Liebe, Beziehung & Sex
Tschüssi Single-Stress
Nach langer Beziehung wieder solo – und nun? Endlose Partys und heiße Dates? Isabel erzählt von ihren Erfahrungen.
von Isabel Robles - 01.01.2024
Die Audiodatei dieses Textes gibt es am Ende des Artikels.
„Oh, wow, dann bist du ja jetzt SINGLE!“, „Du bist also wieder auf dem Markt“, „Und, datest du jetzt viel?“
Das sind Sätze, die ich seit etwa einem Jahr regelmäßig höre, wenn ich erzähle, dass ich getrennt bin. Mit dem Vater meiner Kinder bin ich nach zwölf Jahren in Freundschaft auseinandergegangen.
Ich fühle mich als ganz vieles, seit ich nicht mehr im klassischen Familienmodell lebe: als starke, unabhängige Frau, als eine, die echt viel gestemmt bekommt, als hingebungsvolle Mutter. Ich fühle mich freier und manchmal viel jünger, ab und zu aber auch erwachsener. Ich habe mehr Kapazitäten für Freundschaften und auch für mich selbst. Für Sport, Therapie und dafür, unzählige Romane zu verschlingen. Sogar für meine Kinder habe ich gefühlt mehr Zeit und Raum.

„Als Single fühle ich mich nicht.“ -

„Auf dem Markt“ erst recht nicht. „Dating“ – allein das Wort.
Was ist das für eine komische Welt, in der nach einem so großen Bruch erwartet wird, dass man sich direkt wieder ins Getümmel schmeißt auf der Suche nach dem*der nächsten Partner*in?
„Ich brauche keinen Mann und will vor allem erst mal ganz sicher keine Beziehung“ und „Ich bin nicht bereit für eine Lovestory“. Ich wurde nicht müde, das zu wiederholen. Dabei stimmte das nicht ganz. In den ersten Monaten war ich so verletzt und verwundet, so schwach und verunsichert – ich hätte mich sofort in die nächste Geschichte gestürzt. Zum Glück bin ich niemandem begegnet, mit dem das hätte passieren können.
Ja wirklich, zum Glück! Denn ich glaube, es war und ist wahnsinnig gesund für mich, erst mal zu verarbeiten, was passiert ist, nachzufühlen, wie es mir geht. Reinzuwachsen in die neue Rolle, in das neue Leben.

„Würde ich mich morgen verlieben, würde ich sofort damit aufhören, an mir zu arbeiten, zu reflektieren.“ -

Als diese erste verletzte Phase überwunden war und ich mein neues Leben zu genießen begann, fühlte ich mich richtig wohl und an Dating sowie an Männer habe ich selten gedacht. Aber da war durchaus ein Druck von außen zu spüren. Man muss als Single ja Männer treffen, ausgehen, Spaß haben, man muss Sex haben. Der letzte Punkt scheint vielen am wichtigsten zu sein.
Bereits seit der Erstausstrahlung von „Sex and the City“ habe ich von der Rolle Samantha verinnerlicht bekommen, dass zu einem guten Single-Leben auf jeden Fall selbstbewusster Sex mit möglichst vielen Typen gehört. Dass dieser Sex in der Realität aber selten für Frauen erfüllend ist, geschenkt. Dass es einfach nicht so oft wie auf dem Bildschirm vorkommt, dass man jemanden trifft, mit dem man körperlich so richtig auf einer Wellenlänge ist – tja.
Ich machte mich also auf die Suche nach einem „Toy Boy“. Ein schlimmer Begriff, oder? Die weibliche Version davon wäre definitiv nicht politisch korrekt. Früher, also vor dem Vater meiner Kinder, hatte ich solche Affären häufig, ich nannte sie gerne Ü-Männer (Ü steht für den Übergang, bis sich etwas Besseres findet) und ich habe sie immer beim Ausgehen kennengelernt.
Heute macht man das per App. Das wusste ich. Den Vater meiner Kinder habe ich kennengelernt, bevor es Apps gab. Ich fand diese Welt immer spannend und hatte mich fast ein bisschen darauf gefreut, sie selbst auszuprobieren. Es sah nach Spaß und Abenteuer aus, swipe rechts, Match, man schreibt sich, man trifft sich.
Es gibt Apps für Single Parents (Even), für selbsternannte Promis (Raya), nur für Sex (Feeld), es gibt Bumble, Tinder und Hinge sowie viele mehr. Doch ich war das Ganze schnell leid. Es ist zeitintensiv. Bis es zu einem Swipe nach rechts kam, musste ich erst durch hundert Nieten durch.

„Ich fand es auch während des Swipens nicht okay, dass es wirklich fast NUR um das Äußere geht.“ -

Mich ermüdete außerdem das Geschreibsel, wenn man ein Match hatte. Mein dritter Satz war meist: „Können wir uns nicht direkt treffen?“ Das fanden viele total krass.
Außerdem ist Online-Dating eine harte Branche. Es passiert durchaus, dass ein Match plötzlich gelöscht wird oder einfach nicht mehr antwortet. Manchmal ist auch das Profil mitten in der Konversation einfach weg. Das darf man nicht persönlich nehmen, aber ich habe es als demotivierend empfunden. Und wieder: Es frisst alles so viel Zeit!
Ein paar Dates habe ich natürlich trotzdem gehabt. Sogar ganz nette. Völlig neu war für mich, dass die meisten sich tagsüber treffen wollten. Das kannte ich nicht. Ein 30-Jähriger fand meinen Vorschlag, sich um 22 Uhr in einer Bar zu treffen, absurd. Ich wurde rot, während ich die Antwort ins Handy tippte. „In meiner Generation hat man sich eben nachts kennengelernt und immer besoffen.“ Leider ist das die Wahrheit.
So unterhaltsam das alles war – erfüllend fand ich es nicht. Und fragte mich schnell, warum ich das mache. Die Antwort ist leicht: weil es erwartet wird. Niemand will doch allein sein, oder?
Eine Freundin sagte zu mir, als die Trennung noch nicht beschlossene Sache war: „Vielleicht wirst du nie wieder einen Mann finden.“ Das saß. Ich war tief verletzt. Fragte mich:

„Ist es also besser, in einer unglücklichen Beziehung als allein zu sein?“ -

Ich glaube, sehr viele Frauen würden diese Frage mit einem JA beantworten, wenn sie ehrlich sind. Sie stecken in mittelschönen Partnerschaften, haben aber Angst davor, ohne Partner*in zu sein. Verständlich. Denn das ist ja schon ein Stigma. Alte Jungfer. Hat keine*n abbekommen. Ist frustriert und unzufrieden, weil hat ja keine*n abbekommen. Mit diesen Bildern bin ich aufgewachsen. In der Familie meiner Mutter gab es viele unverheiratete Frauen. Und obwohl das tolle und unabhängige Frauen waren, begegnete man ihnen immer mit Mitleid. Als hätten sie etwas enorm Tolles im Leben verpasst. Oder eher: nicht hinbekommen. So ein Quatsch.
Sicher haben mich zudem auch „Cinderella“-Filme und all die romantischen Komödien aus den 90ern geprägt. Da lernt man, dass es das Lebensziel ist, einen tollen Mann rumzukriegen. Es wird suggeriert, dass es ganz normal ist, sich den größten Teil seiner freien Zeit darüber Gedanken zu machen, wie man das schaffen könnte, einen Mann zum Heiraten zu finden.
Der Ring am Finger wurde mir immer als das größte Glück im Leben einer Frau verkauft. Hochzeit und Kinder – ein vollkommenes Leben, das Ideal.
Natürlich ist das heute nicht mehr so. Aber die Prägungen sitzen tief. Als eine Frau, die kein Interesse an Männern, an Liebe, Flirten und Sex hat, die gar prüde oder asexuell zu sein scheint – so will auch ich nicht gesehen werden.

„Aber ich will auch nicht auf Teufel komm raus daten, sondern lieber ein bisschen mit mir selbst zusammen sein.“ -

Zwar waren meine Dates spaßig und manche habe ich sogar mehrmals getroffen, aber am Ende beschloss ich, dass es mir zu wenig gibt, meine Zeit mit wildfremden Menschen zu teilen. Nicht selten saß ich leicht gelangweilt vor meinem grünen Smoothie, hörte mir die Lebensgeschichte von einem wirklich hübschen Kerl an („Hab in Barcelona gelebt, dann New York, jetzt Berlin, ist echt so super hier, die Leute sind so offen, es ist so tolerant!“) und dachte: „Da könnte jetzt eine gute Freundin von mir sitzen und wir könnten über wirklich interessante Dinge sprechen, lachen und eine gute Zeit haben.“
Ich bin also sehr, sehr inaktiv auf den Apps. Ist mir einfach zu viel Arbeit mit zu wenig Benefits. Lieber gehe ich mal tanzen, laufe mit offenen Augen durchs Leben und wenn mir einer gefällt, dann können wir immer noch weitersehen.
Kurz habe ich übrigens in Betracht gezogen, es mit Frauen zu versuchen. Ich mag die Idee, am Ende mit einer Frau glücklich zu werden, so wie zum Beispiel Jenna Lyons. Auch ein paar meiner Freund*innen sind jetzt, mit Mitte 40 und großen Kindern, mit Frauen zusammen. Leider stehe ich sexuell jedoch auf Männer. Wobei! Vielleicht ist mir die Richtige einfach noch nicht über die Weg gelaufen.
Je länger ich ohne Beziehung lebe, desto mehr merke ich, wie sehr ich dieses Leben mag. Es ist ruhiger, aber ich fühle mich fast nie allein. Es ist frei und spaßig und ab und zu auch mal lustvoll, aber eben nicht um jeden Preis. Ich will nicht mit Männern schlafen, nur weil es von mir erwartet wird, und ich will auch keine Beziehung, nur um nicht als alleinstehende, unglückliche Frau abgestempelt zu werden. Mit einem Mann zusammenleben – ich glaube, das will ich wirklich nie mehr. Dafür ist das Leben jetzt gerade viel zu glücklich und vollkommen – allein mit meinen Hobbys, meinen vielen Freund*innen, meinen Leidenschaften und meinen Kindern.
Wer weiß, vielleicht kaufe ich mir irgendwann sogar eine Katze und erfülle das Klischee der alleinstehenden, alten, verrückten, aber freien, zufriedenen und glücklichen Dame vollends.
Keine unattraktive Vorstellung, finde ich!
Eure
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