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Das mit den Finanzberater*innen ist ja so eine Sache für sich. Vermutlich kann fast jede*r von uns eine Geschichte erzählen, wie er*sie einen schlechten finanziellen Rat bekommen hat oder sich gar übers Ohr gehauen fühlte. Aus Erfahrung weiß ich, bei diesem Thema kochen die Emotionen ganz schnell sehr hoch. Nur Immobilienmakler*innen und Autoverkäufer*innen genießen einen ähnlich schlechten Ruf: wenig kompetent, aufs Geld fixiert.
Von ganz ungefähr kommt dieser Ruf nicht: Als Studentin habe ich in der Vermögensverwaltung für wohlhabende Kund*innen einer großen deutschen Bank gejobbt. Da habe ich sehr schnell gelernt: Es geht zwar auch um das Wohl der Kund*innen, mehr aber noch um die Provision der Berater*innen. Das war übrigens der Moment, in dem ich beschlossen habe, meine Finanzen selbst in die Hand zu nehmen und mir das notwendige Wissen anzueignen.
Ehrlicherweise muss ich an dieser Stelle sagen, der schlechte Ruf rührt oftmals auch aus falschen oder überzogenen Vorstellungen der Anleger*innen.
„Wer Selters bestellt, kann keinen Sekt erwarten.“ -
Zudem habe ich als Anleger*in immer die Verantwortung, mich genau zu informieren und selbst zu entscheiden, Finanzberatung hin oder her.
Dennoch ist die Kritik an der Finanzbranche und ihren Berater*innen nicht ganz unberechtigt und der Sektor hat darauf reagiert, indem Kosten gesenkt und transparenter gemacht wurden. Zudem gibt es zahlreiche Finanzinnovationen, die es Privatanleger*innen erleichtern, ihre Geldanlage selbst zu managen: von passiv gemanagten ETFs und kostengünstigen Onlinedepots bis hin zu Robo-Advisors.
Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich bei Robo-Advisors um automatisierte digitale Anlageberatungen oder besser noch um Vermögensverwaltungen. Anlagestrategien und -entscheidungen werden nicht von Menschen, sondern vom Algorithmus getroffen. Man kann auf diese Weise einmalig Geld anlegen – manche Angebote starten mit 500 Euro, manche erst ab 10.000 Euro –, aber auch monatliche Sparpläne mit ihrer Hilfe einrichten.
Wer sich für diese Alternative entscheidet, wählt zunächst online einen Robo-Advisor aus, etwa Quirion, Growney, VTB Invest, Raisin Invest oder Ginmon. Anschließend füllt man einen standardisierten Fragebogen aus, ähnlich wie man das vielleicht schon einmal bei einer Filialbank gemacht hat. „Bei meiner Geldanlage achte ich vorrangig auf die Rendite – stimme zu/stimme nicht zu“ oder aber „Die Gefahr, dass ich einen Teil meines Vermögens verliere, belastet mich sehr/mittel/gar nicht“ gehören zu den gängigen Fragen. Darüber hinaus wird abgefragt, welche Ziele ich mit meiner Geldanlage verfolge. Will ich mich absichern oder von etwaigen Chancen an den Aktienmärkten profitieren? Habe ich darüber hinaus bereits Erfahrungen am Finanzmarkt gesammelt, beispielsweise in Geldmarkt- oder Aktienfonds oder Anleihen investiert? Und schließlich, nicht ganz unwichtig: Über welchen Zeitraum möchte ich mein Geld anlegen?

Anhand meiner Antworten wirft der Algorithmus dann eine Anlagestrategie aus: Bei eher risikoscheuen Anleger*innen läge der Anleihen- bzw. Aktienanteil beispielsweise bei je 50 Prozent, bei risikofreudigen Anleger*innen wäre das Verhältnis vielleicht 70 Prozent Aktien, 30 Prozent Anleihen, je nach persönlicher Einschätzung. Um möglichst kostengünstig zu sein, setzen die Robo-Advisors nicht auf eine ausgeklügelte Mischung aus Einzelaktien, passiven und aktiven Fonds und Anleihen, sondern auf einen Mix von einigen wenigen ETFs.
Angenommen mein Portfolio bestünde zu 70 Prozent aus Aktien und zu 30 Prozent aus Anleihen: Steigen die Aktienkurse, erhöht sich auch der Aktienanteil in meinem Portfolio entsprechend, mein Aktienanteil klettert beispielsweise auf 80 Prozent. In diesem Fall verkauft der Robo-Advisor einige Aktien und stockt mit dem Geld die Anleihen auf, um die ursprüngliche 70:30-Gewichtung wiederherzustellen. Das nennt sich auch Rebalancing. Allerdings schichtet der Robo-Advisor nicht jedes Mal um, wenn das Verhältnis ins Wanken gekommen ist, sondern tut dies üblicherweise zu einigen wenigen fixen Zeitpunkten im Jahr.
An dieser Stelle muss ich noch erwähnen, dass es neben den oben genannten passiven auch aktive Robo-Advisors gibt. Der Onlinebroker Scalable Capital bietet beispielsweise eine solche aktive digitale Anlageberatung an. Anders als bei den passiven Anbietern geht es nicht nur darum, ein bestimmte Gewichtung beizubehalten, sondern auch darum, Verluste zu begrenzen und Gewinne zu maximieren. Je nach Börsengeschehen werden die ETFs umgeschichtet.
Ob aktiv oder passiv, Robo-Advisors haben ihren Preis. Die Anbieter verlangen rund ein Prozent der Anlagesumme pro Jahr als Gebühr. Zum Vergleich: Die selbstverwaltete Geldanlage mit einer Mischung aus Tages-, Festgeld und Onlinedepot kostet Berechnungen zufolge nur 0,3 Prozent pro Jahr. Allerdings muss man sich hier aktiv kümmern, Entscheidungen fällen und ETFs selbst auswählen und das ist vielleicht nicht für jede*n was.
„Prinzipiell bin ich sehr dafür, dass vor allem Frauen lernen, ihre Entscheidungen selbst zu treffen.“ -
Nur so können wir selbstbestimmte und unabhängige Anlegerinnen werden. Aber es gibt natürlich auch gute Gründe, warum man sein Geld Robo-Advisors anvertrauen sollte. Viele Frauen (und Männer) haben schlichtweg nicht genügend Zeit oder Interesse, sich tiefer in das Thema einzuarbeiten. Oder sie fühlen sich noch nicht sicher genug, ihre Anlageentscheidung allein zu treffen und entsprechende ETFs auszuwählen. Für sie sind Robo-Advisors meiner Meinung nach eine zeitsparende und kostengünstige „Brückentechnologie“: Man muss sich in das Thema einarbeiten, kann aber die Entscheidungen outsourcen, solange man sich noch nicht sicher fühlt. Gerade unerfahrenen und unsicheren Anleger*innen würde ich diese digitale Lösung empfehlen. Denn oftmals neigen Börsenneulinge in Krisen dazu, die Nerven zu verlieren und Aktien zu Tiefstständen zu verkaufen. Die Hürde, die Online-Vermögensverwaltung zu kündigen beziehungsweise neu auszurichten, ist vermutlich deutlich größer, als mal schnell auf den Verkaufsknopf zu drücken.
Noch ein Wort zur Performance der digitalen Anlageberater: Nachdem die Aktienkurse zu Beginn der Coronakrise im März 2020 heftig eingebrochen waren und somit auch die automatisch verwalteten Depots, sind die Robo-Advisors in die Kritik geraten. Zu Unrecht, wie ich finde, denn passive Robo-Advisors haben gar nicht den Anspruch, Verluste zu begrenzen oder Gewinne auszubauen, sondern wollen lediglich das Marktgeschehen gemäß Risikogewichtung abbilden. Anders aktive Robo-Advisors, die damit werben, Talfahrten an der Börse abzufedern. Zumindest Scalable Capital ist dies während der Coronakrise nicht gelungen, der Anbieter hat deutlich schlechter abgeschnitten als die passiven Robo-Advisors.
„Das bringt mich einmal mehr zu der Überzeugung, dass Finanz-angelegenheiten so einfach wie möglich gehalten sein sollten.“ -
Wenn man sich zu Beginn für die passive Form des Anlegens entscheidet, also mit ETFs lediglich das Marktgeschehen kopiert, sollte man nicht versuchen, durch die Hintertür, in diesem Fall mit aktiven Advisors, seinen Gewinn zu maximieren. Auch wenn ich Robo-Advisors für eine sinnvolle Übergangslösung auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit halte, plädiere ich sehr dafür, dass Menschen ihre Geldanlage selbst in die Hand nehmen – gerade Frauen. Mit überschaubarem Zeitaufwand kann sich jede Frau eine Do-it-yourself-Vermögensverwaltung aus Tages- und Festgeldkonto sowie ein oder zwei ETFs basteln. Bei einer günstigen Direktbank oder einem Onlinebroker kommt man hier mit deutlich geringeren Kosten davon. Viel wichtiger ist, dass man dabei finanziell selbstständig, unabhängig und selbstbewusst wird. Denn der Preis für die Verantwortung, die man an eine*n Berater*in – analog oder digital – abgibt, ist, dass man unwissend bleibt. Und Unwissenheit ist immer ein schlechter Berater.