Finanzen & Sparen
Tun oder lassen?
Ist Social Trading über Plattformen wie Etoro eine schlaue Idee? Christiane von Hardenberg erklärt die Risiken.
von Christiane von Hardenberg - 01.09.2021
Neulich kam meine Freundin Marie ganz aufgeregt auf mich zu: „Ich war gerade beim Friseur und er hat schon über 30.000 Euro verdient, mit Aktien“, erzählt sie, ganz außer Atem. Mir wird etwas unwohl. „Er folgt da irgendwelchen Tradern auf Etoro“, erzählt Marie weiter. „Und kauft und verkauft, was diese Trader machen – und schwups hatte er 30.000 Euro verdient“, sagt sie. „Kannst du mir einmal erklären, was er da genau macht?“, fragt sie weiter.
Kann ich. Was Maries Friseur macht, nennt sich Social Trading, Social Investing oder auch Copy Trading und verbindet die Social-Media-Welt mit der Finanzwelt. Ähnlich wie bei Twitter oder Instagram folge ich Personen, hier erfolgreichen Tradern. Das geht über Plattformen wie Etoro, Wikifolio, Zulutrade oder Naga. Ich kann diese Personen aber nicht nur liken und kommentieren, sondern ihnen sozusagen auch mit meinem Geld folgen: Dann investiere ich automatisch wie der Trader, dessen Follower ich bin.
Wie funktioniert das genau? Das Prinzip – ich kopiere das Portfolio automatisch – ist immer dasselbe, die einzelnen Plattformen unterscheiden sich jedoch: Bei Etoro beispielsweise muss ich zunächst auf der Website ein Konto eröffnen. Nun kann ich mir verschiedene Trader und Portfolios ansehen, „Miyoshi“ aus Dänemark gehört mit einer Performance von rund 90 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten beispielsweise zu den Top-Tradern. „Miyoshi“ hat rund 118.000 Follower, also Investor*innen, die sein Portfolio verfolgen, und knapp 13.000 Anleger*innen, die seine Aktienstrategie kopieren. In seinem Newsfeed stellt er sich und seine Anlagestrategie vor und ist im regen Austausch mit der Community. Ich kann mir genau ansehen, welche Aktien „Miyoshi“ hält, beispielsweise Twitter, Disney, Zoom und Microsoft, zu welchen Anteilen und wann er Aktien verkauft bzw. neue Aktien kauft. Etoro merkt sich, welche Portfolios ich mir angesehen habe, und schlägt mir automatisch Trader mit ähnlicher Strategie vor.
Wenn ich nun den Trader meines Vertrauens gefunden habe, kann ich Beträge ab 200 US-Dollar (170 Euro) investieren. Bei Etoro muss ich dazu mein eigenes Depot eröffnen, das Geld kann ich über meine Kreditkarte, PayPal oder auch per Banküberweisung einzahlen. Mein Portfolio sieht nun so aus wie „Miyoshis“ Depot, verkauft er Twitter, werden proportional auch Twitter-Aktien aus meinem Depot verkauft, kauft „Miyoshi“ Netflix-Aktien, kaufe ich sie ebenfalls. Nicht nur über Etoro kann man diese Art von Kopieraufträgen in Auftrag geben, auch über Naga, hinter dem ein Start-up aus Hamburg steht, oder auch Zulutrade.
Wikifolio funktioniert so ähnlich, allerdings kaufe ich dort keine Aktien, sondern ein Zertifikat. Wenn ein Wikifolio-Trader genügend Follower hat, kann er sein Portfolio auf der Website zugänglich machen, indem er ein Zertifikat ausgibt, das ich dann kaufen kann.
So weit, so gut.

„An sich finde ich die Idee sehr reizvoll, die Strategien erfolgreicher Anleger*innen besser zu verstehen und ähnlich zu investieren.“ -

Allerdings gibt es einige Fallstricke: Zum einen vermitteln die Anbieter*innen den Eindruck, als ob auch Neulinge so ganz leicht investieren könnten. Das sehe ich anders: Sich die Vielzahl der Trader genauer anzusehen, ihre Investmentstrategie zu verstehen, die Unternehmen zumindest größtenteils zu kennen, deren Aktien sie kaufen, erfordert so viel Wissen, dass es wirklich nichts für Anfänger*innen ist. Und wer denkt, er könne sich an der vergangenen Performance orientieren, liegt falsch: Die Vergangenheit sagt nichts, absolut gar nichts über die Zukunft aus. (Das gilt übrigens für jedes Investment: Nur weil etwas in den vergangenen zehn Jahren gut gelaufen ist, heißt das noch lange nicht, dass es im nächsten Jahr weiter gut laufen wird.)
Die Anbieter*innen werben damit, die Aktienkäufe seien kostenfrei. Das stimmt so leider nicht ganz, bei Etoro verstecken sich die Kosten hinter dem Spread, also der Differenz zwischen An- und Verkaufskursen. Über Wikifolio höre ich immer wieder, dass die Kostenstruktur sehr intransparent sei und angeblich zwischen 5 und 30 Prozent betragen kann. Überdies gibt es regulatorische Probleme: Anders als ein Fonds unterliegen die Musterinvestoren nicht der Finanzaufsicht und können von heute auf morgen ihre Investmentstrategie ändern und ich kann als Anleger*in nichts machen. Bei Wikifolio besteht überdies ein Emittentenrisiko. Da ich keine Aktien besitze, sondern nur ein Zertifikat des Emittenten (Wikifolio), ist mein Vermögen im Fall einer Pleite von Wikifolio nicht ausreichend geschützt.
Und noch eine Sache zum Schluss: Wie der Name Social Trading bzw. Copy Trading schon sagt, handelt es sich meistens ums Traden. Die meisten Musterinvestoren sind auf kurzfristige Gewinne aus, die durch den schnellen Kauf und Verkauf von Aktien entstehen. Studien zufolge verlieren aber 80 Prozent aller Day-Trader Geld, die Sache mit dem Timing ist nämlich nicht so einfach. Daher investiere ich vor allem langfristig.
Genug gemotzt, an sich finde ich die Idee, solche Portfolios transparenter zu machen, superinteressant und spannend. Persönlich nutze ich diese Musterportfolios bisher allerdings nur, um mich zu informieren, um mich inspirieren zu lassen, investiert habe ich noch nicht. Wenn ich das nächste Mal Geld anlegen kann, will ich aber einen kleinen Anteil in das Wikifolio von Stefan Waldhauser investieren. Ich folge ihm seit Langem und kenne ihn mittlerweile persönlich. Seine langfristige Strategie fokussiert auf Tech-Aktien, das leuchtet mir ein. Natürlich investiere ich in erster Linie, um mein Geld zu vermehren. Hier reizt es mich aber auch, diese neue Form des Investierens besser zu verstehen. Wie man jedoch sieht, ist ein wohlüberlegtes Investment in ein solches Musterdepot ganz schön zeitaufwendig – und sicher nichts für Menschen, die wenig Erfahrung und Zeit haben.
Ich bin übrigens sehr gespannt, was Marie von ihrem nächsten Friseurbesuch erzählt. Ein Freund, der mir vor einigen Wochen noch geradezu euphorisch von seinem Wikifolio erzählte, gab jetzt eher niedergeschlagen zu: „Das Ding ist ganz schön in der Grütze.“
Genug vom Social Trading, ich komme kurz zu einer ganz anderen Frage, die immer wieder auftaucht:

„Welchen Onlinebroker sollte man überhaupt nutzen?“ -

Gerade in den vergangenen Jahren sind viele neue Anbieter*innen hinzugekommen, die ich auch nicht alle ausprobiert habe – was aber ein Projekt für die nächsten Wochen werden könnte. Dann berichte ich euch gern von meinen Erfahrungen.
Die Frage, die ihr euch zuerst stellen solltet, lautet aber: Wie will ich so ein Depot nutzen? Will ich ein- bis zehnmal im Jahr Aktien kaufen oder sehr viel öfter? Will ich regelmäßig in einen Sparplan einzahlen, sei es in einen ETF-Sparplan oder in einen Aktiensparplan? Brauche ich darüber hinaus noch ein Girokonto und sogar noch weitere Konten, wie Gemeinschaftskonten mit dem Partner oder der Partnerin, Geschäftskonten, etwa weil ich selbstständig bin?
Ich bin sehr dafür, die eigenen Finanzen so einfach und übersichtlich wie möglich zu halten. Das liegt sicherlich daran, dass mein Leben mit vier Kindern ohnehin komplex genug ist. Daher war ich auch jahrzehntelang treue Kundin der Berliner Sparkasse, habe mir aber für mein Onlinedepot Sonderkonditionen ausgehandelt, die mit den gängigen Onlinebrokern vergleichbar waren. So hatte ich aber immer alle Konten im Blick.
Irgendwann bin ich mit meinem Depot zu Onvista gewechselt, die seinerzeit führend waren. Mittlerweile kann ich sie aber nicht mehr weiterempfehlen, das Interface und die Handhabbarkeit sind schon sehr aus der Zeit gefallen. Die Ordergebühren sind mit 5 bis 10 Euro zwar gering, allerdings fallen bei den meisten Handelsplätzen Maklergebühren an, sodass die Kosten deutlich höher sind. Letzteres gilt allerdings für viele Onlinedepotanbieter, man muss deshalb sehr genau hinsehen, auf welchen Handelsplätzen man zu welchen Konditionen handeln kann.
So weit meine Erfahrungen. Die Frage, die ihr euch stellen solltet, ist: Brauche ich das Komplettangebot einer Bank oder nur ein Depot?
Wenn man das Komplettangebot einer Bank haben will, also von Giro- über Tagesgeldkonto bis hin zu Kredit und Kreditkarte, dann gehören Comdirect, Consorsbank und Ing-Diba zu den Anbietern, die gleichzeitig kostengünstige Depots anbieten. Die Ordergebühren für Einzelaktien liegen zwischen 4,99 Euro plus 0,25 Prozent des Orderbetrags und maximal 69 Euro – sind also nicht gerade umsonst. ETF-Sparpläne hingegen sind mit 1,50 Euro pro Sparplan vergleichsweise günstig, bei der Ing-Diba kann man sogar sämtliche Sparpläne umsonst besparen.
Wenn es nur um ein Depot geht, bekommen derzeit Trade Republic, Smartbroker und Scalable Capital sehr viel Aufmerksamkeit und durchaus gute Kritik. Diese Broker zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie ETF-Sparpläne kostengünstig oder gar umsonst anbieten. Trade Republic beispielsweise bietet mittlerweile 1.500 kostenlose Sparpläne an, bei Scalable ist der erste Sparplan umsonst, jeder weitere kostet 99 Cent. Je nach Anbieter und Depotwahl fallen keine Gebühren für Aktienkäufe oder nur geringe Kosten von 1 bis 6 Euro an. Aber auch hier kommen an manchen Börsenplätzen Handelsgebühren dazu.
Bei Trade Republic kann man nur über die App auf dem Smartphone handeln, nicht über den Rechner. Viele sehen dies als Vorteil, ich empfinde es als Nachteil: Bereits jetzt gucke ich zweimal täglich auf mein Handy, manchmal aus purer Langeweile. Glücklicherweise kann ich aber von dort aus nicht handeln. Denn mein erster Reflex wäre, zu verkaufen, wenn beispielsweise der Biontech-Kurs ein neues Hoch erreicht – um dann den nächsten Höchststand zu verpassen oder, noch schlimmer, zu höheren Kursen wieder nachzukaufen. Genauso bewahrt es mich davor, vorschnell zu verkaufen, wenn die Aktien in den Keller gehen.
Am Ende bleibt nur die alte, zugegeben abgedroschene Börsenweisheit:

„„Vieles Hin und Her macht die Taschen leer!““ -

Gerade als langfristige Anlegerin will ich häufiges Handeln vermeiden. Dann rücken die Handelsgebühren in den Hintergrund und wichtiger ist die Frage, ob ich mit dem Gesamtpaket zufrieden bin.

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