäsche waschen. Wäsche falten. Wäsche verteilen. Was für die Arbeit lesen. Zzzzzzz...
Dienstag.
Ich habe zwei aufgeschlagene Knie, weil ich morgens auf der einzigen(!), zugefrorenen(!) Pfütze(!) im Hof ausgerutscht bin. Tut höllisch weh. Aber: Wir sind wieder spät dran! Noch zehn Minuten bis zum Schulbeginn. Also rein ins Auto. Wir schaffen es pünktlich, Halleluja! Ich springe aber nicht in die U-Bahn, sondern fahre noch mal nach Hause, um meine Wunden zu verarzten. Beide Knie sind blutig und abgeschürft. Wir haben nur „Anna & Elsa“–Pflaster zuhause. Ich klebe Olaf und Sven auf meine Knie und mache mich auf den Weg ins Büro. Doch dann: Anruf der Schule. Greta weint, weil sie sich nicht richtig verabschiedet hat. Ok, ich drehe wieder um. Ich eile zur Schule, rauf in ihre Vorschulklasse. Greta sitzt schnatternd mit anderen Mädchen an ihrem Platz. Alles ist gut. Gott sei Dank.
Ich hetze ins Büro und schaffe es noch pünktlich zur ersten Konferenz. Dienstags jagt davon eine die andere. Deshalb arbeite ich an diesem Tag lang.
Mittags treffe ich eine alte Freundin, die ich kennengelernt habe, als sie in einer großen PR-Agentur gearbeitet hat. Sie hatte eine Führungsposition und einen kleinen Sohn. Ich habe mich immer gefragt, wie sie ihr Leben wuppt. Sie verriet mir ihren Erziehungstipp, den ich seitdem mantra-artig befolge:
„Pick your fights. Kämpfe nur die Kämpfe, die du auch gewinnen kannst.“ -
Alles andere kostet unnötige Kraft. Wahre Worte.
Zurück im Büro. Wieder eine Konferenz. Um kurz nach 17 Uhr hole ich die Mädels aus dem Hort. Beide haben etwas in der Holzwerkstatt gebaut: eine Schaukel für Playmobil-Figuren und eine Tischgruppe. Unsere Garage sieht mittlerweile aus wie der Schuppen von Michel aus Lönneberga.
Abendbrot mit Live-Schalte nach Brüssel, Hausaufgaben kontrollieren, Lernwörter üben, Zähneputzen. Wäsche vom Vortag zusammenlegen. Junggesellinnenabschied für eine Freundin organisieren. Zzzzz...
Mittwoch.
Heute Morgen läuft’s wie am Schnürchen. Fast schon verdächtig. Ich bin pünktlich bei der Arbeit und schaffe alles, was ich seit Tagen vor mir herschiebe. Reise-Abrechnungen erledigt, Flüge gebucht, Geschichten angeschoben, ...
Ich hole die Kinder um 16:30 Uhr ab. Wir fahren kurz nach Hause. Um 17 Uhr geht’s wieder los, weil Ava zum Hockey-Training muss. Oft nutze ich die 90 Minuten, um mich mit zwei anderen Müttern zu treffen, deren Töchter mit Ava in die gleiche Klasse und Hockeygruppe gehen. Wir kennen uns seit vier Jahren, aber gefühlt schon eine Ewigkeit. Ohne die beiden wäre ich manchmal ganz schön aufgeschmissen. Und zwar nicht nur, weil sie mir abends noch Hausaufgaben, die Ava nicht aufgeschrieben hat, per SMS schicken. Eine der Mütter ist in einer ähnlichen Situation wie ich. Auch ihr Mann ist viel unterwegs und sie im Alltag häufig allein. Mein Mann und ich haben seit 18 Jahren eine Fernbeziehung. Damals waren wir in unserem Freundeskreis noch die einzigen, die sich nicht jeden Tag gesehen haben. Doch heute ist längst normal, dass einer der Elternteile viel unterwegs oder nur am Wochenende da ist.
Das Hockeytraining ist um 18:30 Uhr zu Ende. Noch eine Stunde, dann kommen zwei meiner Cousinen vorbei. Bis dahin muss alles wie am Schnürchen laufen: Hausaufgaben kontrollieren, Lernwörter üben, Staubsaugen (Putzfrau war zwei Wochen nicht da), Suppe kochen. Die Kinder sind erst um 21 Uhr im Bett. Ging nicht anders.
Donnerstag.
7:42 Uhr. Shit, Shit, Shit. Verschlafen! Um 7:30 Uhr beginnt Avas Chorstunde. Die fällt heute leider aus. Ava ist in Windeseile angezogen, ich mache ihr Frühstück, greife Mantel und Sneaker, erlaube Greta – die erst um 8.45 Uhr in der Schule sein muss – zehn Minuten etwas auf dem Ipad zu gucken. Was würde ich nur ohne dieses verflixte Gerät tun?! Ava ist mit dem Gongschlag in der Schule. Heute schreibt sie ihren Lernwörter-Test. Rabenmutter, flüstert mir eine Stimme aus dem Off zu. Halt die Klappe, möchte ich am liebsten laut rufen. Ich fahre wieder nach Hause, mache Greta fertig, dann mich und wir fahren ein zweites Mal zur Schule.
Ich bin um 9 Uhr im Büro – und meine Batterie ist schon im roten Bereich. Meine Kollegin, die im Mutterschutz ist, würde jetzt sagen: Komm, hol dir erst mal einen Kaffee. Und dann würde ich ihr von meinem Morgen erzählen. Ich vermisse sie sehr.
Endlich Donnerstagabend. Frank kommt um 18.30 Uhr nach Hause. Die Kinder freuen sich jedes Mal wie Bolle, wenn er wieder da ist. Wir essen zusammen. Wenn mein Mann in Hamburg ist, bringt er die Kinder auch meist ins Bett. Ich sitze an diesem Abend am Schreibtisch und schreibe einen Text um, den ich am nächsten Morgen abgeben muss.
Sehr spät geht das Licht aus.
Freitag.
Mein Mann bringt die Kinder am Freitag oft in die Schule, aber heute Morgen ist er schon früh wieder zu einem Termin geflogen. Die Schule ist wegen der Zeugnisferien geschlossen, die Mädels gehen in den Hort. Ich habe meinen Text fast fertig, wäre am liebsten schon seit zwei Stunden im Büro.
Ein Lichtblick am Vormittag. Meine Freundin Jana schickt mir einen Screenshot von einer Hotelbuchung. Wie jedes Jahr fahren wir zwei für ein Wochenende nach Kopenhagen. Freitags hin, sonntags zurück. Bis Mitte Mai sind es noch knapp drei Monate, aber ich freue mich jetzt schon riesig darauf!
Ich hole die Kinder gegen 15:30 Uhr aus dem Hort und wir fahren zu Freunden, deren Kinder so alt sind wie Ava und Greta. Anders als meine Kinder hatten die beiden Mädels heute frei. Es gibt Gemecker im Auto. Ava fragt, warum sie und Greta an solchen Tagen immer in den Hort gehen müssen.
„Die Rabenmutter-Stimme in mir wird lauter. Ich fühle mich mies.“ -
Aber so ist es nun mal. Ich habe irgendwann festgestellt, dass wir Frauen alles gleichzeitig sein können: Mutter, Ehefrau, Karrierefrau, Freundin – aber eben nicht alles davon zu 100 Prozent. Seitdem ich das für mich erkannt habe, komme ich mit einigen Situationen viel besser zurecht.
Die Laune der Kinder und meine eigene steigen, als um 19 Uhr die Tür aufgeht und Frank wieder zu Hause ist. Wochenende, wir kommen! Frank kocht. Das macht er richtig gut. Für ihn ist es Entspannung, für mich purer Stress. Wir essen alle zusammen. Um 21 Uhr hauen wir uns schachmatt von der Woche aufs Sofa. Meist werden wir nachts vom Fernseher geweckt, der noch immer vor sich hin flimmert...
Samstag.
Frank hat mich bis 10 Uhr schlafen lassen. Bis 12 Uhr chille ich im Schlafanzug. Dann kommen Freunde vorbei, die im letzten Jahr nach Essen gezogen sind. Er ist immer zwischen Hamburg und dem Ruhrgebiet gependelt. Vor einem Jahr dann der Entschluss, als Familie nach Essen umzuziehen. Ich vermisse die fünf – eines der Kinder ist mein Patenkind – sehr. Umso schöner, sie wiederzusehen!
Nachmittags ziehe ich mich für zwei Stunden raus und streunere durch die Innenstadt. Aber dort hängt nichts, was mich vom Hocker haut oder mich dazu bringt, Geld auszugeben. Ich komme mit Küchenrolle und Waschpulver wieder nach Hause. Mein Mann freut sich.
Abends testet Frank seinen neuen Pizzastein, den er für 30 Euro gekauft hat. Ein Schnäppchen, sagt er. Zum Glück schmeckt die Pizza sensationell!
Sonntag.
Ein Sonntag, der wie ein Samstag beginnt – das wäre ein Knaller. Aber es kommt immer etwas dazwischen. Meist ein Hockeyturnier von Ava, das gerne schon um 8 Uhr irgendwo im Hamburger Umland stattfindet. Also 7 Uhr aufstehen, in Trance die Kinder anziehen, dann mich selbst. Kaffee machen. Tasche schnappen. Frank steht meist schon mit laufendem Wagen vorm Haus.
Ich habe schon früher Turnhallen gehasst. Daran hat sich nichts geändert. Es stinkt und ist schweinekalt. Der Trainer ist zum Glück nicht dabei, so dass wir Eltern die Kinder aus vollem Halse anfeuern. Die Mädels machen den 2. und 3. Platz. Auch Frank und ich sind in Hochform – und fühlen uns mittags sogar topfit, um bei schönem Wetter um die Alster zu laufen. Die erste 12 km-Runde in diesem Jahr.
Abends spreche ich mit Frank noch mal über die Woche und mein Vorhaben, darüber hier zu schreiben. „Aber lass mich nicht so schlecht wegkommen“, sagt er. Ich hoffe, das ist mir gelungen. Mir hat es gut getan, die Dinge, die ich erlebt habe, noch mal bewusst aufzuschreiben. Ich kann an meinem Leben und der Situation gerade wenig ändern, aber die Reflektion und das Sich-selbst-auf-die Schultern-klopfen werde ich sicherlich öfter anwenden. Das tun wir Frauen vielleicht alle manchmal zu selten.
Viele liebe Grüße,
Cathrin