Job & Finanzen
Kaufen oder warten?
Maya fragt sich, ob es schlau ist, bei den aktuell hohen Zinsen ein Haus zu kaufen oder lieber abzuwarten. Unsere Finanzexpertin weiß Rat.
von Svenja Hillmann - 01.08.2023
Maya ist Nachhaltigkeitsmanagerin in der Konsumgüterbranche und zweifache Mutter. Mit ihrem Mann Niklas und den beiden gemeinsamen Töchtern lebt sie in einer Mietwohnung in Hamburg. Und obwohl sie das Leben in der Großstadt genießen, überlegen Maya und Niklas, ob sie nicht doch lieber ein Haus in ihrer Heimat, einer Kleinstadt vor den Toren Hamburgs, kaufen sollten. Doch wann genau ist überhaupt der richtige Zeitpunkt dafür? Und sind die Zinsen aktuell nicht viel zu hoch?
GemeinsameEinnahmen:
Mayas Nettoeinkommen: 2.700 Euro
Niklas’ Nettoeinkommen: 4.000 Euro
Kindergeld: 500 Euro
Gemeinsame Ausgaben:
Miete Wohnung: 1.680 Euro
Nebenkosten Wohnung: 100 Euro
Haushaltshilfe: 35 Euro
Lebensmittel, Drogerie: 500 Euro
Internet & GEZ: 55 Euro
Haftpflicht-, Hausrat- und Reisekrankenversicherungen: 20 Euro 
Versicherung für das Lastenrad: 15 Euro
Kfz-Versicherung: 400 Euro
Kita: 200 Euro
Mayas individuelle Ausgaben:
Notgroschen: variiert zwischen 50 und 200 Euro
Sportverein: 45 Euro
Spenden: 15 Euro
Kleidung: 50 Euro
Drogerie: 15 Euro
Gesundheit: 50 Euro
Freizeit: 100 Euro
Maya wusste schon früh, dass ihr Herz für globale Gerechtigkeit und Umweltthemen schlägt und ihr Nachhaltigkeit und ein bewusster Umgang mit Konsum wichtig sind. Kein Wunder also, dass sie auch bei ihrem beruflichen Werdegang immer ein ganz klares Ziel vor Augen hatte: die Textilbranche nachhaltiger zu gestalten. Zehn Jahre lang arbeitete die studierte Bekleidungstechnikerin deshalb in der Nachhaltigkeitsabteilung eines großen Hamburger Textilunternehmens, machte dort berufsbegleitend ihren Master in Sustainability Management, bevor sie 2021 ihren sicheren Job kündigte und bei einem anderen Unternehmen anfing.
Ein Grund für den Wechsel sei vor allem die mangelnde finanzielle Wertschätzung seitens ihrer alten Firma gewesen, erklärt sie. Und auch heute, zwei Jahre später, findet Maya noch immer: „Das war zwar eine sehr gewagte, dennoch aber absolut richtige Entscheidung. Ich verdiene jetzt viel mehr als damals. Außerdem habe ich ein super Team, viel mehr Spielräume mitzugestalten und erfahre viel Zustimmung durch meine Vorgesetzten. Das fühlt sich gut an!“ Auch die flachen Hierarchien, das nette Betriebsklima sowie die Anerkennung und die Flexibilität für Mütter wie sie sei großartig, erzählt die 35-Jährige.
Mit ihrem aktuellen Gehalt ist Maya also mehr als zufrieden. Außerdem bekäme sie regelmäßig Boni, Mitarbeitendenrabatte und Zuzahlungen zum Nahverkehr, erzählt sie.
Auch wenn sie grundsätzlich glücklich ist in ihrem Job, Entwicklungspotenzial sieht Maya dennoch – vor allem in ihrem Aufgabenbereich. „Es geht gar nicht um den Titel, viel mehr um die Art der Aufgaben. Ich hätte schon Lust auf eine Führungsposition. Allerdings arbeite ich ja auch nicht Vollzeit“, erklärt Maya. Laut Vertrag hat sie eine 30-Stunden-Woche, wobei sie an vielen Tagen so viel zu tun hat, dass sie es nicht immer ganz pünktlich aus dem Büro schafft.
Um ihre finanzielle Zukunft macht Maya sich viele Sorgen. Sie hat eine betriebliche Altersvorsorge, wird irgendwann mal ihr Elternhaus erben und hat rund 30.000 Euro auf einem Tagesgeldkonto zur Seite gelegt. „Eigentlich möchte ich das Geld gerne mal anlegen, weiß aber immer gar nicht so genau, wo und wie“, so Maya. Sie sei da einfach entscheidungsunsicher, erklärt sie. Schließlich will sie ihr Geld eben auch nicht in „irgendwas“ investieren. Viel lieber möchte sie ihr Geld in Unternehmen investieren, mit deren Zielen und Haltungen sie sich identifizieren kann. „Ich bin da, glaube ich, sehr anspruchsvoll, beziehungsweise habe eben meine persönlichen Werte und da habe ich anlagetechnisch einfach noch nicht den für mich richtigen Weg gefunden“, so Maya. 
Maya ist Mutter von zwei Töchtern. Ihnen wünscht sie ein sorgloses Leben und eine angstfreie Zukunft, dass sie einfach Kinder sein können. Gemeinsam mit ihnen und ihrem Mann Niklas lebt Maya in einer 120 Quadratmeter großen Mietwohnung in einem familiären Hamburger Stadtteil. „Eigentlich bin ich hier ganz zufrieden“, sagt Maya. „Hier ist schließlich alles, was wir so brauchen. Und genug Platz haben wir auch.“

„Trotzdem, der Wunsch nach etwas mehr Grün oder etwas weniger Trubel sei gleichzeitig auch immer da.“ -

Deshalb schauen Maya und Niklas sich auch regelmäßig Immobilien zum Kauf in ihrer Heimat, einer Kleinstadt in der Nähe von Hamburg, an. „Schließlich wäre so ein Haus ja eine gute und solide Altersvorsorge“, erklärt sie. Das richtige Objekt sei aber bisher einfach noch nicht dabei gewesen. „Vielleicht auch, weil wir uns so unsicher sind, ob wir das überhaupt wollen. So ein Haus bedeutet ja auch viel Arbeit. Und ein finanzielles Risiko!“, so Maya.
Der Gedanke, in diesen Zeiten ein Haus zu kaufen, macht ihr Angst. „Unser Finanzberater hat uns ausgerechnet, dass wir – im Vergleich zum letzten Jahr – heute für die gleiche Kreditsumme rund 500 Euro pro Monat mehr zurückzahlen müssten“, erzählt Maya. Und ergänzt: „Auch wenn wir uns das aktuell leisten könnten, hätte ich immer Sorge, was passiert, wenn einer von uns mal unerwartet seinen Job verliert.“ Sie sei da einfach nicht so risikofreudig, eher konservativ. „Man hört das ja immer wieder, dass Leute sich verkalkuliert haben und jetzt ihre Häuser verkaufen müssen.“ 
Die Zerrissenheit zwischen Klein- und Großstadt wird also wohl noch etwas bleiben. „Bis das richtige Objekt zum richtigen Zeitpunkt vor uns steht. Vielleicht ja nächsten Sommer. Wir haben es jedenfalls nicht eilig. Erst recht nicht bei den hohen Preisen“, so Maya. „Außerdem frage ich mich wirklich, ob es aktuell überhaupt Sinn macht, ein Haus zu kaufen, oder ob man nicht lieber warten sollte?“
Guter Rat:
Olga Frost ist Privatkundenberaterin im Vermögensmanagement bei Hüttig & Rompf. Zuvor arbeitete die gelernte Bankkauffrau und geprüfte Bankfachwirtin unter anderem bei verschiedenen Sparkassen in der Privatkundenberatung. Ihr stetiges Ziel: Menschen auf dem Weg in die eigene Immobilie zu begleiten und herauszufinden, ob und welche Immobilie am besten zu den eigenen Bedürfnissen passt.
Lohnt es sich momentan überhaupt – bei steigenden Zinsen und fast gleichbleibenden Kaufpreisen – ein Haus zu kaufen? 
Unbedingt! Wenn man für sich selbst eine Immobilie sucht, ist es wie mit dem Kinderkriegen:

„Es gibt nicht den perfekten Moment!“ -

Niemand weiß, was morgen oder übermorgen sein wird, wie die Kaufpreise und Zinsen sich entwickeln werden. Viel besser ist es, im Hier und Jetzt und vom aktuellen Stand aus zu schauen und das Beste herauszuholen. Deshalb: Macht was Besseres mit eurem Geld, als es für Miete auszugeben!
Ihr beiden zahlt schließlich aktuell jeden Monat 1.680 Euro in die Taschen eurer Vermieter*innen. Davon könntet ihr auch einen guten Kredit abbezahlen und so eure Altersvorsorge absichern und Vermögensaufbau betreiben. Das schafft kein Sparplan! So lange ihr das nicht tut, schmeißt ihr das Geld zum Fenster raus.
Klar, die Zinsen sind gestiegen, das schreckt erst einmal ab und fällt vor allem auf, weil wir es auf Grund der enormen Niedrigzinsphase der letzten Jahre nicht kennen. Dabei sind die aktuellen Zinswerte im Grunde die Norm! Und ja, die Kaufpreise sind da aktuell noch nicht ganz hinterhergekommen, sind weiterhin verhältnismäßig hoch. Dennoch, ihr solltet immer bedenken, dass kaum ein Haus für den Preis verkauft wird, der anfangs gefordert wurde.
Ihr als Käufer*innen habt aktuell also viel Spielraum, mit den Makler*innen und Verkäufer*innen ins Gespräch zu gehen und zu verhandeln. Dabei ist es natürlich wie überall im Leben: Man sollte nicht frech werden und immer bedenken, dass auf der anderen Seite auch ein Mensch ist, der sein Eigentum verkaufen möchte. Aber viele Verkäufer*innen haben schon verstanden, dass es nicht mehr darum geht, wer mehr bietet, sondern dass Käufer*innen gewissenhaft schauen, wie der (Energie-)Standard des Hauses aussieht und was alles getan werden muss, um hier ein angemessenes Level zu erreichen.

„Bei den Preisen sind also meist wirklich große Sprünge drin!“ -

Und wie finde ich das richtige Haus? Ich tue mich so schwer, mich festzulegen!
Erst einmal solltest du offen sein und nicht zu sehr den goldenen Käfig für wenig Geld suchen. Außerdem solltest du dir klarmachen, dass du dort nicht auf ewig bleiben musst. Ein Haus zu kaufen, heißt im Grund ja auch nur, „irgendetwas“ zu kaufen. Keiner nagelt dich darauf fest, dort die nächsten 30 Jahre zu wohnen. Vielmehr kannst du quasi jederzeit wieder ausziehen. So gesehen legst du dich also gar nicht so fest, wie es vielleicht auf den ersten Blick wirken mag.
Was passiert, wenn wir arbeitslos werden und den Kredit nicht mehr bezahlen können?
Das ist alles Kalkulationssache. Ich persönlich berechne meinen Kund*innen, wenn sie zu zweit sind, die Kredite immer gerne so, dass sie sie auch eine Zeit lang allein stemmen könnten.

„Oder wir planen eine solide Rücklage mit ein, die nicht ins Eigenkapital eingerechnet wird.“ -

Ich unterstelle euch beiden jetzt einfach mal, dass ihr im Falle einer ungeplanten Arbeitslosigkeit schnell wieder einen neuen Job finden würdet. Es heißt also, nur eine kurze Durststrecke überstehen zu müssen. Und vergiss nicht, auf die Miete würde dein*e Vermieter*in ja auch nicht einfach verzichten, nur weil du deinen Job verlierst. Die müsstest du auch weiter stemmen. Auch ein Kredit ist also schaffbar und gar nicht so dramatisch, wie es vielleicht klingen mag.
Nicht schön, aber wichtig ist tatsächlich, sich Gedanken über den Todesfall zu machen. Erst recht, wenn man kleine Kinder hat. Ich empfehle hier immer eine gegenseitige Absicherung der Partner*innen durch eine Risikolebensversicherung. Dabei berechnet man, wie hoch der individuelle Anteil am Darlehen ist, und diesen Betrag lässt man dann durch eine Risikolebensversicherung absichern. Wenn ihr also zum Beispiel gemeinsam ein Darlehen von 400.000 Euro habt, du selbst 200.000 Euro davon alleine abdecken kannst, dann sollte Niklas eine Risikolebensversicherung über 200.000 Euro abschließen. So wäre euer Haus in jedem Fall abgesichert. Denn keine*r sollte, wenn man schon so einen Schicksalsschlag erlebt, noch um sein Zuhause bangen müssen. 
Ist ein Haus überhaupt eine gute Altersvorsorge? 
Die beste! Du solltest schließlich nicht vergessen, dass du bei einer Mietwohnung dein Leben lang Miete zahlen musst. Und wir wissen alle nicht, wie sich die Mietpreise entwickeln. Hast du aber ein Haus, gut kalkuliert und deinen Kredit zum Renteneintritt abbezahlt, lebst du im Alter mietfrei!

„Im Idealfall setzt du aber natürlich auf mehrere Pferde: Fonds, Rentenversicherung, ein Eigenheim und zusätzlich noch eine Kapitalanlage.“ -

Mieteinnahmen im Rentenalter sind schließlich eine großartige Einnahmequelle und monatliche Verwaltungsarbeiten lassen sich gut an externe Dienstleister abgeben. Und wenn du die Immobilie nicht mehr haben willst, verkaufst du sie einfach. Themen wie Mietnomaden oder ein Wasserrohrbruch sind wirklich überschaubare Risiken, die es – im Verhältnis zum Gewinn – absolut wert sind, einzugehen.
Meine Schwester und ich werden unser Elternhaus irgendwann mal gemeinsam erben, wenn ich dann dort einziehe, sie aber verkaufen möchte, wie handeln wir unter Geschwistern einen fairen Kaufpreis für mich aus? 
Hier solltest du dir eine*n unabhängige*n Gutachter*in suchen. Der*Die schaut sich das Haus ganz genau an, stellt einen Marktwert auf und berechnet mögliche Baustellen mit ein. Je nachdem wie gut euer Verhältnis ist, ziehen du und deine Schwester dann noch einen kleinen Geschwisterbonus ab und dann habt ihr euren Kaufpreis. Das sollte bestenfalls alles kein Problem sein, ist aber natürlich individuell. 
Noch ein Tipp: Solltest du zum Zeitpunkt des Erbantritts nun bereits ein eigenes Haus gekauft haben, könntet ihr natürlich auch darüber nachdenken, euer Elternhaus gemeinsam zu vermieten.
Oder zu verkaufen und den Gewinn dann als Sondertilgung zu nutzen, um eure eigenen Kredite schneller zu tilgen. 
Ganz grundsätzlich möchte ich dir raten, liebe Maya, dass du noch einmal genau in dich gehst. Vieles von dem, was ich hier lese, klingt für mich so, als würdest du Gründe suchen, kein Haus kaufen zu „müssen“. Solltet ihr euch aber doch dafür entscheiden, eine Immobilie zu kaufen, rate ich euch, bei einer unabhängigen Finanzberatung eine zweite Meinung einzuholen.
Ich glaube nicht, dass euer erster Finanzierungsberater das richtige Match für euch war. Vielmehr brauchst du jemanden an deiner Seite, der dich vernünftig und individuell aufklärt, gemeinsam mit dir deine Sorgen durchgeht und dir deine Ängste nimmt. Das würde vieles für dich einfacher machen, da bin ich mir sicher. Dann ist auch ganz schnell die „richtige“ Immobilie dabei!
Wenn du keine Immobilie für den Eigenbedarf kaufen möchtest, könntest du überlegen, eine zum Vermieten zu kaufen – „Betongold“ ist langfristig gesehen schließlich immer noch das beste Investment. Solltest du das auch nicht wollen, könntest du andere Maßnahmen ergreifen – wie in ETFs investieren, über Fonds sparen oder einen Sparvertrag aufsetzen. Das alles ist aber sehr individuell und auch hier solltest du dich gut beraten lassen. Schließlich musst du für dich entscheiden, welches der beste Weg für dich ist.
Anmerkung der Redaktion: Wer nicht in Immobilien investieren kann oder möchte, sollte anders vorsorgen. Hier erklärt der Finanzexperte Gerd Kommer, warum es sich nicht immer lohnt, eine eigene Immobilie zu kaufen. 

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