Elternsein & Geburt
Der Anfang als Mama
Mit Kind läuft vieles anders als gedacht. Das hat auch Marie Nasemann festgestellt und für uns aufgeschrieben.
von Marie Nasemann - 23.06.2020
Während sich Deutschland im Shutdown befand, brachte ich natürlich, flott und friedlich in Berlin-Friedrichshain mein kleines Wunder zur Welt. Wir hatten vorher von den Beschränkungen gehört, die viele Familien erlebt haben, und von Vätern, die nicht mit in den Kreißsaal durften. Mein Freund war glücklicherweise während der gesamten Geburt dabei und musste lediglich als Vorsichtsmaßnahme für einen halben Tag die Wochenbettstation verlassen. Aber das war auch okay so, denn es gab mir die Zeit, meinem Baby in Ruhe Hallo zu sagen und es ein wenig besser kennenzulernen. Nur wir zwei.

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Als wir dann zuhause waren, begann eine unglaublich schöne und anstrengende Reise, die ich nicht missen möchte. Wir drei haben uns eingemummelt. Wir genossen die erste Zeit, während die Welt da draußen ebenfalls stillstand. Es war ein bisschen so, als hätten alle mit uns zusammen Wochenbett gehabt. Die Pandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen haben dazu geführt, dass der Kleine lange Zeit niemanden außer uns kennenlernen durfte bzw. musste. Ehrlich gesagt war es zu Beginn auch eine Hilfe, dem Kleinen in unserer Wohnung damit einen Schutzraum bieten zu können, da Besuch nicht möglich war. Für die Großeltern war das natürlich sehr bitter, Skype und Zoom haben jedoch die Wartezeit bis zum ersten persönlichen Kennenlernen nach ein paar Wochen zumindest etwas erträglicher gemacht.
In diesen acht Wochen habe ich viele Tränen geweint. Tränen des Glücks und Tränen der Erschöpfung. Und auch die ein oder andere Träne vor Schmerzen, denn dieses Stillen war am Anfang für mich eine verdammt unangenehme Sache. Das ging mit der Zeit und ein bisschen Übung dann aber immer besser, von dem ein oder anderen Rückschlag mal abgesehen. Mittlerweile habe ich meinen Frieden mit dem Stillen geschlossen und schätze es als Momente des Bondings und als willkommene Gelegenheit, meinen Sohn zu beruhigen, wenn er mal sehr aufgeregt, traurig, wütend oder alles auf einmal ist.

„Vieles läuft anders, als ich es mir vorgestellt habe.“ -

Nie hätte ich gedacht, dass der Mittagsschlaf so ein großes Problem werden würde, dass der Kleine den Kinderwagen hasst, es dafür liebt, getragen zu werden. Auf den Kauf des Beistellbetts hätten wir verzichten können, denn er schläft nur in unserem Bett. Überraschenderweise komme ich auch mit dem Schlafmangel klar – etwas, dass ich vorher nicht von mir erwartet hätte, denn vor der Geburt war ich zu nichts zu gebrauchen, wenn ich nachts weniger als acht Stunden schlief. Heute komme ich mit sechs Stunden Schlaf – mit Unterbrechungen und Baby auf mir drauf wohlgemerkt – easy durch den Tag. Das müssen wohl die Hormone sein. Was ich auch nie vermutet hätte: Ich liebe Wickeln! Was wohl daran liegt, dass der Wickeltisch ein absoluter Hotspot für den Kleinen ist und er dort selig und entspannt die Zuneigung von Mama und Papa genießt. Warum er sich da so pudelwohl fühlt? Ich habe keine Ahnung.
Ansonsten bin ich gerade schwer verknallt. Jeder Wutausbruch unseres Babys ist sofort vergessen, wenn er zehn Minuten später sein noch tonloses und äußerst charmantes Lachen lacht. Jeder neue Blick, den er draufhat, bringt uns zum Strahlen und versetzt uns in Begeisterung. Das gilt auch für seine Körpergase, die sich ihren Weg ins Freie bahnen.
Das Einzige, das genauso gekommen ist, wie wir es vermutet haben, ist der Stolz der Großeltern. Natürlich halten sie unseren Sohn für extrem weit und überdurchschnittlich gut entwickelt. Und sowieso für das schönste Kind der Welt. Da müssen wir ihnen natürlich Recht geben. Aber manchmal geht er uns auch unglaublich auf die Nerven mit seinem Gequengel und treibt uns zur Weißglut, wenn er nicht aufhört, zu weinen, und wir einfach nicht verstehen, was ihm fehlt.
Und ich finde es schade, dass ich ihn nicht im Kinderwagen durch die Gegend schieben kann und er darin abends friedlich schläft, während ich Freundinnen zum Abendessen treffen kann. So war das nämlich bei meiner Freundin. Aber so ist es nun mal und ich habe verstanden, dass man nicht ein Baby in den eigenen Alltag integriert, sondern man den eigenen Alltag an die Wünsche des Babys anpasst. Das war ehrlicherweise für mich erst einmal eine Umstellung, aber jetzt kommen die Freundinnen eben einfach zu mir nach Hause und der Kleine schläft statt im Kinderwagen in der Federwiege mit Motor.

„Für die Zweierbeziehung ist so ein neues Lebewesen natürlich auch eine Gefahr.“ -

Auch wenn die Liebe zwischen uns durch das Kind noch tiefer wurde, ist es eine tägliche Aufgabe, die romantische Liebe aufrechtzuerhalten, denn natürlich haben wir beide momentan nur Augen für den Kleinen und huschen manchmal in der Wohnung an uns vorbei, beschäftigt mit Haushalt, E-Mails oder Babybespaßung. Irgendwann hält aber einer von uns inne, packt sich den anderen und fragt: „Haben wir uns heute eigentlich schon geküsst?“, und dann müssen wir meistens lachend feststellen, dass wir es schlicht vergessen haben.
Genauso wichtig wie die Pflege der Beziehung zwischen Sebastian und mir ist aber meiner Meinung nach auch, dass man sich selbst nicht vergisst. Ich brauche regelmäßig Zeit für mich. Mit Baby ist dies zu einer der größeren Herausforderungen mutiert. Doch dadurch, dass wir das Glück haben, beide zu gleichen Teilen für den Kleinen sorgen zu können, schaffen wir uns gegenseitig diese kleinen Freiräume. Sebastian hat sich ein Jahr Elternzeit genommen, ich zwei Monate. Ich kann mir meine Zeit viel flexibler einteilen als Sebastian dies in seinem Job als Anwalt in einer Großkanzlei hätte tun können. Bisher funktioniert die Aufteilung zwischen uns beiden ganz gut. Natürlich klappt noch nicht alles so, wie wir uns das vorgestellt haben, und häufig müssen wir improvisieren, aber es ist bereits jetzt spürbar, dass sich bei uns ein Modus einspielen könnte, der einen schönen Ausgleich ermöglicht zwischen Kindesbetreuung, Arbeit, Zeit für sich und Family-Time. Wie das nach der Elternzeit von Sebastian dann weitergeht, müssen wir sehen.
Nach diesen acht Wochen als frisch gebackene Mutter kann ich jetzt schon sicher sagen: Mit Kind lebt man irgendwie ein extremeres Leben. Extremer in beide Richtungen. Ich bin erschöpft und glücklich wie nie zuvor. Jeder Tag ist anders. Ruhiger und lauter. Aber wir lieben diese neue Herausforderung, auch wenn wir uns heimlich ein bisschen mehr Paar-Zeit und Zeit für uns selbst wünschen. Obwohl ich mir ehrlich gesagt recht sicher bin, dass wir dann an so einem freien Wochenende ohne Kind die meiste Zeit vor dem Handy hängen und uns Fotos und Videos vom Kleinen angucken würden. Das machen wir nämlich jetzt auch schon, wenn er ausnahmsweise mal einen Mittagsschlaf hält.
Wer noch mehr von Marie Nasemann lesen und hören möchte, kann ihr auf Instagram folgen. Dort gibts u.a. auch einen ausführlichen Geburtsbericht. Auf ihrem Blog Fairknallt findet ihr außerdem viele Artikel von Marie zum Thema Nachhaltigkeit. 

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