Es passierte in einer heißen Sommernacht vor fünf Jahren. Unser erstes Kind, unsere Tochter Ruby, hatte sich nach einer komplizierten, kraftzehrenden Geburt endlich zu uns gesellt. Anschließend lagen wir glücklich zu dritt im Familienzimmer.
Bis Ruby mit Vollkaracho in ihre erste Windel kackte.
Ich war zu schwach aufzustehen, wir hatten keine Lust eine Hebamme anzuklingeln und rückblickend wurde mir klar: Jetzt passierte der Moment, in dem meine gleichberechtigte 50/50-Elternschaft begann.
Mein Mann nahm unsere winzige neue Mitbewohnerin auf den Arm, ging mit ihr zum Wickeltisch ins Bad und das nächste, was ich hörte war: "Na du kleine Maus, ich hab noch nie ein Baby gewickelt, aber weißt du was: wir denken uns jetzt einfach etwas aus. Das wird schon!"
Und es wurde. Es wurde sogar richtig gut. Warum sollte es auch nicht? Ich hatte genau so wenig Ahnung wie er. Zwar hatte ich schon Babysitterkinder, Neffen und Nichten gewickelt - aber das eigene, winzige, frisch geborene Baby auch noch nicht.
Meine Eltern nervten mich früher als Kind gern mit dem Satz: "Als du auf die Welt kamst, lag leider keine Gebrauchsanleitung dabei!" Viele vergessen: Diese Anleitung gibt es weder für die Frau, noch den Mann. Und genau da liegt die Chance für alle auf Gleichberechtigung.
„Wir Frauen müssen uns nicht um alles kümmern, wenn wir es nicht wollen.“ -
Wenn wir es wollen, ist es ein ganz anderes Thema. Hier geht`s heute aber darum, wie wir anfangen können, uns von der Last der alleinigen Verantwortung zu befreien. Freiheit durch Feminismus lautet meine Parole!
Es gibt so vieles, das wir Frauen für selbstverständlich als unsere Aufgaben ansehen. Weil es uns von unseren Eltern und deren so vorgelebt wurde. Aber es liegt an uns, ob wir das weiterführen wollen oder für uns neue Regeln aufstellen.
Meine Schwestern, neun und zehn Jahre älter, sagten früher gern: "Wow, was dein Mann alles für dich tut!" Dieser Satz machte mich immer sehr wütend. Er tat und tut es nämlich nicht für mich, sondern für uns und ich tue genau so viel für ihn und uns. Wir leben in allen Bereichen die Gleichberechtigung. Sei es im Haushalt, Finanziellen und seit fünf Jahren in der Kinderbetreuung.
Als mein Mann anfing als Anwalt zu arbeiten und ich damals als Führungskraft mehr verdiente als er, bezahlte ich auch mehr. Als ich mit dem ersten Kind in die Elternzeit ging, bezahlte er mehr. Wir rechnen nicht miteinander ab, wir machen das grob nach Gefühl. Aber das Prinzip ist glasklar: Wir machen das zusammen, gleichberechtigt, keiner von uns muss die Verantwortung alleine schultern, beide haben die gleichen Rechte in allem, wir schaffen das zusammen.
Mein Mann und ich kümmern uns jeder zwei Tage die Woche nachmittags um die Kinder und einen Nachmittag macht unsere langjährige Babysitterin. Brennt es bei einem von uns im Büro mehr als sonst, springt der andere bei der Betreuung ein und andersherum. Ist es mal überraschend ruhig, freuen wir uns über einen gemeinsamen Freitagnachmittag als Familie. Unser Traum ist sogar, den Freitag irgendwann vormittags für uns zu haben und nachmittags dann als Familie alle zusammen.
„Aber geht das denn als Anwalt? Warum denn nicht?“ -
"Schön, dass ihr das so lebt, aber bei meinem Mann, der auch Anwalt ist, ginge das nicht", schrieb mir eine Leserin als sie erfuhr wie wir uns aufteilen. Ich antworte: "Geht nicht alles, wenn man es wirklich will?" Und sie schrieb: "Aber dann müssten wir ja auf Geld verzichten."
Es geht also, die Frage ist nur der vermeintliche Verzicht. Wir verzichten in dem Moment, wenn wir uns selbst um unsere Kinder kümmern, natürlich auf Einnahmen durch die Arbeit. Wobei es Konzepte gibt, mit denen das nicht zwingend so laufen muss (Stichwort passives Einkommen, siehe Podcast mit Miss Moneypenny). Aber natürlich ist es in der Regel so, dass man dadurch Einbußen hat, die Frage ist nur, ob man dafür nicht auch ganz viel bekommt und wieviel Geld man eigentlich zum Leben braucht und ob das immer mehr verdienen wollen nicht auch zum immer mehr ausgeben führt (siehe Podcast mit Philipp Siefer).
Worum es mir geht: Es ist alles möglich, egal welchen Beruf man hat, man muss es nur wirklich wollen. Dann kann man es auch möglich machen. Die Ausrede es ginge nicht, lass ich nicht gelten. Wenn jemand sagt: Ich möchte es aber gar nicht, ist das was anderes. Das Recht hat ja jeder.
Genau so sehe ich auch oft Frauen, die sich an das Recht klammern, dass nur sie Ahnung von der Kinderbetreuung und der Organisation eines Haushalts hätten. Weil sie das als Daseinsberechtigung brauchen. Nur wenn genau diese Frau in sich Frust spürt, eigentlich den Wunsch hegt, anders zu leben, dann möchte ich gern Mut machen. Es ist möglich! Es gibt Wege da raus! Und rein in ein gleichberechtigtes Leben. Auch wenn das im Worst Case dazu führt, festzustellen, dass es mit dem gewählten Partner leider nicht funktioniert, er den Weg nicht mitgehen will. Dann braucht es besonders viel Mut, kann aber auch zu ungeahnten Kräften führen.
Und auch wenn ich hier so feministisch und konsequent klinge, was ich wirklich bin, dann heißt das aber nicht, dass ich an besonders harten Tagen im Büro oder an Wochenenden, an denen ich Arbeit aufhole oder wenn ich manchmal ein besonderes Erlebnis mit den Kindern verpasse, dass ich dann nicht auch manchmal heimlich denke: "Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich mir einen reichen Mann geangelt hätte und meine einzige Sorge jetzt wäre, welche Nagellackfarben ich auswählen muss?"
Nur ist ja selbst in dem Leben das nie die einzige Sorge.
Vergangenen Winter war ich beruflich in Berlin, als mir einfiel, dass im Kindergarten das alljährliche Laternebasteln anstand. Wenn mein Mann eine Sache hasst, dann basteln. Er ging trotzdem hin. Er malte sehr seltsam aussehende Männchen auf die Laternen unserer Kinder, die sie liiiiebten und ich am liebsten im Schrank versteckt hätte, aber das wäre nicht meine Definition von Gleichberechtigung. Wobei mein Dekoherz da schon sehr stark demonstrierte. Dass er zum Basteln gegangen war, fand ich sensationell, ich feierte ihn dafür. Und er feierte mich, als er und die Kinder Magen-Darm hatten und ich die Wäsche wusch und das Bad putzte, obwohl ich mir auch lieber den Virus eingefangen hätte, als das zu tun.
Aber so ist das zum einen, wenn man jemanden liebt und zum anderen mit der Gleichberechtigung. Dann verrichtet man eben Dinge, die keiner so richtig gerne mag und belohnt sich mit einer großen gegenseitigen Feierei.