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Im letzten Herbst habe ich meinen Masterstudiengang Philosophie begonnen. Mit 39. Klar, können sich da psychoanalytisch versierte Menschen fragen, ob diese Entscheidung unbewusst ob meines existierenden Beuteschemas getroffen wurde. Denn seit über zehn Jahren stehe ich auf Jüngere. Und mit jeder abgebrannten Kerze auf meiner Geburtstagstorte werden die Abstände zu den Männern, die ich date, größer.
Begonnen hat alles kurz nach meinem 27. Geburtstag. Auf einer Party lernte ich einen 21-Jährigen kennen und weichte diesem einige Monate nicht mehr von der Seite. Bis dato waren meine Männer immer älter gewesen. Mit 16 Jahren hatte ich einen 27-jährigen Freund. Mit 23 einen 28-jährigen Freund und mit 26 einen 44-jährigen. Nie hatte ich damit ein Problem. Im Gegenteil: Mit älteren Männern zusammen zu sein, sah ich vor allem als Vorteil. Ich fühlte mich besser verstanden und auch besser befriedigt.
„Dabei kam ich nie beim Sex. Aber, wer hinterfragt sowas schon als junges Mädchen.“ -
Allerdings änderte sich mit meinem ersten Jüngeren auch mein Blick. Plötzlich fand ich es gar nicht mehr so toll, das süße Girl an der Seite irgendeines alten Mannes zu sein. Ich begriff, dass die Jungs, die auf ältere Frauen standen, zwar nicht mit Erfahrung punkten konnten, dafür aber mit Persönlichkeit. Und das hatte mich schon immer viel mehr interessiert als Geld und Status. Würde ich auf eine Yacht eingeladen werden, mit hundert Millionären an Bord, um vier Uhr morgens säße ich mit dem, der das Boot in zwei Stunden sauber machen müsste, besoffen in irgendeiner Ecke und redete über Gott und die Welt. Auf einen Ernährer hatte ich es also nie abgesehen. Dementsprechend stand zwischen jüngeren Männern und mir auch nie ein monetäres Problem.

Seit dieser Beziehung mit diesem fantastischen 21-Jährigen bin ich nie wieder mit einem älteren Mann auf ein Date gegangen. Entweder waren sie so alt wie ich oder eben jünger. Gefunden habe ich sie auf Tinder, indem ich die Altersangabe konkret auf 18 bis 30 stellte. Beziehungen habe ich mit ihnen aber trotzdem nie geführt, sondern sie in wechselnden Affären untergebracht.
„Der Jüngste war 18, der größte Altersunterschied lag bei 15 Jahren.“ -
Das machte ich so lange, bis ich von einem Gleichaltrigen mein erstes Kind bekam, wir ein bisschen Familie versuchten und dann am Ausräumen der Spülmaschine scheiterten. Dann wechselte das mit den Affären nicht mehr wöchentlich, wie noch vor dem Kind, aber auch nach dem Scheitern meiner Beziehung suchte ich wieder nur Jüngere.
Im letzten Sommer, ich war gerade in Schreibklausur in Tel Aviv, um an meinem Roman zu arbeiten, angelte ich mir einen 25-Jährigen, der aufgrund eines Kriegseinsatzes am Körper aussah wie ein Ersatzteillager. Ich schmolz dahin. Die große Wunde, die er vor sich trug, war mein Libido-Elixier. Seine Sex-Skills hatte er sich allerdings nicht in der Realität angeeignet, sondern durch stundenlanges Pornhub-Schauen. Ich war ein bisschen irritiert. Das muss ich an dieser Stelle schon auch zugeben.

Er wirbelte mich alle paar Sekunden durch die Gegend und ich landete in irgendeiner ausgefallenen, aber nicht gerade befriedigenden Stellung. Ständig hielt er mir seinen erigierten Penis ins Gesicht, so als wartete ich, ähnlich wie die Pornodarstellerinnen mit ihren weit aufgerissenen Mündern, nur auf das orale Eindringen des männlichen Zauberstabs. Ich versuchte ihn vorsichtig darauf hinzuweisen, dass sich in meinem Rachen, anders als es im Welthit „Deep Throat“ behauptet wurde, keine Klitoris befand. Sie klebe da unten an meiner Vulva, sagte ich, und wundere sich ein bisschen darüber, dass ihr keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wird. Da horchte der 25-Jährige schon auf und forderte intensiv eine Gebrauchsanleitung, die dann auch akribisch befolgt wurde.
„Was sie also haben, die Jüngeren, ist das Wissen um den weiblichen Orgasmus. Einfach, weil sie fragen!“ -
Dieser Einsatz fehlte bei allen Männern, die älter als ich waren, komplett. Dazu kommt, dass die Jüngeren den Ansporn haben, das Beste für die Frau herauszuholen. Man muss ihnen aber den Pornoslang abtrainieren, der sich in ihre Performance eingeschmuggelt hat. Das macht Arbeit, die möglicherweise keine Frau leisten möchte. Das verstehe ich sogar. Trotzdem hänge ich immer noch beim Beuteschema „jung“. Wenn ich Serien gucke, checke ich den unter 30-Jährigen aus.
„Ich schaue den volljährig gewordenen Söhnen meiner Freundinnen hinterher.“ -
Ich bewundere ihre festen, rosigen Wangen, die gut gebauten Oberkörper und werde zum fleischgewordenen Cougar-Albtraum, in dem sich die Komikerin Jenny McCarthy einmal auf einer Filmpremiere wiederfand. Da knutschte sie den blutjungen Justin Bieber völlig kopflos am Nacken nieder. Das ist mir glücklicherweise noch nicht passiert. Und bis ich selbst zum Klischee werde, habe ich auch noch mindestens zehn Jahre. Bis dahin jedenfalls bin ich gerne die Milf, die alle Boys schon mal bei Google gesucht haben, und nehme, was ich kriegen kann. Irgendwann ist dieser Spaß auch vorbei und ich werde definitiv zu alt sein.
Portraits: Shai Levy