Finanzen & Sparen
Spar- statt Shopping Queen
Mehr Budget für die wirklich wichtigen Dinge – Alexa übt Konsumverzicht ohne Krampf.
von Alexa von Heyden - 01.03.2023
Die Audiodatei gibt es hier als Download.
  
Wie in unserem Lagebericht-Podcast bereits angekündigt: In diesem Jahr wollen wir Fun, Fun, Fun! Sparsam zu leben, das empfand ich persönlich lange als das Gegenteil von Fun. Geiz ist in meinen Augen gar nicht geil, sorry. Und trotzdem habe ich in den letzten Wochen daran gearbeitet, mein Money-Mindset auf Krisenzeiten auszurichten und mir bewusst darüber zu werden, wofür ich mein Geld ausgebe – und was ich mir sparen kann.
Kleine Herausforderung dabei: Ich bin Sternzeichen Stier und im Freundeskreis auch als „Ästhetikschwein“ bekannt. Möbel, Klamotten, Schmuck, Make-up, Restaurantbesuche und Reisen: Schöne Dinge machen mir Spaß. Vor allem bei Kaschmirpullovern werde ich schwach. In meinem Schrank liegen davon zwölf Stück. Natürlich brauche ich keinen neuen. Was mache ich? Kaufe den 13. Pullover, weil ich die Farbe noch nicht hatte.
Schon am nächsten Tag wurde mir klar, dass es bescheuert war, den Pulli zu kaufen. Ich brauchte nicht noch einen. Aber das Problem ist: Ich sitze mittendrin im Shoppingrausch, weil ich online arbeite. Mein Geld verdiene ich nicht nur mit Artikeln und Büchern, sondern indem ich Werbung für Produkte mache. Dabei sehe ich automatisch auch das, was meine Kolleg*innen bewerben, und habe somit pausenlos hübsche Dinge vor der Nase. Nach meinem Feierabend scrollte ich stundenlang durch die Onlineshops und hinterfragte selten einen Preis, wenn es sich um ein Trendteil handelte. Ich klickte blind auf „Bestellen“.
Mir schien, als würde ich wie so oft ein bisschen Hilfe auf meinem Weg von der Shopping- zur Sparqueen brauchen. Zum Eingrooven kaufte ich mir einen Ratgeber zum Thema Sparen. „Die 500 besten Spar-Tricks für Haushalt, Freizeit, Einkauf & Co“ hieß das Buch. Schon beim Durchblättern ahnte ich: Für diese Art von Knauserei bin ich nicht gemacht. Ich weiß nicht, welchen Tipp ich bescheuerter fand: den Spülmaschinentab zu halbieren, mit Stoppuhr zu duschen oder das Kochwasser von Kartoffeln und Pasta zum Blumengießen zu verwenden!

„Auch gut: bei Freund*innen baden oder duschen, um selbst Energie zu sparen. Geht’s noch?“ -

Das sind vielleicht wertvolle Tipps für Frugalist*innen. Diese Menschen leben derart extrem sparsam, um einen großen Teil ihres monatlichen Einkommens in Aktien, Fonds oder Immobilien zu investieren. Blogger*innen wie die Österreicherin Valentina Dapunt („Minimal Frugal“) zählen zu der sogenannten FIRE-Bewegung. Das steht für „Financial Independence Retire Early“, was auf Deutsch übersetzt so viel wie „Finanzielle Unabhängigkeit und früh in Rente gehen“ bedeutet. Am besten schon mit 40, wenn die Rendite stimmt.
Um dieses Ziel möglichst schnell zu erreichen, kaufen Frugalist*innen den günstigen Ketchup der Eigenmarke und nicht so wie ich das bekannte Markenprodukt in der dekorativen Flasche. Denn „frugal“ bedeutet „einfach“ oder „bescheiden“.
Das gilt auch für Klamotten und in diesem Punkt konnte ich doch etwas lernen: Ein Instagram-Beitrag von Valentina Dapunt erinnerte mich an die Idee, eine zeitlose und vielseitig kombinierbare Capsule Collection aus hochwertigen Kleidungsstücken wie Sweatshirts, Blusen und Jeans aufzubauen, statt andauernd neue Trendteile zu shoppen, die ungetragen im Schrank für Frust sorgen. Spoiler: 13 Kaschmirpullover braucht man dafür nicht und trotzdem ist man gut angezogen. Marlene Sørensen definiert die Capsule Collection als „tragbare Glückspille“ und zeigt in ihrer Kolumne, wie das nicht nur in Schwarz, Weiß und Beige, sondern auch in Frühlingsfarben gut aussieht.
Laut einer Umfrage der Sparkasse würden übrigens fast 50 Prozent aller volljährigen und erwerbstätigen Bundesbürger*innen lieber früher in Rente gehen. Die Vorstellung bereits in meinem Alter nicht mehr von einem regelmäßigen Einkommen abhängig zu sein – das wäre sexy, ja. Aber ich bin eine von vielen Frauen in Deutschland, die erst mit über 40 überhaupt angefangen hat, ihr Geld an der Börse statt im Schuhregal anzulegen. Deshalb bewundere ich die Konsequenz der Frugalist*innen und weiß aber auch, dass viele Menschen gar nicht anders können, als extrem sparsam zu leben. Am Ende des Monats ist trotzdem kein Cent mehr übrig, den sie anlegen können.

„Ich machte mir einmal mehr klar, wie privilegiert ich bin, weil ich mir ein Lebensmodell aussuchen kann.“ -

Werden mein Sparschwein und ich also doch noch Freunde? Mein Durchbruch war es zu verstehen, warum ich Dinge kaufte. An und für sich ist der Impuls, etwas zu wollen, was alle anderen auch haben, nicht verwerflich. Dass wir uns unterbewusst an unser Umfeld und die Gesellschaft anpassen wollen, hat evolutionsbiologische Gründe: Wer früher in der Wildnis von seinem Tribe ausgeschlossen wurde, war auf sich allein gestellt und hatte schlechte Überlebenschancen. Deshalb möchten wir „dazugehören“.
In meinem Unterbewusstsein arbeitete aber noch etwas anderes: Ich kam mir selbst auf die Schliche und stellte fest, dass ich nicht nur dazugehören wollte, sondern fast täglich online bestellte, damit in meinem Leben überhaupt etwas passierte. Ich kaufte nicht, weil ich etwas Neues brauchte oder etwas Kaputtes ersetzen musste.

„Onlineshopping war eine Möglichkeit geworden, meine Einsamkeit und Langeweile zu bewältigen.“ -

Mit jedem Teil kaufte ich die Idee von einem neuen Ich mit ein, das nicht allein in ausgebeulten Leggings und Nestern im Haar im Homeoffice in einem Kaff in Brandenburg saß. Ich versuchte meine innere Leere mit einem Haufen von Dingen zu stopfen, wobei die Lifestyle-Inflation dafür sorgte, dass die Beträge, die ich dafür bereit war auszugeben, immer höher wurden. Ich geriet finanziell unter Druck – für nichts. Denn als ich den Empfang des Pakets quittierte und die Ware bei uns im Flur stand, hatte sich der Kick wie ein lauwarmer Furz in Luft aufgelöst. Oft hatte ich noch nicht mal Lust, die Sachen auszupacken, und schickte alles zurück, ohne ein Teil anzuprobieren.
Laut einer Studie der Universität Bamberg geht in Deutschland übrigens jedes vierte Paket zurück. Besonders nach Rabattaktionen wie dem „Black Friday“ oder „Cyber Monday“ schießen die Retourenzahlen in die Höhe. Mit dem Hin-und-her-Schicken verursachen allein die Menschen in Deutschland jährlich geschätzt 795.000 Tonnen CO₂ – das ist ungefähr so viel, wie rund sieben Millionen Autos auf der Fahrt von München nach Hamburg ausstoßen. Damit sind wir Retouren-Europameister.
Ich fühlte mich schlecht, richtig schlecht. Auf meinen Kanälen betone ich die Nachhaltigkeitsvorteile verschiedenster Produkte und bin selbst mitverantwortlich für eine riesengroße Sauerei. Es war Zeit für eine Veränderung auf mehreren Ebenen. Ich erinnerte mich an den Rat aus dem Money-Mindset-Coaching bei Julia Lakaemper, das ich letztes Jahr gemacht hatte, um meine Beziehung zu Geld zu verbessern: „Mindset-Arbeit ist wie Sport – wir müssen immer wieder in eine neue Rolle hineinwachsen: Die braucht neue Überzeugungen.“ Aufgrund meiner inneren Überzeugung, etwas nicht zu kaufen, statt mir den Konsum komplett zu verbieten: Da war die Denkweise, die ich brauchte. Nur wie kam ich dahin? Leute, es war so einfach!

„Die Frage, die ich mir jetzt vor jedem Kauf stelle, ist: Was versuche ich damit zu heilen?“ -

Meine Langeweile oder Einsamkeit? Meine Mangelgedanken? Kann ich mich anders für einen anstrengenden Tag belohnen als mit einem Pullover?
Ich erarbeitete eine Strategie, die mir hilft, meinen Kaufimpulsen zu widerstehen. Zum Beispiel indem ich Freund*innen frage! Nicht, ob man bei ihnen duschen oder baden darf, sondern was sie vom 13. Kaschmirpullover halten. Am besten, man hat mehrere Ansprechpartner*innen für verschiedene Bereiche: die Modeexpertin, die Interieurexpertin, Reisefachfrau usw. So treffe ich mehr und mehr bessere Entscheidungen.
Für mich wichtig: Fokus setzen. Manchmal konnte ich mich nicht mehr darin erinnern, was ich bestellt hatte, weil ich während der Arbeit nebenbei shoppte. Ich war ständig abgelenkt. Wenn ich jetzt etwas brauche, nehme ich mir Zeit und überlege vor allem bei Klamotten, wie oft ich das Teil tragen werde und was ich dazu kombinieren kann. Die helle, weite Jeans auf dem Foto zum Beispiel habe ich gekauft, weil ich sie jeden Tag tragen kann; zwei Hippiekleider und eine Seidenbluse nicht.
Nicht zu vergessen: den Drang, etwas zu kaufen, immer wieder hinterfragen. Brauche ich wirklich etwas Neues oder kaufe ich es, um damit auf Instagram zu prahlen? Die Stylistin Janine Dudenhöffer von The Sustainable Stylist rät, erst mal Vorhandenes zu aktivieren und daraus freshe Kombis zu schaffen. Bei ihrer Beratung geht sie shoppen: nicht online oder in der Boutique, sondern im Kleiderschrank ihrer Kund*innen. „Du hast schon alles, was du brauchst“, sagt sie und zeigt dann, wie man z.B. mit Layerings neue Outfits kombiniert. „Frag dich, kannst du den Look so ähnlich mit Sachen nachstylen, die du besitzt oder leihen kannst?“, empfiehlt sie.
So kann man nicht nur Geld sparen, sondern reduziert automatisch den eigenen CO₂-Fußabdruck. Janine Dudenhöffer weiß: 30 bis 40 Prozent unserer Kleider im Schrank tragen wir selten oder nie. Für solche Teile veranstaltet Janine zusammen mit der Schmuck-Unternehmerin Guya Merkle den Sustainable.instamarket, bei dem ein Teil der Erlöse an femnet.ev gespendet werden. Das ist ein gemeinnütziger Frauenrechtsverein, der sich für bessere Arbeitsbedingungen von Frauen in der Bekleidungsindustrie einsetzt. Der nächste Termin für den Online-Sale: 17. bis 20. März!
Wenn ich doch wieder zurück in alte Muster falle und den Onlineshops gar nicht widerstehen kann, fülle ich meinen Warenkorb, klicke dann aber nicht auf „Bezahlen“, sondern mache ein Workout, gehe spazieren oder ins Bett. So entsteht mehr Zeit zwischen Wunsch und Kauf. Am nächsten Morgen hat sich der Thrill der Neuanschaffung meist von selbst erledigt.
Außerdem habe ich die Raten für meine Sparpläne jeweils um 20 bis 50 Euro erhöht. Geld, das ich nicht mehr auf dem Konto habe, kann ich nicht ausgeben bzw. investiere es vorab einfach schlauer. Das fühlt sich nicht an, als würde ich in die Röhre schauen, sondern gibt mir ein gutes Gefühl von Sicherheit für später.
Funktioniert auch super: Ich plane jeden Tag Slots ein, um effektiv zu arbeiten, in Ruhe meinen Sport zu machen oder bewusst Quality Time mit meiner Tochter zu verbringen. Dafür habe ich inzwischen fast alle Onlineshop-Newsletter und Benachrichtigungen abbestellt und lasse mein Handy immer öfter in der Küche liegen, damit ich nicht bei jedem „Pling“ danach greife. Wenn ich nicht den ganzen Tag online bin und mich nicht dauernd mit anderen vergleiche, habe ich automatisch weniger Wünsche.
Und siehe da: An diesen Stellschrauben zu arbeiten, zeigte bald Wirkung. Indem ich mein Belohnungsshopping reduziere und nicht dauernd wegen der vielen Retouren zur Post muss, habe ich plötzlich etwas, das ich als unendlich wertvoll empfinde: mehr Zeit.

„Ich habe jetzt Zeit für Dinge, die meiner Einsamkeit und Langeweile nachhaltiger entgegenwirken, als etwas zu kaufen.“ -

Zum Beispiel noch mehr Yoga zu machen, im Garten herumzuwühlen, eine Reitstunde zu buchen oder für einen Tag nach Berlin zu fahren.
Konsumverzicht empfinde ich jetzt nicht mehr als Spaßbremse, sondern als eine wohltuende Vereinfachung meines Alltags.
Mein letzter Einkauf war übrigens kein Pullover, sondern ein Onlinekurs. Und zwar, haltet euch fest, an der renommierten Yale-Universität. Ich studiere jetzt The Science of Well-Being – die Wissenschaft des Wohlbefindens. Onlineshopping brauche ich dafür nicht mehr.

Abo abschließen, um Artikel weiterzulesen

Endlich Ich - Abo

6,90€

Alle Artikel lesen, alle Podcasts hören

4 Wochen Laufzeit, monatlich kündbar
Digitaler Goodie-Bag mit exklusiven Rabatten
min. 2 Live-Kurse pro Woche (Pilates, Workouts, etc.)
Bereits Abonnent? Login