In 2019 habe ich oft Nein gesagt und habe auch 2020 vor, dies häufig zu tun. Weil es mehr Raum für die guten Jas schafft. Manche können damit als Gegenüber sehr gut umgehen, andere nehmen es als Kritik auf. Das brachte mich auf die Idee, mit meiner Freundin der Psychotherapeutin Miriam Junge über dieses Thema als Therapie-Quickie zu sprechen. Wie immer hat sie herrlich einfache und einleuchtende Tipps.
Viel Spaß beim Lesen & vor allem: Umsetzen!
Herzlich,
Die Frage lautet: Wie übe ich Kritik, ohne mein Gegenüber zu verletzen?
Miriams Antwort ist:
„Es gibt drei Dinge, die ich euch heute zu dem Thema im wahrsten Sinne des Wortes mit an die Hand geben kann.
Alle sind aufgeregt, wenn es um Konflikte geht. Auch die, die so tun, als wären sie es nicht. Wer Kritik übt, läuft Gefahr, das Gegenüber zu verstimmen, nicht mehr gemocht zu werden. Und: aufgrund von unterschiedlichsten Emotionen partout die eigene Meinung durchdrücken zu wollen. In genau dieser Aufregung vergisst man schnell, sachlich beim Thema zu bleiben und, dass es nicht ums Gewinnen geht, sondern darum, den eigenen Standpunkt klar zu machen.
Also gebe ich euch heute drei Tricks an die Hand. Die könnt ihr euch, egal wie aufgeregt ihr sein solltet, tatsächlich an drei Fingern abzählen während so eines Gesprächs.
Trick Nummer eins: Sende Ich-Botschaften, statt mit Du-Botschaften zu erschlagen.
Das ist der Trick, bei dem sicher viele denken: „Kenn ich doch längst!“ Wie habe ich so schön an Weihnachten bei Instagram gelesen: „Wenn du glaubst, deine Therapie war erfolgreich, besuche deine Familie.“ So oder so ähnlich. Wir vergessen die dollsten Regeln, wenn unser Gegenüber die übelsten Gedanken aus uns herauskitzelt. Dann sind wir schnell beim bösen „Du! Du! Du!“ und auch sehr fies „immer!“.
Kommt euch ebenfalls bekannt vor? Deshalb legen wir jetzt auf den Daumen die Erinnerung daran, immer schön Ich-Botschaften zu senden. Wir reden von uns selbst, wie wir uns fühlen, was wir uns wünschen. So bleibt unser Gegenüber bei uns und hört zu. Genau das wollen wir ja.
Trick Nummer zwei: Wenn wir uns ineinander verhaken, machen wir Pause & gehen ins Zwiegespräch.
Genau, da darf man jetzt ruhig einen Ring mit zwei BoxerInnen vor Augen haben. Die werden auch in die Pause, in ihre Ecken geschickt, wenn sie sich zu doll ineinander verhakt haben. Und genau diese Erinnerung legen wir uns auf den Zeigefinger. Wenn es in der Diskussion zu heiß hergeht, man sich im Kreis dreht oder anfängt, sich doch zu verletzen, statt zu einer Einigung zu kommen, hilft entweder, sich zu vertagen. Souverän zu sagen, lass uns eine Pause machen und am xyten um xy Uhr weiter darüber sprechen.
Oder und das ist ein Trick aus der Paartherapie: Wir gehen in ein Zwiegespräch. Zuerst darf der/die eine 15 Minuten am Stück ohne Unterbrechung der anderen Person erzählen. Dann wird gewechselt. Verboten ist dabei zu unterbrechen, zu kommentieren, auch nonverbal. Erlaubt ist: einfach nur zuhören.
Der Trick funktioniert bei PartnerInnen genau so wie bei KollegInnen und FreundInnen
Trick Nummer drei: Paraphrasieren statt die andere Person zu rasieren.
Was nicht das Ziel ist: Das Gegenüber fertig zu machen. So verlockend das mitunter manchmal sein mag. Weil man sich im Recht fühlt, weil – ist ja auch egal. Jemanden zu rasieren im Sinne von fertig machen, fühlt sich vielleicht kurzfristig mal gut an, wenn man so gestrickt ist, mir geht es aber um langfristige Ziele. Und das heißt zum Thema Konflikte: eine gemeinsame Lösung finden.
Das schaffen wir, indem wir auf Augenhöhe bleiben. Das geht zum Beispiel gut mit Paraphrasieren. Sprich Sicherzustellen, dass man das Gegenüber richtig verstanden hat. Nachzufragen, was der andere versucht zu sagen, es zu wiederholen, damit man das Gehörte abgleichen kann mit dem, was das Gegenüber eigentlich meint. Wir können leider nicht in die Köpfe der Anderen gucken, aber wir können versuchen, zu verstehen, was da raus und bei uns ankommt.
Das Gegenüber fühlt sich durch dieses Vorgehen gesehen und gehört, man bleibt mit ihm/ihr auf Augenhöhe.
Rasieren wir jemanden mit unserer Meinung, geht die Person entweder in die Abwehr- oder Angriffshaltung, weil sie sich nicht in ihren Bedürfnissen gesehen fühlt.
Also: zuhören, nachfragen, das Gesagte wiederholen. Das nennt man auch Perspektivenübernahme und funktioniert wirklich sehr, sehr gut. Probiert es aus!
Dies noch für den Weg, legt es euch als Erinnerung auf den sehr passenden Mittelfinger: Alles, was aus einer Senftube raus ist, ist raus. Das bekommt man da nicht mehr rein. Genau so ist es mit dem Gesagten. Bevor ihr also etwas sagt, dass ihr gar nicht meint – holt Luft. Geht weg. Und kommt wieder, mit klarem Kopf und diesen drei Tricks. Denkt daran:
Es geht nicht ums Gewinnen. Es geht nicht darum, einen Konflikt zu beenden. Es geht nicht darum, die Meinung des Anderen übernehmen zu müssen. Es geht um einen Kompromiss, dass man etwas miteinander verhandelt, auf das sich beide einigen können.
Ihr macht das schon.“