Immobilien & Wohnen
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Gemeinsam mit den Schwestern ein Ferienhaus kaufen – gute Idee oder eher nicht? Ein Erfahrungsbericht.
von Alexa von Heyden - 28.04.2021
"Unsere Teenagerzeit war mehr Gekloppe, als Harmonie", erinnert sich Hjördis. Trotzdem hat die Dreiunddreißigjährige (auf dem Foto ganz rechts) zusammen mit ihren Schwestern Hilleborg, 38, und Siiri, 35, vor kurzem ein Haus in Schleswig-Holstein gekauft. "Seit Jahren träume ich von einem Mehrgenerationshaus," erzählt die Jüngste weiter, "... doch meine Familie zeigte mir jedes Mal einen Vogel."
In Hamburg leben die drei Schwestern mit ihren Familien in "Eimsbullerbü", wie die Einwohner*innen den beliebten Hamburger Stadtteil Eimsbüttel nennen. Eine Eigentumswohnung kostet hier etwa zwischen 800.000 und 1,2 Millionen Euro. „Ein Kauf war für uns komplett undenkbar“, sagt Hjördis. Als die älteste Schwester ihr erstes Kind bekam, rückte die Familie enger zusammen. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Haus wurde immer stärker. Nachdem sich die Frauen erst immer häufiger sonntags bei selbst gebackenem Kuchen trafen, kamen bald gemeinsame Sommerurlaube und Weihnachtsferien dazu. Irgendwann entstand auch bei den anderen der Wunsch nach einem Wochenendhaus für die Großfamilie. „Wir hängen doch sowieso die ganze Zeit aufeinander“, so Hjördis.
Aus Spaß fingen die Schwestern an, sich Ebay-Kleinanzeigen und Immoscout-Inserate von alten Bauernhöfen hin und her zu mailen. Durch Zufall erfuhren sie von einem ehemaligen Fachwerkhaus Baujahr 1904, das von einer guten Bekannten der Freundin ihrer Mutter verkaufen werden sollte. Es lag direkt am Hafen von Wewelsfleth, einer ländlichen Gemeinde mit rund 1.500 Einwohnern. Vier Schlafzimmer, zwei Bäder, ein Wohnzimmer, eine Küche sowie nach vorne und hinten raus ein kleiner Garten: Die Familienidylle wurde plötzlich konkret.
Die Schwestern schauten sich das Haus am Deich an und waren sich einig: Wir kaufen. Den Hafen in „Wewi“ kannten sie sogar noch aus Kindertagen, in denen sie hier mit dem Segelboot ihrer Eltern anlegten. Und es gab noch so viel mehr Pluspunkte: Bezahlbarer Preis für 185 Quadratmeter in der ersten Reihe mit Blick aufs Wasser, renovierungs- aber nicht sanierungsbedürftig und 45 Autominuten von Hamburg entfernt – perfekt fürs Wochenende, selbst wenn man erst am Samstag anreist, so wie Hjördis Mann oder Siiri, die in Eimsbüttel zwei Friseur- und Kosmetiksalons names "I love Hair" betreibt.
Doch dann machte die Verkäuferin einen Rückzieher. „Umso mehr wollten wir alle plötzlich dieses Haus“, erinnert sich Hjördis. Sie suchten weiter nach einem ähnlich schönen Objekt, abonnierten jeden erdenklichen Newsletter, telefonierten mit vielen Maklern und fanden: nix. Nicht nur die Häuser im Hamburger Umland gehen meistens unter der Hand weg. Allein im Corona-Jahr sind die Suchanfragen nach Häusern mit mehr als 150 Quadratmeter Wohnfläche laut Medienberichten um 71% gestiegen.

„Ein eigenes Haus steht in Zeiten wie diesen nicht nur für eine Auszeit vom Stadtleben, sondern auch von der Pandemie.“

Viele wünschen sich dieses einfache, aber dennoch durch die Nähe zur Natur und handwerklichen Tätigkeiten erfüllte Leben gerade mehr als alles andere.
Ein echtes Wunder also, dass die Schwestern sechs Monate später eine zweite Chance für das Haus am Deich bekamen. Die Besitzerin hatte sich von ihrem Mann getrennt und schmiedete neue Lebenspläne. Nun sollte alles ganz schnell gehen. Im Herbst 2020 unterschrieben Hilleborg, Siiri und Hjördis zusammen mit ihren Männern den Kaufvertrag für das Haus am Deich.
Da zuvor zwei Rentner in dem nordischen Kleinod gelebt hatten, mußte es für die Bedürfnisse von sechs Erwachsenen und bislang drei Kindern erst noch fit gemacht werden. Dass sie selbst renovieren würden, kam für die meisten der Familie anfangs nicht infrage. Auch Hjördis hat als Marketing- und Kommunikationschefin des Modelabels Closed hat genug zu tun und will am Wochenende abschalten. Doch als die ersten Kostenvoranschläge der Handwerksbetriebe eintrudelten, änderte sie ihre Meinung.

„"15.000 Euro fürs Wände streichen? Das mache ich selber!"“

Ihre Eltern entpuppten sich bei dem Projekt als Joker. Die passionierten Segler machen jeden Winter ihr Segelboot aus Holz selber wieder flott und verfügen deshalb über jahreslanges Know-how, welches eine solide Eigenleistung im Rahmen der Renovierung möglich machte. So wurde der Vater zum Bauleiter und das Wohnzimmer zum Baubesprechungsraum. Jedes Wochenende verlas er die Excelliste und verteilte die Jobs an seine Töchter und Schwiegersöhne. Inzwischen haben sie nicht nur die Wände selber gestrichen, die Küche und Bäder renoviert, sondern auch Steckdosen verkabelt, die Terrasse abgerissen, die Kopfteile für die Betten günstig selber nachgebaut und alte Bauernschränke zu funktionalen Möbelstücken überholt.
"Man wächst mit seinen Aufgaben", heißt es – und das stimmt. Die Excelliste ist jetzt länger als am Anfang. „Zuerst plant man nur die Wände zu streichen, dann denkt man plötzlich über Wanddurchbrüche nach“, erzählt Hjördis.
Nicht nur die Renovierung, auch die Finanzierung des Hauses stemmen die Schwestern mit ihren Männern gemeinsam. Auch hier lief nicht alles von Anfang an glatt. „Wir haben uns erst einen Finanzberater gesucht, mit dem wir einen tollen Termin hatten. Nach hinten raus hat er uns aber viel versprochen und nichts geliefert. Wir wollten jeder unseren eigenen Kredit, aber das war nicht möglich.“ Da Festangestellte als Kreditnehmer*innen bevorzugt werden, läuft jetzt über jeweils einen der drei Paare der Kredit bei der Hamburger Sparkasse. Im Grundbuch sind jedoch alle sechs als Eigentümer eingetragen. Für die Renovierungskosten läuft ein weiterer Kredit im Wert von etwas mehr als 10% des Kaufpreises. Der lag übrigens – ganz anders als für die Immobilien in der Eimsbullerbü – unter einer halben Million Euro. Irgendwann im Laufe der nächsten 20 Jahre sind vielleicht Sondertilgungen drin, bislang fließt alles in die Renovierung und Einrichtung.

„Das Geld wird von einem gemeinsamen Konto abgebucht, auf das alle ihren Anteil einzahlen.“

Und zwar ein bisschen mehr, als nur die monatliche Kreditsumme, damit von diesem Geld auch Fixkosten wie Strom oder Müllabfuhr bezahlt werden können. Außerdem hat die Familie eine GbR gegründet, um die Vertragsgestaltung und somit zum Beispiel später die Erbschaft der Kinder zu vereinfachen. Inzwischen hat jede Partei ihr eigenes Zimmer bezogen. Außerdem gibt es ein separates Kinderzimmer und noch ein Gästezimmer, in dem die Eltern schlafen.
Das nächste Projekt: Endlich die Treppe schwarz streichen und für den Sommer einen Pool bauen, der in die Holzterrasse eingelassen wird. Das Haus am Deich soll der ultimative Erholungsort für alle werden. Allerdings bedeutet das für jeden etwas anderes. „Es ist unser Rückzugsort und nicht zuletzt auch mal Kriegsschauplatz“, lacht Hjördis. „Wir haben ewig nicht zusammen gewohnt. Da muss sich vieles erst wieder einruckeln.“ Bei italienischem Essen, einer neutralen Farbpalette im skandinavischem Stil und langem Ausschlafen am Wochenende sind sich alle einig. Streit gibt es bei der Dekoration und in Sachen Ordnung. „Wir streiten um Teelichter oder die richtige Aufbewahrung für das Klopapier“, so Hjördis.

„Deshalb brauchte es wie in einer WG ein paar Grundregeln.“

Es herrscht im Haus am Deich demokratisches Stimmrecht. Für eine Entscheidung muss es eine Zweidrittelmehrheit geben, bei größeren Investitionen wie der neuen Badewanne sogar Einstimmigkeit. Wenn es die nicht gibt, greift Hjördis in die Trickkiste. „Besonders fies ist es, das Thema nochmal anzusprechen, wenn unsere Eltern da sind und sie auf eine Seite zu ziehen“, lacht sie.
Dass der Schuppen kürzlich schwarz gestrichen wurde, fand nur die Hälfte der Bewohner*innen schön. Die anderen wollten lieber den klassischen Stil, den man in der Region öfter sieht, erhalten. Also weißes Mauerwerk mit dunkelgrün lackierten Türen. Bei solchen Konflikten bekommt jeder Redezeit. Der Vorteil, wenn es zwischen drei Schwestern knallt: „Wir können alles sagen, uns richtig doll streiten und zwei Tage später ist alles wieder ok.“
Kommen kann jede*r, wann sie oder er möchte.

„Zu Coronazeiten ist ein negativer Test die Eintrittskarte.“

Die älteste Schwester Hilleborg, die als Fachbereichsleiterin für Compliance bei einen Energiekonzern arbeitet,  ist in Zeiten von geschlossenen Kitas und Schulen mit ihren Kindern dauerhaft hier und auch Hjördis verlegt ihr Homeoffice ab und an nach Wewi. "Ich liebe es, dass sich hier jeder auf der Straße Hallo sagt und es egal ist, was man anhat." Wenn sie nach Hamburg ins Büro fährt, trägt sie oft noch ihre Gummistiefel.
„Früher fand ich es cool gestresst zu sein und in die U-Bahn gequetscht zu werden. Nach dem Abi wollte ich nie wieder in einer Stadt unter fünf Millionen Einwohnern leben. Jetzt habe ich einen Ort, an dem ich abschalten kann und etwas für meine Altersvorsorge tue“, sagt sie.
Gute Idee also mit den Schwestern eine Immobilie zu kaufen? Wenn man sich das Haus am Deich anschaut, eine ziemlich gute sogar. Und zwar nicht nur wegen der gemeinsamen Finanzierung. Den großen Esstisch aus Eichenholz stiftete die kürzlich verstorbene Großmutter. Ihr Bild steht jetzt daneben, wenn die Familie sich zum Essen zusammenkommt und bespricht, wie es auf der Baustelle weitergeht.
Hier könnt ihr Hjördis und ihre Schwestern weiter auf ihrer Baustelle begleiten: Das Haus am Deich

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