Elternsein & Geburt
Beispielwoche
Betti hat sich gegen die strenge Schulpflicht in Deutschland entschieden und für Homeschooling in Österreich.
von Betti Saß - 26.05.2020
Diesen Text gibt es auch als Audio-Artikel. Zum Hören ans Ende des Artikels scrollen.
„Grieß di!“, so sagen die Österreicher hier, wenn sie sich auf der Straße treffen. Ehrlich gesagt, habe ich mich an diese Art zu grüßen irgendwie immer noch nicht ganz gewöhnt und mein erster Impuls ist mit „Hallo“ oder „Hi“ zu antworten. Denn eigentlich kommen wir aus der Nähe von Berlin. Mein Name ist Bettina (36) und ich bin seit zehn Jahren mit Henning (37) verheiratet. Schon beim ersten Date wusste ich, mit dem möchte ich mein Leben verbringen, und inzwischen haben wir drei wundervolle Töchter (9, 6 und 3 Jahre).
Vor etwa dreieinhalb Jahren veränderten wir unser Leben. Wir lösten unseren kompletten Haushalt auf, sind mit zwei Kindern sowie mit einem Baby für eineinhalb Jahre in einen Camper gezogen und durch Europa gereist. Auf der Suche nach einem neuen Lebensmittelpunkt, hat es uns schließlich ins schöne Salzburger Land, mitten in die Berge, verschlagen. Denn dort gibt es nur eine Bildungspflicht – keine strenge Schulpflicht wie in Deutschland. Das war uns wichtig.
Wir betreuen unsere Kinder nämlich komplett selbst – ohne Kita und Schule. Was viele nicht wissen: Man kann das Abitur in vielen Ländern auch machen, ohne einen einzigen Tag zur Schule gegangen zu sein. Also bin ich mittlerweile schon seit neun Jahren mit Leib und Seele vordergründig für unsere Kinder und das Homeschooling da. Immer wenn die Zeit es zulässt, schreibe ich an einem E-Book, in dem es um gesunde Ernährung für Kinder geht. Henning ist dagegen selbstständig und arbeitet als Business Development Manager von zu Hause aus. Wir haben uns beide bewusst für diese Aufteilung entschieden und es bisher nicht bereut.
Wir sind eine durchaus spontane Familie und entscheiden viel aus unserem Herzen heraus und somit wird unsere Woche doch oft ganz anders als geplant, wie ihr gleich lesen werdet.
MONTAG
Als wir noch keine Kinder hatten, habe ich den Montag gehasst, weil Henning und ich in unterschiedlichen Schichten aneinander vorbeigearbeitet haben. Er war damals Leiter einer Druckerei in Berlin und ich als Verkäuferin im Einzelhandel angestellt, sodass uns als Paar nur das Wochenende blieb. Heute ist es anders. Um sechs Uhr höre ich Hennings Wecker klingeln und eigentlich wollte ich auch gleich mit aufstehen, doch ich schlafe noch einmal ein und komme nicht dazu aufzustehen, da zwei Kinder mit Armen und Beinen auf mir liegen. Ich möchte es unbedingt vermeiden, sie so früh zu wecken, denn ich genieße die Ruhe morgens noch sehr.
Um 7 Uhr stehe ich auf und nutze die Zeit, um mit Henning noch ein paar wichtige Dinge zu besprechen – ungestört und ohne Unterbrechung. Dann mache ich noch ein kleines Workout, das für mich zu einer wichtigen Routine geworden ist. Es hilft mir runterzukommen und gibt mir die Kraft, den Alltag gut zu bewältigen. Zwischen 8 und 8.30 Uhr stehen dann die Mädchen nacheinander auf. Sie gehen erst mal eine Runde spielen und ich bereite für uns alle ein leckeres Frühstück vor. Gegen 9.30 Uhr frühstücke ich mit den Kindern. Henning ist da bereits im Büro, einem Extrazimmer in unserer Wohnung, das zur kinderfreien Zone geworden ist. Wir haben nämlich im Camper gelernt, wie wichtig es für uns ist, ungestört arbeiten zu können.
Nach dem Frühstück bespreche ich mit meinen Töchtern, mit was wir uns heute auseinandersetzen wollen. Anni (6) möchte unbedingt schreiben lernen und Marit (9) besser Englisch sprechen können – ich schaue dann, wo und wie ich sie dabei unterstützen kann. Rubi (3) spielt währenddessen mit Bausteinen, malt und puzzelt. Gegen 13 Uhr kommt schon wieder der erste Hunger und ich bereite für uns ein Mittagessen vor, zum Glück haben wir noch Reste vom Vortag, die ich nur kurz aufwärmen muss. Draußen scheint die Sonne und wir gehen nach dem Essen in den Wald. Dort können sich alle erst mal richtig austoben und Energie loswerden.
Auch ich atme tief durch und genieße etwas Ruhe, denn draußen sind alle sehr mit sich beschäftigt und ich kann die Mädchen einfach nur beobachten. Das mache ich so gerne und sauge diesen Moment besonders auf. Auf dem Rückweg gehen wir dann ein bisschen einkaufen, denn irgendwas fehlt im Kühlschrank einer Großfamilie immer. Diese Zeit an der frischen Luft tut uns sehr gut und wir kommen ausgeglichen nach Hause. Die Kinder gehen in den Garten, um eine Runde Trampolin zu springen, und ich freue mich beim Reingehen sehr darüber, dass Henning in der Küche schon das Abendessen vorbereitet. Wir nutzen den Moment und erzählen uns die Neuigkeiten und Ereignisse des Tages. Hier in Österreich haben wir leider keine Familie, die uns mal im Alltag mit den Kindern hilft, daher fällt unsere Zeit als Paar sehr gering aus. Nach dem Abendessen heißt es für uns Erwachsene: Kinder oder Küche? Wir teilen uns auf und treffen uns danach wieder als Familie zum Vorlesen auf der Couch. Gegen 21 Uhr legt sich einer von uns mit den Kindern hin und begleitet sie in den Schlaf.
DIENSTAG
Heute habe ich es geschafft, sehr zeitig aufzustehen. Ich nehme mir mein Zitronenwasser und beantworte einige E-Mails und Nachrichten. Dann räume ich die Wohnung noch etwas auf – das mache ich am liebsten, wenn die Kinder noch schlafen oder nicht im Haus sind. So bekomme ich wenigstens einmal am Tag das Gefühl, etwas Ordnung gemacht zu haben.  Um 9.30 Uhr frühstücken wir, die Kinder haben sich Waffeln mit Erdbeeren und Blaubeeren gewünscht. Um 11 Uhr sitzen wir Mädels auf der Couch und lernen anhand eines Lernprogrammes alle Englisch zusammen. Das macht momentan sogar der Jüngsten Spaß. Es ist für mich als Mutter eine tolle Aufgabe, die Lernschritte meiner Kinder zu begleiten und sie zu unterstützen.

„Ein bestimmtes Konzept verfolgen wir beim Homeschooling nicht, ganz im Gegenteil, wir lassen uns von den Kindern leiten.“ -

Sie geben die Interessen vor und wir liefern das Material dafür. Unsere große Tochter Marit wollte nämlich von Anfang an nicht in den Kindergarten und dadurch haben wir uns intensiv mit der Schulpflicht auseinandergesetzt. Ich bin fest davon überzeugt, dass Kinder, so wie sie laufen oder sprechen lernen, auch lesen und rechnen lernen können – dabei unterstützen wir sie. Einmal im Jahr, zum Ende des Schuljahrs, müssen die Kinder in die Schule gehen und die Externistenprüfung machen. Wir vertrauen auf ihren selbstständigen Lerndrang, ohne Druck aufzubauen, alles findet in ihrem persönlichen Tempo statt. Es ist ein Lernsystem, das für uns sehr gut funktioniert.
Nach etwa zwei Stunden sind wir fertig, weil sich die Kinder nicht mehr konzentrieren können. Wir machen eine Pause, denn das Lernen bringt nur etwas, wenn Interesse und Spaß dabei sind. Die Kinder beschließen, raus in den Garten zu gehen, und ich mache in der Zeit noch ein bisschen den Haushalt und bereite das Mittagessen vor. Wir essen draußen im Garten, denn das Wetter ist einfach zu herrlich. Am Nachmittag mache ich mich mit den Kindern fertig, denn Anni und Marit haben heute Turnunterricht für zwei Stunden. Währenddessen gehe ich mit Rubi ein paar Besorgungen machen und am Spielplatz müssen wir natürlich auch noch anhalten.
Dann sammeln wir die anderen beiden wieder ein und wir laufen gemeinsam zurück nach Hause. Als wir um 18 Uhr nach Hause kommen, rollt Henning schon in der Küche Sushi. Nach dem Abendessen spielen wir alle gemeinsam ein paar Runden UNO, danach bringt Henning die Mädchen ins Bett und ich telefoniere mit einer Freundin aus Berlin.
MITTWOCH
Heute geht es für mich und die Mädchen nach einem ausgiebigen Frühstück gleich los zu einer Verabredung mit einer anderen Homeschooling-Familie. Wir wollen uns im Wald treffen und dafür muss ich viele Snacks einpacken und Brote schmieren. Nach einer halben Stunde Autofahrt sind wir am Treffpunkt angekommen und die Kinder spielen erst mal ordentlich miteinander. Ich freue mich darüber, mich mit der anderen Mama auszutauschen. Nachdem wir noch für unsere Kaninchen einen großen Beutel voll Löwenzahn gesammelt haben, geht es nachmittags wieder zurück nach Hause.
Meine drei sind ziemlich platt von dem Ausflug, wollen Hörspiele hören und sich im Kinderzimmer entspannen. Ich erledige währenddessen den Haushalt und bespreche zwischendurch ein paar wichtige Dinge mit Henning. Wir beschließen, einen Abend mal nur für uns zu haben, nachdem die Kinder eingeschlafen sind. Und es klappt tatsächlich. Um 21.30 Uhr schlafen alle. Jetzt nur wir zwei. Da wir festgestellt haben, dass wir oft über die Arbeit sprechen, lassen wir heute dieses Thema außen vor und sprechen mehr darüber, wie es uns gerade so geht. Uns ist es immer sehr wichtig, auch mal bei dem Partner nach innen zu schauen, um mehr Verständnis für den anderen zu bekommen.
DONNERSTAG
Heute habe ich es nicht geschafft, früh aufzustehen, ich war einfach zu müde und musste mich nochmal umdrehen. Im Nachhinein ärgere ich mich darüber, denn die Zeit für mich fällt heute flach. Ich habe nur noch wenige Augenblicke, um Nachrichten zu schreiben und Kommentare auf Instagram zu beantworten, bevor die Mädchen wach werden. Außerdem muss ich noch einen Beitrag für unseren Instagram-Blog verfassen. Nach ausgiebigem Kuscheln am Morgen mit den Mädchen lasse ich den Kindern ein Bad ein und der Tag fängt an, wie er normalerweise hier aufhört. Ich wasche den Mädchen die Haare und gehe selbst duschen. Es wird gegackert, viel erzählt und gespritzt. Nachdem alle wieder angezogen und gekämmt sind, setzen wir uns zu einem späten Frühstück hin. Es gibt einen warmen Porridge mit Zimtäpfeln und eine große Kanne Tee, für mich einen Kaffee. Irgendwie komme ich heute nicht so richtig in die Gänge, das muss dann wohl am Wetter liegen. Henning sitzt im Arbeitszimmer und ich höre, dass er ein wichtiges Telefonat führt.
Eigentlich möchte ich gerade gar nichts machen und mich einfach nur auf die Couch legen, doch ich höre, dass die Kinder sich im Spielzimmer streiten, und merke, dass sie bei diesem Konflikt meine Unterstützung brauchen. Nachdem alles wieder geklärt ist, setzen wir uns gemeinsam an den Tisch und es wird erst mal gemalt. Die Kinder beschließen heute, dass sie sich ausführlich mit den Tieren Frosch und Schnecke beschäftigen müssen, und somit steht unser Lernthema heute fest. Ich suche ihnen dazu passende Bücher sowie Videos aus dem Lernprogramm heraus. Danach müssen sie Aufgaben lösen.

„Es ist bewundernswert, wie die beiden alles aufsaugen, wenn sie für ein Thema brennen.“ -

Um 14 Uhr essen wir gemeinsam. Ich habe einen großen Topf Milchreis gekocht und Henning gesellt sich auch für einen Augenblick zu uns. Die Kinder müssen natürlich gleich alles wiedergeben, was sie in Erfahrung gebracht haben, und es gibt ein lautes Durcheinander. Um 15 Uhr geht es für die beiden Großen wieder zum Turnen und Rubi und ich erledigen ein paar Einkäufe. Natürlich steuern wir den Blumenladen an und es gibt ein paar Blumen für das bevorstehende Wochenende. Wir halten kurz am Spielplatz, doch es ist nur wenig los, weil es nass und kalt ist.
Um 18 Uhr sind wir wieder zu Hause eingetrudelt. Es duftet schon nach Abendessen. Henning hat mal wieder gekocht, wofür ich unendlich dankbar bin. Nachdem wir gegessen haben und alle Kinder bettfertig sind, gibt es heute Abend ein kleines Yoga-Abendritual. Es werden alle Yogamatten ausgerollt, die wir besitzen, ich zünde Kerzen an und los gehts. Unsere Kinder praktizieren unglaublich gerne mit uns Yoga. Auch wenn es nur für 20 Minuten ist, kommen alle runter und entspannen völlig. Rubi ist heute sogar auf der Matte eingeschlafen. Um 21 Uhr bringen wir die Mädchen ins Bett und der restliche Abend gehört uns.
FREITAG
Ich genieße mein kleines Zeitfenster am Morgen, schreibe E-Mails und einen Instagram-Beitrag und schaffe danach sogar noch ein kleines Workout. Danach springe ich schnell unter die Dusche, bevor die Mädels aufwachen. Nach dem Frühstück treffen wir uns mit den Kindern am Tisch und rechnen mit Perlen. Marit zeige ich unterschiedliche Längenmaße, die gestern ein Thema für sie waren. Rubi baut in aller Ruhe einen Bauernhof aus Holzbausteinen und Tieren. Ich trinke meinen Kaffee und helfe nebenbei, wo ich gebraucht werde.
Anschließend sind die Mädchen mit ihren Cousinen, die in England leben, zum Skypen verabredet. Währenddessen lese ich ein Buch mit Rubi, um den Großen etwas Ruhe zu schenken. Gegen 13 Uhr bereite ich das Mittagessen vor – wieder gibt es die Reste von gestern. Danach geht es für Anni und Marit zum Reiten. Rubi nehme ich mit, da Henning noch etwas arbeiten muss und noch joggen gehen wollte. Am frühen Abend kommen wir vier zurück und ich freue mich aufs Wochenende. Nach dem Abendessen lesen wir noch auf der Couch und überlegen gemeinsam, was wir in den kommenden Tagen alles unternehmen wollen.
SAMSTAG
Heute haben wir alle bis um 8 Uhr geschlafen und es fühlt sich so schön an, dass wir alle gemeinsam im großen Familienbett aufwachen. Unsere Kinder wünschen sich, dass Henning und ich Geschichten aus unserer Kindheit erzählen. Außerdem wird ganz nebenbei beschlossen, dass wir heute im Bett frühstücken. Am Wochenende werden bei uns immer frische Brötchen gebacken – also flitze ich schnell in die Küche, bereite alles vor und kehre dann mit Leckereien für alle ins Bett zurück. Gegen 12 Uhr fährt Henning mit den Mädels an den See, wo sie sich mit Freunden verabredet haben. Für mich beginnt jetzt meine Arbeitszeit, denn ich schreibe momentan an meinem zweiten E-Book.
Danach genieße ich es, ein bisschen Zeit für mich zu haben, und mache Sport sowie ein wenig Haushalt. Dann stehen schon wieder alle in der Tür. Am Abend koche ich zur Abwechslung mal, heute gibt es eine Spargelsuppe. Danach spielen wir alle noch eine Runde Monopoly und Henning und ich bringen anschließend die Kinder ins Bett. Ich schaffe es tatsächlich nochmal, um 21.30 Uhr aufzustehen, und schaue gemeinsam mit Henning noch einen Film.
SONNTAG
Henning und ich werden gegen 7.30 Uhr wach und schleichen uns leise aus dem Schlafzimmer. Die Kinder schlafen noch und der Tag beginnt für uns zwei. Wir kochen uns einen Kaffee, setzen uns auf die Couch und genießen einfach den Augenblick mit Aussicht auf die grünen Berge. Eine Stunde später hören wir kleine Schritte und auf einmal sitzen wir wieder zu fünft auf der Couch. Marit, unsere große Tochter, verpflegt die Hasen, die anderen beiden spielen mit den Puppen und der Rest bereitet das Frühstück vor. Da es angenehm warm draußen ist, frühstücken wir heute im Garten. Am Wochenende dauert gefühlt alles etwas länger, aber das darf es auch. Um 10 Uhr sitzen wir dann endlich im Garten und essen bei herrlichem Sonnenschein.
Wir haben beschlossen, heute einfach mal nichts zu tun, und die Kinder springen ausgelassen auf dem Trampolin. Gegen Mittag backe ich einen Rhabarberkuchen und Henning baut mit den Kindern Puppenhäuser aus Karton für den Garten, damit die richtigen Puppenhäuser nicht immer hoch- und runtergetragen werden müssen. Dann fahren wir noch eine Runde Skateboard, Roller und Fahrrad. Jeder, wie er mag. Gegen 18 Uhr essen wir draußen zu Abend und gehen erst gegen 20 Uhr rein. Kleine schwarze Füße wollen sauber gebürstet werden und eine Stunde später sind tatsächlich alle fertig fürs Bett. Marit liest noch ein Kapitel aus ihrem Buch und die anderen beiden bekommen eine Geschichte vorgelesen.
Wir gehen zusammen gegen 21.15 Uhr ins Bett, reflektieren noch gemeinsam den Tag, lauschen dann noch etwas dem Atmen unserer schlafenden Kinder und schlafen gegen 22 Uhr auch mit ein.
Wer noch mehr von Betti und ihrer Familie sehen und lesen möchte, sollte unbedingt mal auf ihrem hübschen Instagram-Account thatfuelforlife vorbeischauen. 

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