Job & Finanzen
Digital organisiert
Warum tun wir uns so schwer damit, all unsere Unterlagen zu digitalisieren? Elisabeth verrät ihre Tipps und die besten Apps.
von Elisabeth Krainer - 01.09.2023
Wir alle kennen sie. Bei manchen lauert sie in der Küche, bei anderen im Office: die Schublade des Grauens. Aber bevor ich ihr Unrecht tue, muss ich zu ihrer Verteidigung sagen: Sie hat es wirklich nicht leicht. Die Schublade muss für alles herhalten: angebrochene Gutscheine, Geschenkkarten, leergeschriebene Stifte, Scheren, Tesa, Einkaufszettel, den Kontoauszug von November 2010, hässliche Passfotos, fünf Reserveschlüssel von Freund*innen, ein Fahrradschloss und Bewirtungsbelege aus den letzten vier Quartalen. Diese Schublade löst meine ungelösten Probleme – bis es nicht mehr geht.
Mindestens zweimal im Jahr treibt sie mich in den Wahnsinn, dann gehe ich ihr an den Kragen und nehme mir vor, ab jetzt alles fein säuberlich digital abzulegen, was wichtig ist, und alles andere eiskalt zu entsorgen. Das klappt meistens viereinhalb Tage, bis ich rückfällig werde. Denn dann flattert der nächste Brief von der Bank, der Steuerberatung oder der Hausverwaltung rein, den ich prokrastinierend in die Schublade stecke, um mich „heute Abend“ darum zu kümmern. Die Schublade und ich wissen: Ich werde mich nicht kümmern. Ich gebe aber nicht auf und will es diesmal wirklich schaffen: weg von der Schublade des Grauens, die mich irgendwann überwältigt, hin zu einer ordentlichen, digitalen (!) Ablage von allem, was man ablegen kann – allgemeine Dokumente, Verträge, Versicherungen, Kontoauszüge, Rechnungen, Notizen.

Papierkram managen in drei Schritten:

Ich recherchiere und starte den Selbstversuch mit dem Titel „Erwachsensein – Digital Edition“. Es stellt sich heraus:

„Das ist gar nicht so kompliziert, wenn ich ein paar Grundregeln beachte.“ -

Zuerst fixiere ich einen Slot im Kalender: Alle zwei Wochen vereinbare ich einen Termin mit mir selbst, der sich nur um die digitale Organisation meines Lebens dreht. Das ist ab jetzt ein Fixtermin, den ich priorisieren muss – gute Organisation ist ein Marathon, kein Sprint. Dann checke ich alle meine Anbieter darauf, welche digitalen Angebote sie haben. Was lässt sich von vornherein digitalisieren, sodass gar kein Papierkram mehr anfällt? Manche Anbieter will ich gerade nicht wechseln, weil ich dem*der Versicherungsvertreter*in aus dem Nachbardorf zuhause nicht in den Rücken fallen will oder die Konditionen zwar gut, aber eben nicht besonders digital sind. Oder ich habe schlicht keine andere Wahl (looking at you, Finanzamt). Dafür brauche ich Lösungen.

1. Scannen:

Um Papierkram zu digitalisieren, muss ich scannen. Heute brauche ich dafür nicht mehr den 500 Euro teuren Scanner, der so groß ist wie ein Geschirrspüler und klingt, als würde ein Traktor durch mein Büro krachen, wenn er den Steuerbescheid aus dem letzten Quartal scannt. Mein Smartphone genügt. Die Scanqualität von Apps wie Adobe Scan, CamScanner oder Microsoft Lens ist für meine Zwecke ausreichend, auch wenn die Ergebnisse hier und da nicht ganz so akkurat sind wie die des Traktor-Scanners. Wichtig: Die App muss OCR-fähig sein, sie muss also Text erkennen, damit ich später beim Suchen von Unterlagen einfach die Suchfunktion meines Desktops verwenden kann.
Das leisten mittlerweile auch die Apps „Notizen“ oder „Dateien“ am iPhone. Um von Anfang an Ordnung zu halten, sollten die Dateien sinnvoll benannt werden. Dafür kann man zum Beispiel ein chronologisches System nutzen (ich benenne Dateien in Ziffern Jahr/Monat/Tag, damit sie von der Ordnerstruktur automatisch chronologisch angezeigt werden, also zum Beispiel „20230415_Vertrag_Zahnzusatzversicherung“. Dann weiß ich sofort, welche Datei neu ist, welche archiviert werden kann und in welche Kategorie sie einsortiert werden soll).

2. Sortieren:

Nein, Dokumente wild auf dem Desktop rumliegen zu lassen, ist noch keine digitale Ablage. Deshalb lege ich mir eine Ordnerstruktur an, die ich durchpflügen kann, wenn die Versicherungsanstalt mal wieder einen Beleg aus 2015 braucht. Ich lege also sieben Grundordner an: Allgemeine Dokumente, Finanzen, Wohnen, Gesundheit, Versicherungen, Arbeit, Fun. Darin gibt es Unterkategorien, wie zum Beispiel zu unterschiedlichen Versicherungen, verschiedenen Verträgen (Fitness-Studio, Blumen-Abo oder Netflix).
Wichtig ist, dass dort wirklich alles einen Platz hat – selbst wenn es ein Unterordner mit dem vielsagenden Titel „Anderes“ ist – manchmal kommen einfach Briefe und Dokumente ums Eck, die nicht wichtig genug für eine eigene Kategorie sind, aber auch nicht egal genug, um sie einfach wegzuwerfen. „Anderes“ ist also die Grauzone meines organisierten Lebens. Ich mache mir außerdem die Mühe, beim Anlegen alle Dokumente nach Ansprechpartner*in, Kund*innennummer und Kontakt zu scannen, schreibe das in ein Doc und lege es in den jeweiligen Ordner, um alle relevanten Infos griffbereit zu haben.

3. Sichern:

Hier gibt es unterschiedliche Varianten. Für ein paar Dokumente braucht es (zusätzlich zur digitalen) immer noch eine physische Version (Geburtsurkunde wegwerfen ist keine besonders gute Idee). Die kommen in die Dokumentenmappe mit Inhaltsverzeichnis. Am einfachsten klappt das richtige Sichern der digitalisierten Dokumente mit den automatischen Back-ups des Betriebssystems oder einer externen Festplatte, auf der man Ordnerstruktur und Dokumente ablegt. Cloudspeicher wie Dropbox eignen sich auch gut für die digitale Ablage, bei externen Anbietern sollte man aber immer die Datenschutzbestimmungen checken, um zu wissen, wie die eigenen Dokumente auf fremden Servern gelagert sind (Wie steht’s um die Verschlüsselung? Gab es Datenleaks in der Vergangenheit?) und wie diese geschützt sind. Wer sich doppelt absichern will, kann die Dokumentenordner mit Passwörtern sichern.
Und apropos Passwörter: Bei einem gepflegten Passwortmanager (der wie etwa bei iOS auf dem Smartphone und dem Computer via iCloud synchronisiert wird) fängt die Ordnung an.

„Alle Ordnungs-Apps der Welt helfen wenig, wenn man alle drei Wochen ein neues Passwort anfordern muss, weil man das eigene vercheckt hat.“ -

Wer sicher ist, dass er*sie einem Betriebssystem treu bleibt, kann sich hier einfach an den generierten Passwörtern bedienen. Wer sich da nicht so ganz sicher ist, kann immer noch eine gute alte Liste führen und sie an einem geheimen Ort aufbewahren (nein, nicht in der Schublade!). Außerdem gilt dann: Dasselbe Passwort für 392 Portale zu verwenden, ist keine gute Idee. Echter Datenschutz verlangt originelle Passwörter.

Apps statt Schublade:

Wenn es schnell gehen soll und man den Workflow für die digitale Ablage so schlank wie möglich halten will, eignen sich Apps, die diese Abläufe automatisieren. Fileee ist die digitalisierte Schublade, die Funktionen (Scannen, Benennen, Sortieren) an einem Ort bündelt. Das kann hilfreich sein. In der Premiumversion sortiert die App eingescannte Dokumente selbstständig in die jeweilige Kategorie, in der Volltext-Suche können User*innen easy nach einzelnen Dokumenten suchen. Die App erinnert sogar daran, Verträge rechtzeitig zu kündigen oder zu verlängern. Der Clou: Fileee funktioniert als Schnittstelle zwischen anderen Anbietern wie GMX, web.de, Sparkasse oder DEVK. Das macht die Datenübermittlung einfach und schnell. Die Daten werden verschlüsselt in der Cloud gesichert.
Wer es ein bisschen spezifischer mag, kann Apps nach Bereichen nutzen. Die meisten Banken bieten mittlerweile Online-Banking an, was physische Kontoauszüge und Haushaltsbücher überflüssig macht – Zahlungen werden in den meisten Fällen automatisch zugeordnet. Wer selbstständig oder freiberuflich arbeitet, kann zum Beispiel auch den Service von Pleo oder Holvi nutzen. Wer damit bezahlt, kategorisiert Betriebsausgaben automatisch und kann den dazugehörigen Beleg in der App scannen. Holvi übernimmt sogar das Management der Ausgangsrechnungen.

„Die Steuererklärung wird damit fast langweilig.“ -

Auch für andere Bereiche gibt es Apps, die den Papierkram bündeln: In Sachen Versicherung etwa die App Clark, bei der User*innen kostenlos alle Versicherungen hinterlegen, sortieren, aktualisieren und auf die Suche nach besseren Angeboten gehen können. Via Bedarfscheck ermittelt die App, welchen Versicherungsschutz man benötigt, und scannt mittels Algorithmus aktuelle Angebote. Außerdem schickt Clark freundliche Reminder zu Kündigungsfristen und sammelt endlich alle Versicherungspolicen, die ich im Ernstfall zwischen Schublade, Dokumentenmappe und allerhand anderen Verträgen mühsam suchen müsste.

Wie bleibt man organisiert?

Mein Papierkram ist damit großteils Geschichte. Aber: Manchmal muss ich mir To-dos, Ideen und Gedanken aus dem System schreiben, damit sie meine Synapsen nicht verstopfen. Früher hätte ich dafür zu einem Notizbuch gegriffen, sofern es sich dort befindet, wo ich gerade bin. Meistens liegt es in einer meiner vier Handtaschen zuhause im Flur oder ich habe keinen Stift zur Hand. Dann tippe ich alle Gedanken völlig unsortiert in meine Notizen-App am Smartphone, bis ich den Überblick verliere.
Außerdem muss das Privatleben ja auch erst mal organisiert werden (Stichwort: Mental Load). Wie lässt sich das fair und unkompliziert regeln? Mit der Alleskönner-App Notion. Das ist eine Art Sammelbecken für Organisation aller Art: To-dos, Notizen, Leselisten, Urlaubsplaner, Tagebuch-Einträge, hier gibt’s Vorlagen für wirklich alles. Das Gute an Notion: Die App ist für alle Betriebssysteme verfügbar und kann jederzeit auch ohne App in der Web-Version genutzt werden. Der Aufbau ist easy. Notion besteht aus verschiedenen Blöcken und Unterseiten, die man je nach Bedürfnis anpassen kann.
To-do-Listen für Haushalts-Orga kann man mit anderen teilen, einzelne Punkte Personen zuteilen und deren Status aktualisieren. Für die Urlaubsplanung lassen sich Websites von Unterkünften oder Aktivitäten einbinden, auf Leselisten kann man direkt kleine Rezensionen und Gedanken notieren, Notizen kann man thematisch sortieren und kreativer gestalten als in der Notizen-App am iPhone. Anfangs muss man sich als Neuling ein bisschen reinfuchsen, langfristig lohnt es sich aber: weil Notion ein so großer, flexibler Raum für alles ist, was sonst lose durch mein Hirn wabert. Die App bietet außerdem Vorlagen von Notion-Profis an, die so gut wie alle Orga-Bedürfnisse befriedigen. Und das alles ganz ohne Papierkram. Es scheint also, als hätte meine Schublade ausgedient. Jetzt heißt es: dranbleiben. Gerade kam ein Brief vom Stromanbieter. Ich lege ihn mal bis heute Abend ab …
Habt ihr noch gute Tipps in puncto digitale Organisation? Dann schreibt sie gern in die Kommentare.
Zusammen schaffen wir das! Diesmal wirklich.
Eure

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