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Wir sind Zoé und Jasmin, zwei verliebte Frauen aus Berlin, Mütter eines 2-jährigen Sohnes. Unsere kleine Familie ist wie so viele andere Familien auch: chaotisch, warm und voller Liebe. Leider wird uns im Jahr 2022 immer noch das Gefühl gegeben, wir seien doch nicht ganz normal. In Deutschland ist es nämlich so, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht dieselben Rechte haben wie heterosexuelle. Ich, Maman Zoé, die unseren Sohn nicht ausgetragen hat, musste ihn erst adoptieren, bevor er offiziell mein Sohn wurde. Die Norm für eine Familie ist also eine Frau und ein Mann und daran wurden wir immer wieder erinnert.

Jasmin und ich sind seit mehr als sieben Jahren ein Paar und seit drei Jahren verheiratet. Wir hatten einen gemeinsamen Kinderwunsch und haben jahrelang alles gemeinsam geplant. Ich war die gesamte Schwangerschaft an Jasmins Seite, ich habe keinen einzigen Termin verpasst und habe bei der Geburt stundenlang ihre Hand gehalten. Ich war diejenige, die unseren Sohn das allererste Mal gesehen und ihn ganz schnell an ihr Herz gedrückt hat. Ich habe ihn sofort mit meiner ganzen Seele geliebt und ihn jede Nacht ganz fest gehalten. Wir drei haben gelacht und geweint und sind alle zusammengewachsen.
Trotzdem musste ich mich über ein Jahr lang rechtfertigen und beweisen. Da ich vom Gesetz her nicht die leibliche Mutter meines Sohnes bin, hatte ich natürlich auch so gut wie keine Rechte. Entscheidungen beispielsweise über die gesundheitliche Versorgung unseres Sohnes hätte ich rein rechtlich nicht mit treffen dürfen.
Diesen Prozess, den wir durchlaufen haben, nennt man „Stiefkindadoption“ und wie der Name es schon verrät, ist es nicht an unser Familienmodell angepasst. Ich bin ganz sicher keine Stiefmutter und ich habe es absolut gehasst, mich mit Bürokratie zu beschäftigen, während unser Neugeborenes so schnell wuchs. Was mich außerdem unendlich traurig gemacht hat, ist der Fakt, dass unser Kind anderthalb Jahre lang nur einen rechtlichen Elternteil hatte.
„Wie kann so ein Wunschkind Nachteile haben, nur weil es zwei Mütter hat?“ -
Bevor wir den Adoptionsprozess überhaupt beginnen durften, mussten wir nach der Geburt unseres Sohnes zunächst einmal drei lange Monate warten. Erst nach dieser Zeit könne man laut Gesetz nämlich sicher sein, dass die leibliche Mutter keine von ihren Hormonen beeinflusste Entscheidung trifft. Also warteten wir. Anschließend gingen wir mit unserem befreundeten Samenspender zum Notar und er stellte dann den Adoptionsantrag. Unser gemeinsamer Besuch dort musste beweisen, dass der biologische Vater einverstanden sei, seine Vaterschaft abzulehnen.
Die nächsten Wochen durfte ich Unterlagen sammeln, unter anderem ein Gesundheitszeugnis, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis, mehrere Einkommensbescheinigungen und eine SCHUFA-Auskunft.
„Ich wurde mehrmals komplett durchleuchtet, ob ich mich als Mutter eignen würde.“ -
Nach weiterer langer Wartezeit kam dann endlich ein Brief vom Jugendamt mit einem Termin für einen Hausbesuch. Eine Mitarbeiterin platzte in unsere Privatsphäre, guckte sich unsere Wohnung sehr genau an und stellte uns alle erdenklichen Fragen. Ihr war es zum Beispiel sehr wichtig herauszufinden, ob wir auch heterosexuelle Freund*innen haben, wie unsere eigenen Familien auf unsere Coming-outs reagiert haben und ob wir eine größere Wohnung suchen würden. Die Mitarbeiterin gab uns nicht einmal das Gefühl, dass dieses Ausfragen ungerecht sei. Das hätte uns ein wenig getröstet.
Nach weiterer monatelanger Wartezeit und Kontakt mit diversen Ämtern durften wir endlich für die finale Anhörung vors Gericht treten. Wieder mussten wir dieselben intimen Fragen über uns ergehen lassen. Dann bekamen wir endlich das Urteil: Wir sind von nun an beide als offizielle Elternteile anerkannt.
Am Tag vom Beschluss hatte ich das Gefühl, ich sollte mich beim Richter herzlich bedanken. Wir bekamen auch viele Glückwünsche von unserer Umwelt. Alle freuten sich sehr, wir waren natürlich auch erleichtert, dass der ganze Prozess, all die Anstrengungen, die Ängste und die Bürokratie nun hinter uns lagen. Innerlich fühlte ich mich jedoch bedrückt: Was genau sollte zelebriert werden? Der Fakt, dass das System uns diskriminiert und mich erst nach vielen Monaten als Mutter anerkennt?
Dieses Thema sollte mehr Aufmerksamkeit bekommen. Wir wollen, dass man uns zuhört, insbesondere Menschen, die sich nicht mit der LGBTQ+ Community identifizieren können. Denn genau diese Menschen können oft eine große Unterstützung sein. Was jede*r ganz pragmatisch heute tun kann, ist, die Petition von „
Nodoption“ zu unterschreiben. Diese Initiative wurde von Regenbogenfamilien kreiert und kämpft für eine Reform des Abstammungsrechts.
Wir hoffen sehr, dass diese Ungerechtigkeit bald eine Ende nimmt. Wir sind eine vollwertige Familie und verdienen dieselben Rechte wie alle anderen auch.
Falls ihr uns in unserem Alltag begleiten möchtet, findet ihr uns auf Instagram unter
@onetinygang.
Eure Zoé und eure Jasmin
Fotos: Marina Polovinkina und Cindy und Kay