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Wir lesen „Was fehlt dir“ von Sigrid Nunez. Plus: 100 Freiexemplare
von Marlene Sørensen - 01.08.2021
Während ich das schreibe, schaue ich auf mein Exemplar von „Was fehlt dir“ und die vielen Post-its, mit denen ich bestimmte Stellen markiert habe, um sie für die Rezension schnell finden zu können. Doch auch wenn ich jeden Zettel zitieren würde, könnte ich damit nicht dieses Buch wiedergeben. Besser lässt es sich so zusammenfassen: Es gibt Autor*innen, die so schreiben, dass man auf jeder Seite gerne in Gesellschaft ihrer Worte ist. Sigrid Nunez ist eine davon.
Ich bin letztes Jahr über „Sempre Susan. Erinnerungen an Susan Sontag“ auf sie aufmerksam geworden, ihre Memoiren über die prägende Zeit mit der großen amerikanischen Intellektuellen, wobei Nunez keine Neuentdeckung ist. Sie hatte bereits sechs Romane geschrieben, als sie 2018 mit „Der Freund“ international berühmt wurde – so plötzlich wie man das von jemandem behaupten kann, der seit Jahrzehnten eine stete Präsenz in der Gegenwartsliteratur ist.
Auf den Bestseller „Der Freund“, der unter anderem mit dem National Book Award ausgezeichnet wurde, folgt nun „Was fehlt dir“, im Original „What Are You Going Through“. Der Titel bezieht sich auf ein Zitat von Simone Weil: „The love of our neighbor in all its fullness simply means being able to say to him[/her]: ‚What are you going through?‘“
Die Erzählerin des Romans drückt es so aus:

„„Man sagt, eine Möglichkeit, die eigene Stimme zu heben, ist es, etwas für jemand anderen zu tun.““ -

Sie, eine ältere, namenlose Frau, leiht ihre Stimme einer Handvoll Protagonist*innen. Einige sind Zufallsbekanntschaften, andere langjährige Wegbegleiter*innen. Aus den Begegnungen entstehen Beobachtungen über Alter, Vergebung, Reue, Schicksal, Empathie. Die Hauptrolle spielt eine Beziehung, in der all diese Themen eine besondere Wichtigkeit bekommen: die Freundschaft der Erzählerin zu einer ebenfalls älteren Frau, die im Sterben liegt und die beschließt, ihr Leben selbst zu beenden. Ihr Wunsch: Die alte Freundin möge sie bis zum Schluss begleiten.
Ich habe zunächst gezweifelt, ob ich so konkret aufschreiben sollte, worum es sich in „Was fehlt dir“ dreht, falls es zu abschreckend klingt. Der Klappentext beschreibt die Handlung beispielsweise eher vage. Aber ich glaube, dass es deshalb sinnvoll ist, weil dieses Buch nämlich genau das nicht ist, was man eventuell erwarten könnte: schwer.
Im Gegenteil. Der Tod spielt zwar eine Rolle, doch tatsächlich handelt das Buch vom Leben. „Das chaotische Leben. Das unfaire Leben. Das Leben, das gelebt werden musste. Mit dem ich leben musste. Denn wenn ich es nicht tat, wer würde es dann tun?“ Was macht dieses Leben gut? Wie viel Glück können andere dazu beitragen? Wie viel man selbst? Was bedeutet es, zu lieben? Was kann man vergeben, auch sich selbst? Was bleibt?
An einer Stelle sagt die Erzählerin, die auch Schriftstellerin ist:

„„Gleichgültig, wie sehr wir uns bemühen, die wichtigsten Dinge in Worte zu fassen, es ist immer wie Spitzentanz in Clogs.““ -

Sigrid Nunez vollführt diesen Tanz ganz behände, schreibt unpathetisch und einfühlsam, mit Humor und Weisheit. Weisheit, die sich auch darin zeigt, dass sie kein Interesse daran hat, große Proklamationen über den Sinn des Lebens zu machen. Sie schreibt eben nicht in Post-its. Betrachtungen wie diese merkt man sich dennoch: „Die goldene Stunde, die magische Stunde, l’heure bleu. Abende, wenn die Schönheit des sich wandelnden Himmels uns veranlasste, still und verträumt zu werden. Das Sonnenlicht fiel so in den Garten, dass es unsere hochgelegten Füße berührte und dann an unseren Körpern hinaufwanderte wie ein langer, langsamer Segen, und ich war nur noch einen Atemzug davon entfernt zu glauben, dass alles war, wie es sein sollte.“
Am Ende dieses Buches bleiben weniger bestimmte Sätze in Erinnerung, sondern viel mehr ein Gefühl – von Wärme und Trost.
Ich werde es sicher noch einmal lesen und würde mich freuen, wenn ihr dabei seid und wir dann über drei Fragen sprechen, die mich beschäftigen, seitdem ich es ausgelesen habe:
  • Kann man allein glücklich sein?
  • Welche*r Protagonist*in hat euch, neben der Erzählerin und ihrer Freundin, am meisten berührt und warum?
  • Im Buch heißt es: „Es gibt eine bestimmte Art von Glück, sagte meine Freundin, die nur junge Kinder erleben. Als Kind kann man sich nur auf eine Sache konzentrieren […] Aber ab einem gewissen Alter erlebst du dieses Gefühl – die reine Wonne – nicht mehr, du kannst es nicht mehr erleben, weil du immer mehr als eine Sache willst […].“ Glaubt ihr, das ist zutreffend?
Und so könnt ihr eins von 100 Freiexemplaren gewinnen: 
Schickt eine E-Mail inklusive eurer Adresse an ohhhmhhh@aufbau-verlag.de, der Aufbau Verlag wählt die Gewinner*innen aus und benachrichtigt sie. Viel Glück!
Es wäre schön, wenn ihr dann eure Meinung zum Buch hier im Buchclub in Form eines Kommentars hinterlasst. Ich freue mich darauf.
Eure
Porträt von Sigrid Nunez: Marion Ettlinger

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