Mode & Beauty
Neue beste Freunde
Marlene Sørensen lädt uns ein, Kleidung als Komplizen zu sehen. Die dabei helfen, uns selbst zu gefallen.
von Marlene Sørensen - 01.04.2021
Die Audiodatei findet ihr am Ende des Textes.
        
In „Der Hals lügt nie“, ihren Betrachtungen über das Leben in den besten Jahren, schrieb Nora Ephron: „Was dir an deinem Körper mit fünfunddreißig Jahren falsch vorkommt, ist mit fünfundvierzig Jahren schon Nostalgie.“
Moment, „Der Hals lügt nie“, wurde das nicht schon mal erwähnt? Bestimmt sogar. Die Texte von Nora Ephron, nicht nur die aus diesem Buch, sind eine Art Kompass für mich, an dem ich mich immer wieder ausrichten kann, ob es um das Schreiben, das Fühlen oder das Denken geht.
Über diesen bestimmten Satz denke ich nun schon seit ein paar Wochen nach. Denn einerseits gebe ich ihr recht: Was ich mit 35 an meiner Figur auszusetzen hatte, kommt mir inzwischen wie eine schöne Erinnerung vor. Und das, obwohl ich nicht mal so genau sagen kann, was es war. Aber irgendwas war es sicher, denn irgendwas war bislang ja immer. Inzwischen fallen mir dagegen konkrete maßgebliche Makel auf. Meine Theorie, dass Altern ganz lange gar nicht passiert und dann sehr plötzlich, bestätigt etwa, dass sich scheinbar von einem Tag auf den nächsten die Pigmentflecken auf meinem Dekolleté zu einer stillen Protestbewegung gegen all die Sonnenbäder meiner Jugend zusammengerottet haben (Nicht umsonst heißt Ephrons Buch „Der Hals lügt nie“).

„Auch bemerkenswert, dass Brüste simultan schrumpfen und erschlaffen können.“ -

Morgens stehe ich öfter mal vor dem Badezimmerspiegel und schiebe mit den Händen meine Kinnpartie nach hinten und oben.
Aktuell stelle ich diese Entwicklungen wie ein interessierter Beobachter fest. Ich bin allerdings auch noch nicht 45. Vielleicht sehe ich das alles in drei Jahren viel kritischer.
Heute, und das ist nun das Andererseits zu Nora Ephrons Feststellung, habe ich nur wenig an mir auszusetzen. Im Grunde gar nichts. Und das zum ersten Mal, seitdem als Teenager meine Vorstellung davon geformt wurde, wie ein Körper auszusehen hat. Nostalgie beinhaltet, dass man sehnsüchtig, wenn nicht gar traurig zurückblickt. Ich lerne dagegen gerade, nein, endlich, auch und vor allem die Dinge an mir zu schätzen, die ich immer als ungenügend empfand. (Es mag verschiedene Gründe haben, warum ich zu diesem „Heureka!“ gekommen bin – die Gleichmut des Alters, das bessere Körpergefühl durch Sport, möglicherweise auch eine komplett falsche Selbsteinschätzung, in der ich besser aussehe, als ich es in Wahrheit tue –, aber ich analysiere das nicht weiter, sondern nehme es als das Geschenk, das es ist.)
Zum Beispiel meine Schultern und Oberarme, die ich jahrelang nicht in Tanktops steckte, weil ich mir einbildete, ich hätte ein Kreuz wie Michael Phelps. Oder meinen Po, der meist unter langen Pullovern versteckt war, dabei hatte er doch gar nichts falsch gemacht. Oder meine Minibrüste, die in Schaumstoff-Polster gedrückt wurden.
Was ich euch hier zeige – Spitze, bauchfrei, eng anliegend –, könnte man nun als klischeesexy verdächtigen. Ich glaube mitnichten, dass man seinen Körper freilegen muss, um sich anziehend zu finden. Mir geben beispielsweise auch tiefergelegte Khakihosen oder ein Oversized-Trenchcoat das Gefühl, unwiderstehlich zu sein (genauer: unwiderstehlich für mich, nicht für andere. Wenn ich überhaupt etwas gelernt habe, dann, dass Körpergefühl mit der Selbstansicht beginnt). Doch gerade nach dem letzten Jahr, das ich größtenteils in weiten Rollkragenpullovern und Hosen mit Gummizug verbracht habe, habe ich das Bedürfnis nach weniger „Okay für Zoom“ und mehr „Va-va-voom“.
Es ist schließlich auch ein Klischee, dass man als eine Frau gewissen Alters nur noch zwei Möglichkeiten hat: Entweder man hüllt sich in Navy und wird zu Jil Sander. Oder man holt die Federboa raus und wird zu Iris Apfel.
Die Frauen, die mich derzeit und zu diesen Looks inspirieren, sind andere, darunter Melissa McCarthy in einem Strickkleid auf dem aktuellen Cover der amerikanischen „InStyle“ (scrollt ein wenig runter, dann kommt das Bild von Melissa in ihrem sensationellen türkisfarbenen Strickkleid). Katie Holmes mit ihrem Internet-sprengenden Cashmere-Ensemble von Khaite. Jenna Lyons in allem, aber besonders mit ihren langen Halsketten zu weit aufgeknöpften Hemden/Blazern.
Viel mehr als zu konkreten Teilen bringen sie mich aber dazu, einfach auszuprobieren, worauf ich Lust habe – wie ein Bandeau unter einem akkuraten Anzug. Das Top habe ich mir nur fürs Shooting geliehen, aber ich glaube, ich behalt’s und trag den Look genauso, wenn ich das erste Mal wieder mit Freundinnen in eine Bar gehe. Warum denn nicht?

„Falls bei der Vorstellung, ein bauchfreies Top zu tragen, nun jemand schreiend den Laptop zuklappt – verständlich.“ -

Die gleiche Reaktion habe ich, wenn ich mir vorstelle, mit einem Minirock in die Öffentlichkeit zu gehen. Das hat nichts mit meinen Beinen zu tun, sondern mit meinem Kopf: Ich sehe mich so nicht, habe ich nie, werde ich nie. Diese Kolumne ist, dieses Mal vielleicht mehr denn je, nicht als Eins-zu-eins-Anleitung gedacht, sondern als Einladung, euch in Kleidung wohlzufühlen und sie als eure Verbündete zu sehen. Große Ohrringe, die gegen meinen Nacken klimpern, eine halbseidene Bluse, durch die man einen Spitzen-BH erahnt, eine Jeans, die den Po abrundet – all das sind Komplizen, die mir ein unschlagbares Gefühl geben. Das, mir zu gefallen.
Was auch immer euch dieses Gefühl gibt: Zieht’s an. Am besten noch heute. Denn das kann ich auch mit 41 Jahren schon sagen: So jung kommen wir nie wieder zusammen.
Eure
Die LOOKS
Look 1: Weißer Anzug von Giuliva Heritage x H&M (alt). Ähnlich: Doppelreiher von Zara und weite Hose mit Cut-out, ebenfalls von Zara // Bandeau-Top von Cos // Ohrringe von Malaika Raiss (alt), ähnlich ebenfalls von Malaika Raiss // Pumps von Zara (alt), ähnlich von Mango
Look 2: Schwarzes Strickkleid von By Malene Birger, ähnlich von Edited (in Schwarz) und Holzweiler (in Braun, Flieder und Schwarz), mit Puffärmeln von Staud oder ärmellos von Toteme // Ohrringe von Malaika Raiss
Look 3: Strickjacke von Arket (aktuell ausverkauft), ähnlich von & Other Stories // Spitzen-BH von Closely. Closely habe ich euch zwar schon in vorherigen Kolumnen vorgestellt, aber die schwedische Marke hat ihr Sortiment noch mal erweitert, beispielsweise im Bereich T-Shirt-, Still- und Sport-BHs. Plus: Kann gar nicht oft genug wiederholen, wie gut der Spitzen-BH auch dank der angenehm breiten Träger sitzt. Die Größen bei Closely reichen von XXS bis XXXL. Ebenfalls empfehlenswert für Design und Größenauswahl: Lingerie von Love Stories und Lonely
Look 4: Seidenbluse von Sézane // Halskette von Alighieri (secondhand über Vestiaire Collective), ähnlich von Missoma
Look 5: Jeans „Mairaa“ von Armedangels // Tanktop von & Other Stories (alt), ähnlich ebenfalls von & Other Stories
Fotos: James Castle
       
Die Audiodatei gibt es hier als Download.

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